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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.4251#0017
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auch heuer der Kunsthändler Hessele eine Ausstellung
von graphischen Arbeiten veranstaltet, die besonders an
farbigen Originalradierungen reich ist. Wirfanden daBejot,
über den bereits von berufener Seite in den Graphischen
Künsten berichtet worden ist und dessen Katalog wir
selbst vorbereiten, B. Boutet de Monvel, Delatre,
Dupont, Houdard, Huart, Jourdain, Ch. Maurin,
Van Aluyden, Overbeck, Ran ft, Roux-Champion
Steinlen, Vieillard, Mme. Voruz u. A. Besonders
bemerkenswert erschienen uns aber zwei Künstler:
Ey'Chenne und Yiala.
Ey'Chenne — wir erfahren soeben, dass er
plötzlich, erst neunundzwanzig Jahre alt, verstorben
ist — hatte eine Vorliebe für alles Zierliche, Glänzende,
Schillernde und eine gewisse Verwandtschaft mit den
Japanern. Das hatte ihn nicht gehindert, Gaillard zu
bewundern, und nach einigen seiner Blätter hat es
den Anschein, als wäre er auf dem Wege zu größerer
Strenge gewesen. Man vergleiche nur seine neueren
Arbeiten wie »Marche aux Pommes« und »Jeune Fille
en Noir« etwa mit den »Schmetterlingen« und dem
»Panther«.
Ganz verschieden von dem früh verstorbenen
Ey'Chenne ist Viala ein Pessimist, wie es ja auch sonst
französische Pessimisten gibt, man denke an Alphonse
Legros. Beweis dafür schon die Titel seiner Arbeiten:
De l'Encre, de lAcide et de la Souffrance (25 Bl.), Terre
abandonnee.Humbles Terres,Vieux Chemin en Rouergue.
Er ist eineArtBaudelaire derRadierung.Durchseinedüstere
Weltanschauung nähert er sich der deutschen Kunst, die
ihm übrigens wohl ziemlich unbekannt ist. Aber
ein solches zufälliges Zusammentrefsen kommt öfter vor.
So hat zu Anfang des XIX. Jahrhunderts Georges
Michel in den Pariser Vorstädten auf dieselbe Art das
Licht gesucht wie Turner, den er nicht einmal dem Namen
nach kannte. C -J.
London. Radierungen und Zeichnungen von D. Y.
Cameron und Muirhead Bone.
Eine Ausstellung neuer Radierungen und Zeich-
nungen von Cameron war im April und Mai in R. Gute-
kunst's Galerie zu sehen. Ein Meisterstück der veneziani-
schen Gotik, die Ca d'Oro, ist mit außerordentlicher Zart-
heit radiert und wohlüberlegte Auswahl des Details ver-
hütet, daß der Reichtum des Ornaments das Auge ermüdet.
Es ist ein populärerer Vorwurf/als Whistler jemals einen
in Angriff nahm, aber die Behandlung bewahrt ihn vor
der Banalität der populärsten venezianischen Drucke.
»St. Marks, Nr. 3« ist vielleicht der hübscheste Innen-
raum, den Cameron geschaffen hat. »A Venetian Street«
ist ein originelles und reizendes Sujet: ein langer dunkler
Durchgang führt zu einem strahlend hellen kleinen Hof
mit anmutigem Ornament an der gegenüberliegenden
Wand. »Roslin Chapel« ist ein anderer trefflicher
Innenraum; »Waterloo Bridge, Nr. 2» wiederholt ein
bereits in der Londoner Serie behandeltes Thema.

»Laieham«, die einzige neue Landschaftsradierung, ist
überarbeitet und in dem zweiten Zustand entschieden
besser geworden.
Unter den Zeichnungen finden sich eine bewun-
derungswürdige Rötelstudie von Bäumen im Ken-
singtongarten, eine Skizze in schwarzer Kreide für
das Gemälde «A Tuscan Valley», zwei schöne
Sepiastudien »Norham« und «Teviotdale« und einige
sorgfältige Bleistiftzeichnungen mit venezianischer
Architektur.
Muirhead Bone ist ein jüngerer Künstler aus
Glasgow, der erst kürzlich nach London gekommen
ist, wo bisher sehr wenig von seinen Arbeiten zu
sehen war. Die Ausstellung, die im April in der Carfax-
Galerie stattfand, zeigte, dass Glasgow ein anderes
sehr bemerkenswertes und unabhängiges Talent für
die graphischen Künste hervorgebracht hat. Bone hat
seine erste künstlerische Bildung im Atelier eines
Architekten empfangen und er hat ein scharfes Auge
für die malerischen Züge der im Entstehen begriffenen
Bauten mit all ihrem Beiwerk von Gerüsten, Krahnen
und Flaschenzügen. Einige seiner schönsten Zeichnungen,
die er ganz kürzlich in London gemacht hat, sind
Skizzen von dem weiten unvollendeten Innenraum der
neuen römisch-katholischen Kathedrale in Westminster
und von den jetzt im Bau befindlichen Gebäuden
an der Nordseite des Strand, wo eine Menge alter
Häuser demoliert werden, um die Passage zu erweitern.
Die Zeichnungen sind zumeist mit dem Bleistift
oder der Feder gemacht; sie zeigen ein meisterliches
Erfassen der Bauart, und die vereinigte Tätigkeit
einer Anzahl von Arbeitsleuten ist manchmal mit
einer Geschicklichkeit wiedergegeben, die sich Menzel
nähert.
Die Radierungen stellen hauptsächlich ungeheure,
düstere Gebäude in Glasgow dar. »Tontine Gates«, »The
Old Jail« und »Newark Castle« (eine Pointe-seche) sind
besonders bewunderungswürdig. In diesen Erinnerungen
an die industrielle HauptstadtSchottlands, zweifellos einen
niederdrückenden Ort mit einer von Nebel und Regen ver-
dunkelten Atmosphäre, hat Bones Talent bis jetzt seinen
charakteristischesten Ausdruck gefunden. Er hat auch
Porträte und Figurenstücke radiert, hauptsächlich in Pointe-
seche, von denen »Mike the Dynamiter« vielleicht das origi-
nellste ist. Einen beachtenswerten Erfolg in einem ganz
andern Stile bedeutet seine Radierung eines mittelalterlichen
Bucheinbandes, eines Silberdeckels für eine Bibel, schwer
besetzt mit Juwelen. Man darf annehmen, dass er sich
Jacquemart nicht weniger als Meryon und Whistler ange-
sehen hat; aber er bewältigt seine Probleme auf seine
eigene Weise, und die Kraft und Sicherheit, womit
er die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen versteht,
verdient an einem jungen Mann von fünfundzwanzig
Jahren Beachtung. Echte Maler-Radierer sind niemals sehr
häufig, und wir freuen uns, einen neuen begrüßen zu
können. C. D.
 
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