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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.4140#0006
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Aber weder von dem Boc-
caccio-Meister noch von jenem
ihm verwandten Stecher, der die
Überreichung der Geschichte von
Troja durch Caxton an Mar-
garethe von York in einem
Kupferstich1 verewigt hat, noch
von dem um ein beträchtliches
höher einzuschätzenden Meister
des köstlichen, vielleicht ebenfalls
für Colard Mansion gestochenen
Boccaccio, der die Geschichte
der ersten Menschen schreibt,2
in der Albertina rührt der Stich
her, sondern von der Hand eines
gänzlich Unbekannten. Er stand
nicht völlig auf eigenen Füßen,
denn die Stadtansicht in der Ferne
ist frei von der Gegenseite nach
dem heiligen Georg des Meisters
ES L. 145 kopiert, nur etwas
zusammengeschoben. Die Ab-
hängigkeit ergibt sich ohne jeden
Zweifelaus der Übereinstimmung
des Stadttors mit der Landungs-
brücke, des weiter links gele-
genen Tores und des zweige-
schossigen runden Eckturmes
ganz links, ferner der Kirche mit
dem zwischen den beiden Tür-
men stehenden Schiff und des
weiter rechts befindlichen runden
Turmes neben dem Treppen-
giebel. Uferrand und Wasser sind
ebenfalls kopiert, endlich auch
die Blattpflanzen in der linken
unteren Ecke und der von Pflan-
zen umgebene Felsblock darüber,
beides von der Gegenseite.3

Schon die landfremde Wind-
mühle auf dem Hügel im Hinter-
grunde des Jason-Stiches hätte genügt, seine italienische Herkunft in Frage zu stellen, mehr aber noch die kostümlichen
Akzessorien, die Art der Bäume und Felsen, welche denen auf italienischen Kupferstichen durchaus nicht gleichen. Der die
Jason-Sage behandelnde Bostoner Stich ist jedenfalls niederländischer Herkunft und dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach in
den siebziger Jahren des XV. Jahrhunderts in Brügge entstanden sein, vielleicht wie die ihm im Format annähernd
gleichen oben erwähnten Blätter zu Caxtons Geschichte von Troja und zum Boccaccio als Illustration für ein Druckwerk
aus Colard Mansions Verlag.4 Max Lehvs.

Unbekannter Niederlander des XV. Jahrhunderts, Jason in Kolchis.

Kupferstich in Boston.

1 L. IV. 274. 86.

2 L. IV. 270. 82.

3 Vergl. die Abbildung im Jahrgang 19:J8 dieser Zeitschrift S. 2, wo A. M. Hind auch eine freie italienische Kopie nach dem Stich des
Meisters E S im British Museum L. 145 b. veröffentlicht hat.

4 Soweit mir bekannt, ist nur eine Ausgabe der Metamorphosen Ovids 1484 bei Colard Mansion erschienen, die aber wohl nicht in Betracht
kommen kann, da sie mit Holzschnitten illustriert ist. Vergl. van Praet, Notice sur Colard Mansion (Paris 1829), p. 40. Nr. VI, der nur sieben
Exemplare des seltenen Buches kennt.
 
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