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Gramsch, Robert
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0204
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3.2. Anerkennungskrise oder reichspolitische Stabilität?

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3.2. Anerkennungskrise oder reichspolitische Stabilität?
Deutschland während der ersten Bannung Friedrichs II.
(1227-1230)

Im August 1227, während der Streit um das welfische Erbe in Deutschland mit dem
königlichen Zug nach Goslar seinem Höhepunkt entgegenging, sammelte sich in Apulien
das Kreuzfahrerheer, welches Friedrich II. auf seinem Zug ins Heilige Land begleiten
sollte/^ Landgraf Ludwig von Thüringen, Herzog Heinrich von Limburg, eine Reihe
von Bischöfen, Grafen und anderen Edlen und eine unerwartet große Masse weiterer
Bewaffneter und einfacher Pilger, versammelten sich binnen weniger Wochen in Brindisi.
Doch brach hier in der sommerlichen Hitze eine verheerende Seuche aus, die zuerst
dem Bischof von Augsburg und dem Kardinal Oliver von Paderborn das Leben kostete.
Auch der Kaiser und der Landgraf erkrankten. Zwar schifften sie sich am 9. September
ein, doch erlag kurz darauf der 26jährige Landgraf dem Fieber. Daraufhin brach der
Kaiser die Überfahrt ab und beauftragte den Herzog von Limburg, das verbleibende
Kreuzfahrerkontingent ins Heilige Land zu führen.
Die „Katastrophe von Brindisi", ein zufälliges, aber angesichts der klimatischen
und hygienischen Bedingungen am Versammlungsort durchaus auch folgerichtiges
Ereignis, änderte die Koordinaten der Politik Friedrichs grundlegend. Der neue Pontifex
Gregor IX. zögerte nicht, über den Kaiser jene Strafe zu verhängen, die der Vertrag
von San Germano für den Fall der Nichterfüllung des Kreuzzugsgelübdes vorgesehen
hatte: die Exkommunikation. Mildernde Umstände erkannte der Papst nicht an, vielmehr
verschärfte er in den folgenden Monaten den Ton noch weiter. Als Friedrich Ende Juni
1228 tatsächlich zum Kreuzzug aufbrach, tat er dies als Gebannter, dem die päpstlichen
Parteigänger im Heiligen Land in den nächsten Monaten viele Steine in den Weg legen
sollten, ohne doch verhindern zu können, dass der Kaiser auf dem Verhandlungswege
Jerusalem zurückgewann und am 18. März 1229 in der Grabeskirche unter der Krone des
Königs von Jerusalem ging. Auf all diese dramatischen Vorgänge ist im Rahmen dieser
Arbeit nicht weiter einzugehen/0 worauf es hier allein ankommt, sind die Auswirkungen
der Katastrophe und des nachfolgenden päpstlich-kaiserlichen Konflikts auf die politische
Situation im nordalpinen Reich.
Nicht ohne Folgen für die Kräftebalance in Deutschland musste schon der Tod
Ludwigs IV. von Thüringen sein, für den die päpstliche Propaganda in zweifellos un-
gerechtfertigter Weise den Kaiser verantwortlich machte/^ Ludwig hatte in den zehn
Jahren seiner Regierung nicht nur den ludowingischen Machtblock inmitten des Rei-
ches, sondern (seit 1221) als Vormund seines Neffen Heinrich des Erlauchten auch die
wettinischen Lande energisch regiert, wobei sich eine Frontstellung gegen Mainz als
Konstante seiner Politik abzeichnete/^ In der Reichspolitik haben wir ihn 1225/26 als
Zum gescheiterten Kreuzzugsaufbruch und der päpstlichen Bannung vom 29.9.1227 vgl.
insbes. SiÜRNER, Friedrich II., S. 131-139; WiNKELMANN, Friedrich II., Bd. 1, S. 324-341;
HECHELHAMMER, Kreuzzug, S. 186-193 sowie S. 345-375 (Liste der nachweisbaren deutschen
Kreuzzugsteilnehmer zwischen 1227 und 1229).
Zum Kreuzzug vgl. insbes. SiüRNER, ebda., S. 139-169, sowie HECHELHAMMER, ebda., S. 267-
318.
Zu den bis zur Mordanklage gesteigerten Vorwürfen vgl. WiNKELMANN, Friedrich II., Bd. 1,
S. 330A.
Vgl. zu seiner Regierung PATZE, Entstehung, S. 262-271; HANS PATZE / WALTHER SCHLESINGER

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