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Mersch, Katharina Ulrike; Georg-August-Universität Göttingen [Contr.]; Jan Thorbecke Verlag [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Missachtung, Anerkennung und Kreativität: exkommunizierte Laien im 13. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 65: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62574#0147
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III. Extra ecclesiam nulla salus?

war die Sentenz ungültig.295 Gleiches galt, wenn die Sentenz den oben genannten
error intolerabilis enthielt,296 wenn zuvor keine Mahnung ergangen war297 oder
diese vom falschen Richter ausgesprochen worden war.298 Lag all dies nicht vor,
so ergaben sich Besonderheiten: Zwar hatte die Appellation prinzipiell Sus-
pensivwirkung,299 Jacobi macht jedoch darauf aufmerksam, dass dies mit Ste-
phan und Rufinus ex consuetudine nicht für die Exkommunikationssentenz gelte.
Diese werde auch dann wirksam, wenn man gegen die Sentenz Berufung ein-
legte.300 Im Liber Extra wird entsprechend eindeutig gesagt, dass im Falle der
Exkommunikation die Appellation keine suspensive Wirkung habe.301 Dies be-
tonte zum Beispiel auch Raimundus von Penaforte und bot hierfür drei Erklä-
rungen: Es sei erstens Christus, der binde, und von Christus könne man nicht
appellieren; man werde zweitens für contumacia exkommuniziert, und contumax
non auditur appellans; und die Sentenz ziehe drittens sofort die Ausführung mit
sich (secum trahit exsecutioneni).302 Es sei daran erinnert, dass sich im Decretum
Gratiani Passagen finden, nach denen man selbst eine ungerechte Exkommuni-
kation nicht verachten dürfe, da sonst der Spruch durch den Hochmut des Ex-
kommunizierten gerecht werde.303 Dies galt auch noch in nachgratianischer
Zeit.304
In den Verordnungen wird deutlich, dass bei der Appellation ein Instan-
zenzug vorgesehen war (eine Appellation vom geistlichen Richter an einen
weltlichen Richter war hingegen ausgeschlossen305): Vom bischöflichen Offizial
war an den Bischof zu appellieren, vom Bischof an den Metropoliten, vom Me-

295 X 5.39.40, Per tuns; VI 5.11.2, Solet. Siehe hierzu auch Zeliauskas 1967: De excommunicatione
vitiata, S. 314 ff. Zur Zurücknahme einiger Vorteile von Solet in einem Appendix zu Quia peri-
culosum (VI 5.11.4) siehe Vodola 1986: Excommunication, S. 138 f., 145-148.
296 X 5.39.40.
297 X 2.28.26.
298 X 1.4.3, X 5.33.12, X 5.31.18, VI 2.14.1. Siehe May 1980: Art. Bann IV, S. 179, von Kober 1857:
Kirchenbann, S. 225 und Murauer 1997: Priusquam litteras aperiret, S. 399. Zu Formularen für
die Appellation wegen einer ungerechten Exkommunikation siehe Hilling 1905: Bedeutung,
S. 524. Zur Besonderheit der Appellation vor der Urteilsverhängung im kanonischen Recht siehe
auch Litewski 1970/1973: Appeal, S. 161 mit Fn. 76.
299 C. 2 q. 6 c. 26 und c. 31.
300 Jacobi 1913: Prozeß, S. 335 mit Bezug auf die Kommentatoren und Glossatoren. Siehe auch
Litewski 1970/1973: Appeal, S. 195. Dieser Sachverhalt wird in den geschichtswissenschaftlichen
Studien mitunter außer Acht gelassen, so dass der Anschein erweckt wird, jede Appellation
gegen eine Exkommunikation - egal, wann sie eingelegt wurde - würde die Sentenz außer Kraft
setzen. Ein Beispiel hierfür ist Pavlac 2002: Curse of Cusanus, S. 200 f.
301 In einem Dekret Alexanders III. in X 2.28.37 und einem Dekret Innozenz' III. in X.2.28.53. Siehe
hierzu May 1980: Art. Bann IV, S. 174, 179 und Morhard 1995: Gerichtliche Berufung, S. 103 f.
302 S. Raimundus de Pennaforte: Summa de paenitentia, lib. 3, fit. 33, 55, hrsg. von Ochoa und Diez,
Sp. 790.
303 C. 11 q. 3 c. 77. Siehe oben, S. 107f.
304 Siehe hierzu Murray 2015: Excommunication, S. 193.
305 Hergenrother 1875: Appellationen, S. 16.
 
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