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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.4251#0034
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- 30 —

Zerstörung Trojas gelebt habe, so geht er doch nicht so weit, die Münze als direkt von diesem Herrscher geprägt
zu bezeichnen, wie es offenbar dem Kaiser gut gepaßt haben würde. Davor hütete ihn die sorgsame Feststellung des
Wortlautes der Inschrift als HPAKAEOTE SQTHPOS 0ASIQN, die ihm an der Hand einiger aus demselben
Münzfunde herrührender Exemplare gelang. Wie er dann weiter nachweist, daß gerade die Bewohner der Insel
Thasos dazu kamen, eine solche Münze und zwar in Silber zu schlagen, verrät er nicht weniger Umsicht und
Kenntnis, so daß auch für die Entwickelung der Numismatik seine Abhandlung ein wichtiges Dokument ist, das
mehr Beachtung verdient, als ihm bisher zuteil geworden zu sein scheint.
Hier jedoch interessieren vor allem die Ausführungen Peutingers über die Krankheit des von Maximilian so gern
gesehenen Stammvaters. Denn sie führen ihn mitten in den Kreis der Gedanken, welche sich der Humanismus über den
Begrifs, das Wesen und die Bedeutung der Melancholie machte, und so auch den heutigen Leser in das Gebiet der
Vorstellungen, die Dürer beherrschten, als es ihn trieb, die »Melencolia I« (vgl. die Abbildung nebenan) zu stechen.
Daß ein solcher Zusammenhang für Peutinger bestehen konnte, mag jetzt überraschen; ihm ergab er sich von
selbst. Denn wie er mit Nanni da Viterbo der Überzeugung war, daß die Griechen »nimia sua verbositate« alle Groß-
taten des ägyptischen Herkules ihrem von der Alkmene geborenen Heros angedichtet hätten, so galt ihm auch die
Fabel vom Nessusgewand als eine Umwandlung der Tatsache, daß der Erstere an einer krankhaft ausgearteten
Melancholie zugrunde gegangen sei. Sie verursachte den Ausbruch der Geschwüre und die Wutanfälle, die ihn vor
seinem Hinscheiden peinigten. Der Gewährsmann für dieses Lebensende ist ihm aber kein Geringerer als Aristoteles,
der in den Problemata XXX, 1 den Herkules an erster Stelle unter den Opfern dieser Krankheit anführt.
Es nimmt WTunder, daß erst Peutinger den Kaiser auf diese Stelle aufmerksam machen mußte. Denn die Proble-
mata wurden seit der neuen Übersetzung des Theodorus Gaza mit erneutem Eifer studiert, vollends als Angelo
Poliziano durch seine geistreichen Konjekturen die Aufmerksamkeit darauf besonders gelenkt hatte.1 Seine Textkritik
betrifst aber gerade den auf Herkules bezüglichen Passus. Offenbar ist dadurch auch Peutinger, der in dankbarer
Erinnerung an die einst mit dem berühmten Florentiner verbrachten Stunden2 dessen Werke doppelt gerne gelesen
haben wird, schon frühe veranlaßt worden, die Problemata in der Übertragung des Gaza zum Gegenstande seines
Studiums zu machen. In seinem Gutachten versäumt er nicht, seinem Zitate daraus die Lesart des verehrten
Florentiners beizufügen.
Peutinger hat fast wörtlich den Anfang des oben bezeichneten Problems, das man wegen seiner Ausführlichkeit
»eine Monographie über die schwarze Galle (|j,sXaiva yokq)« genannt hat,3 seiner Abhandlung einverleibt. Jedoch geht
er nur soweit, als für die Richtigkeit der vorangestellten These: cur homines, qui ingenio claruerunt vel in studiis
philosophiae vel in republica administranda vel in carmine pangendo vel in artibus exercendis melancholicos omnes
fuisse, Beispiele gegeben werden und zwar aus der Heroengeschichte außer Herkules noch Lysander, Ajax, Bellerophon,
aus jüngerer Zeit Empedokles, sogar Sokrates, Piaton und der größere Teil der Dichterschar. Unmittelbar darnach
bricht der Augsburger Humanist ab, ohne besonders auf den Unterschied hinzuweisen, den der Verfasser des
Problems derart machte, daß er von den Heroen sagt, sie hätten an der Melancholie als an einer Erkrankung gelitten
während die übrigen von einem melancholischen Habitus gewesen wären. Peutinger geht daher auf den weiteren Inhalt
nicht näher ein, obwohl gerade darin der Versuch gemacht wird, die Erscheinungsformen der Melancholie als
Krankheit und als Anlage auseinanderzuhalten, zu erklären und so die geheimnisvolle Grenze zwischen Genialität
und Wahnsinn zu bestimmen. Der kaiserliche Rat hält sich an seinen Auftrag und begnügt sich, diese Beispiele des
Stagiriten für die Richtigkeit seiner oben bereits wiedergegebenen Ansicht anzuführen.
Damit war er allerdings dem Begehren Maximilians nachgekommen; aber es ist mehr als fraglich, ob er des-
wegen nicht weiter auf den interessanten Inhalt des Problems eingegangen ist, weil eben darnach nicht gesragt worden
war. In anderen Sachen, wo er nur eine Anteilnahme des Kaisers vermutet, ist er mitteilsam genug; er erinnert ihn
an den Besuch in seinem Hause, wo ihm eine aus Rom transportierte Herkulesstatue gezeigt wurde, er erwähnt die
Anfertigung eines vergoldeten Silberpokals durch den bekannten Augsburger Goldschmied Georg Seid, der darauf in
getriebener Arbeit die zwölf Taten des Herkules dargestellt hatte. Da hätte es dem klugen Günstling des Kaisers doch
viel wichtiger erscheinen sollen, seinen Gönner auf den Schlußsatz des Problems aufmerksam zu machen, daß alle
Melancholiker nicht infolge einer Krankheit, sondern wegen ihrer Naturanlage »ingenio singulari« wären, und her-
vorzuheben, daß die Ungleichartigkeit der Melancholie nicht immer ein Schicksal des Herkules bedinge. Denn ver-
traut wie kaum ein zweiter mit dem Charakter Maximilians wußte Peutinger sehr gut, daß dieser sich auch geistes-
verwandt mit dem antiken Heros fühlte, daß er die Bürde und Sorge seines kaiserlichen Amtes mit den Mühen des
Halbgottes verglich und daher nicht unempfänglich war, in Flugblättern als ein Herkules Germanicus

1 Vgl. Angeli Politiani Opera, Basileae 1533; liber Miscellaneorum, p. 302.
2 Vgl. Veith/Lotter, Vita Peutingeri p. 9.
s Vgl. Carl Prantl, Über die Probleme des Aristoteles in den Abhandlungen der philos.-philol. Classe der kgl. Bayerischen Akademie der
Wissenschaften; München 1852, Bd. VI. p. 353.
 
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