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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.8343#0002
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— 2 —

die heimische Kunstthätigkeit einzugreifen, und deren
Durchführung er sich nun mit ungeteilten Kräften
hingeben kann.
In seiner Sitzung vom 5. December 1891 kam ein
Entwurf zu einer Veröffentlichung über das Wiener
Hofburgtheater zur Besprechung. Aus diesem Entwürfe
theilen wir nachfolgende Stellen zur Charakterisirung des
Unternehmens mit:
»Das Wiener Hofburgtheater hat bisher weder in
künstlerischer noch in literarischer Hinsicht eine seiner
hohen Bedeutung entsprechende Würdigung gefunden.
So wenig die denkwürdige Geschichte dieser vornehmen
Pflegestätte deutscher Schauspielkunst in erschöpfender
Weise auf Grund ernster wissenschaftlicher Forschung
ist erzählt worden, so wenig ist auch der Versuch gemacht
worden, den reichen Schatz an Werken der bildenden
Kunst, der das neue Prachtgebäude ziert, zu heben oder
gar das bewegte Treiben vor und auf der Bühne als einen
unerschöpflichen Stoff malerischer oder zeichnerischer
Darsteilung zu verwerten.
Bei dem grossen Interesfe, das sich an dieVergangen-
heit und Gegenwart des Hofburgtheaters nicht nur in
Wien, sondern in der ganzen deutschen Welt knüpft, darf
eine in grossem Stile durchgeführte, wissenschaftlich
gediegene und künstlerisch wertvolle Veröffentlichung
über das Burgtheater auf die Theilnahme weiter Kreise und
die bereitwillige Förderung der hohen Leitung wie der
ganzen Schauspielerwelt rechnen. Die Gesellschaft für ver-
vielfältigende Kunst, deren uneigennützige und künst-
lerisch belangreiche Publicationsthätigkeit die Gewähr
einer wirklich kunstreichen Unternehmung bietet, glaubt
daherdurchdieHerausgabe eines in reichster künstlerischen
Ausstattung auftretenden Werkes über das Burgtheater
und seine ruhmvolle Geschichte nicht nur eine ehrenvolle
patriotische Pflicht zu erfüllen, sie ist auch überzeugt, mit
dieser Publication einem in der literarischen und schau-
spielerischen Welt häufig und lebhaft ausgesprochenen
Wunsche entgegenzukommen.
Der Plan der beabsichtigten Unternehmung ist in
grossen Zügen folgender.
Das Werk zerfällt in einen geschichtlichen und
in einen beschreibenden Theil.
Der ersteTheil hataufGrund archivalischerForschung
die Geschichte des Hofburgtheaters und mithin der
Schauspielkunst in Wien seit Josef Stranitzky (1727) in
eingehender Weise mit steter Berücksichtigung der cultur-
und literargeschichtlich wichtigen Momente darzulegen.
Einereiche, zeitgenössischen Denkmälern und Abbildungen
entnommene Illustration wird diese Schilderung erläuternd
und schmückend begleiten. Ein grosser und nur Wenigen
bekannter Schatz an denkwürdigem Illustrationsmaterial
hat sich erhalten und harrt der Veröffentlichung: Bildnisse,
Caricaturen, Costüme, Requisiten, scenische Darstellungen,
Decorationsmotive, Aufnahmen aus dem alten Burgtheater
von derHand geschätzterKünstlerstehen in bunter Auswahl

überreichlich zur Verfügung. Zu diesem überkommenen
Material wird sich geseilen eine grössere Anzahl originaler,
nach dem Leben gezeichneter Scenen aus allen Haupt-
stücken des gegenwärtigen Repertoires, dann Bildnisfe —
namentlich der hervorragenden Mitglieder des Burgtheaters
in ihren charakterisiischen Rollen — das alles veranschau-
licht mit allen Mitteln vervielfältigender Kunst und Technik.
Der zweite Theil des Werkes, derbeschreibende, sollte
zunächst die Baugeschichte und Architektur des neuen
Hauses besprechen, die decorative Pracht im Innern und
Äussern würdigen und dann übergehen zu der Schilde-
rung der Bühne. Hier wird zu reden sein von der
bildenden Kunst auf der Bühne, von der decorativen Aus-
stattung des Repertoires, von den Bildern der Inscenirung
und endlich von der Art und Weise, wie diese Bühnenkunst
entsteht. In besonderen Capiteln werden die Technik auf
der Bühne, dann die Regie und schliesslich das Treiben
hinter den Coulissen behandelt werden, so dass der Leser
neben der geschichtlichen Entwicklung ein deutliches Bild
erhalten wird von der modernen Theater- und Bühnen-
kunst, wie sie an der Wiener Burg in vorbildlicher Weise
geübt wird. Welch reiche Illustration dieser zweite Band
ermöglicht, geht allein schon hervor aus dieser kurzen
Angabe seines Inhaltes. Einzig in ihrer Art ist die Samm-
lung des Burgtheaters an Decorationsmaquetten und
Aquarellen nach Decorationen und Requisiten aller Art;
ein wahres Museum der Theaterkunst, von dem nur wenige
Eingeweihte Kunde haben, sleht da zur Verfügung. Aber
der künstlerischen Illustration ist noch ein anderer Stosf
geboten: Die Vorgänge auf der Bühne, die Aufführungen
und ihre Darsteller. So gross indessen auch die Fülle künst-
lerischerBilder ist,welche das Bühnenspiel ausgezeichneter
Kräfte alltäglich dem Zuschauer bietet, noch immer ist das
Illustrationsmaterial nicht erschöpft: im Maschinenraum,
auf dem Schnürboden, hinter den Coulissen, in den Couloirs
und Garderoben, in diesen den Meisten geheimnisvoll
verschlossenen Bereichen harren unzählige Vorgänge und
Dinge der Künstlerhand, die sie temperamentvoll aufgefasst
im Bilde Allen kund thut.
Nach reiflicher Erwägung hat sich der Verwaltungs-
rath in seiner Sitzung vom 5. December 1891 entschlossen,
dieses dankbare und ehrenvolle Unternehmen, das durch-
aus in den Rahmen der künstlerischen Thätigkeit der
Gesellschaft fällt, in Angrifs zu nehmen.
In entgegenkommender Weise hat die General-
intendanz der k. k. Hoftheater der Gesellschaft für ver-
vielfältigende Kunst die Benützung des gesammten künst-
lerischen und archivalischen Materiales gestattet und
besonders Herr Regierungsrath Dr. Eduard Wlassack
lieh in dankenswerter Weise für das geplante Unternehmen
der Gesellschaft interesfirt. Durch die Bereitwilligkeit der
Theaterleitung ist der Gesellschaft die Durchführung ihres
Unternehmens in einer Weise erleichtert, die den Erfolg
der Publication zu gewährleisten scheint. Die Vertheilung
nun des reichen und mannigfaltigen Stofses an einzelne
 
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