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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0050
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21 Forschungsstand

49

England und Frankreich, einen Bürgerkrieg im Spätmittelalter) .95 Zumindest
aber bezeugen spätmittelalterliche Quellen eine höhere Sensibilität für politi-
sche Gewalt, was z. B. in der häufigen Schilderung der Angst vor Giftmorden
seinen Ausdruck findet."" Neben den jeweiligen Formen politischer Gewalt
ist auf der Ebene der Darstellung auch der Blick der einen auf die andere
politische Kultur aufschlussreich: Nach der Absetzung und dem baldigen
Tod Richards II. von England galt sein Nachfolger Heinrich IV. französischen
Beobachtern als Usurpator - der Schock über die ,königsmordenden Englän-
der' saß insbesondere in Frankreich tief, was sich durch unterschiedlich ge-
prägte politische Kulturen erklären ließet In Frankreich sei der König als
Institution unantastbar gewesen, so dass Zweifel nur an der Eignung einzel-
ner Personen aus seinem Umfeld bestehen konnten, gegen die sich etwaiger
Widerstand richtete. Der Blick auf den Umgang verschiedener politischer
Kulturen mit Gewalt wirft damit auch die Frage ihrer Legitimierung und
Akzeptanz auf A
Die Frage der Legitimation von Gewalt stand 2002 im Mittelpunkt einer
Hannoveraner Tagung.99 Die Zugänge zum Thema lassen schnell die zwei
Ebenen des deutschen Gewaltbegriffes erkennen: Statt um die Legitimierung
physischer Gewalt ging es in den meisten Beiträgen um die Herleitung und
Legitimierung obrigkeitlicher Herrschaft und Macht. Dabei ging Mensching
als Herausgeber in seinem Vorwort prinzipiell davon aus, dass beides, „prak-
tisches Handeln und die Befugnis zur Macht""-"-', im Mittelalter der theore-
tischen Legitimierung bedurfte - eine moderne Annahme, die vor allem das
zeitgeschichtliche Interesse des Bandes zeigt, dem an einer „Neubestimmung
des Verhältnisses von Gewalt und Vernunft in der Gegenwart""" gelegen ist.
Aufschlussreicher ist hier der Ansatz von Halsall, der mit Blick auf das Früh-
mittelalter für die Unterscheidung zwischen legitimer beziehungsweise illegi-
timer Gewalt auf die jeweilige kulturelle Rahmung verweist und betont, dass
bereits die Wortwahl der Chronisten darüber Auskunft gebe, wie sie be-
stimmte Gewalttaten empfanden."'"

95 Siehe die folgenden Beiträge: Rogge, Attentate; Allmand, Opposition; Kintzinger, Maleficium,
sowie Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft. Es sei hier kurz auf das häufig bemühte Beispiel
der monarchischen Krisen um 1400 hingewiesen, in deren Folge Richard II. von England zur
Abdankung gezwungen und (vermutlich) ermordet, Wenzel als König des römischen Reichs
abgesetzt, die fortwährende Krankheit Karls VI. von Frankreich dagegen ausgehalten wurde.
Siehe dazu Graus, Das Scheitern von Königen, sowie künftig Kamp, Gewalt (Abschnitt 3).
96 Rogge, Attentate, S. 42-49; Kintzinger, Maleficium, S. 79-84. Siehe dazu generell auch die
Arbeiten Frank Collards, z. B. Collard, Crime.
97 Lewis, Two pieces, S. 191f.
98 Allmand, Opposition, S. 66-70; Eberhard, Gewalt, S. 113-115; Kintzinger/Rogge, Einleitung,
S. 5f.; Kintzinger, Maleficium, S. 76f., 91-95; Rogge, Attentate, S. 30-35. Zum Problem der Legi-
timität siehe auch Mauntel, Legitimität, S. 90f.
99 Gewalt und ihre Legitimation. Jüngst widmete sich Althoff in einer Monographie dem Ver-
hältnis von Papsttum und Gewalt im Hochmittelalter, in der auch die Legitimation von Ge-
waltausübung durch die Kirche im Fokus steht: Althoff, Selig.
100 Mensching, Vorwort, S. 9.
Mi Ebd., S. 12.
M2 Halsall, Violence, bes. S. 9-15.
 
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