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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.4140#0016
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Abb. 8. Martin Schaffner, Paulus verabschiedet Phoebe. Holzschnitt.

kräftigen Mannesalter stand und erst 1541 gestorben sein soll, kann man sich wohl vorstellen, daß er sich in dieser Zeit
irgendwie betätigt hat.1 Jedenfalls würde die Jahreszahl 1532, die sich außer den Jahreszahlen 1533 und 1534 auf einigen
Holzschnitten unserer Bibel findet, gut zu dieser Vermutung passen.

Die Aufgabe, die Bibel mit Bildern zu schmücken, scheint Schaffners Erfindungsgabe und Erzählungsfreudigkeit
mächtig angeregt zu haben. Es überrascht der Reichtum der selbständigen Einfälle,2 in denen sich — wie wir schon
hervorhoben — eine eifrige Beobachtung des wirklichen Lebens spiegelt. Was in dieser Hinsicht seine Gemälde boten,
ist hier weit übertroffen. Nicht zu übersehen sind auch die großen Initialen, voll Laune und dekorativem Reiz (Abb. '1).

Schaffners Zeichnungen für den Holzschnitt sind mit Fleiß und Sorgfalt ausgeführt. Die Schraffierung, die manchem
etwas trocken und schematisch erscheinen mag, entspricht in ihrer sachlichen Nüchternheit doch dem ureigensten Wesen
des Holzschnittes. Schaffner muß einen tüchtigen Formschneider zur Seite gehabt haben. Die Holzschnitte zeugen fast
durchwegs von guter Schnitzarbeit (Abb. 8).

Auf dem Traum des Nebukadnezar (Daniel 8) taucht das Zeichen S. S. P.3 auf, das sich wohl nur auf einen Form-
schneider beziehen kann, da der Holzschnitt in seinem Charakter von den übrigen Bibelholzschnitten in keiner Weise
abweicht. Vielleicht war Schaffner auch an der Herstellung der Holzstöcke4 selbst beteiligt, da er als Bildschnitzer
im Holzschneiden Übung besaß.

Wie wir aus den auf einigen Holzschnitten angebrachten Jahreszahlen ersehen, entstanden die Holzschnitte der
ersten Gesamtbibel von Luther in den Jahren 1532 bis 1534. Im Jahre 1535 erschien eine zweite Auflage,5 die um
drei neue Holzschnitte vermehrt wurde. Auch diese sind zweifellos von Schaffners Hand. Damit war, soweit ich sehe,
Schaffners Tätigkeit für Luther und den Verlag von Hans Lufft beendet.0 Ob Schaffner sonst noch auf dem Gebiete des
Holzschnittes gewirkt hat, mag weiteren Forschungen überlassen bleiben. Engelbert Baumeister.

1 Sonst ist von ihm aus dieser Spätzeit nur das Epitaph des Sebastian Willing von 1535 bekannt.

2 Einige leichte Anlehnungen an ältere Vorbilder treten hiergegen zurück.
■' Naglet-, Monogr. V, 306. Passavant IV, 64, 1.

i Der größte Teil der Stöcke wurde in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts in der Universitätsbibliothek zu Krakau aufgefunden.
Der Bibliothekar Muczkowski veröffentlichte sie 1849 als Neudrucke. Nach Muczkowskis Vorrede hat Lufft die Stöcke später nach Prag verkauft,
wo sie für tschechische Bibeln verwendet wurden, später kamen sie nach Krakau, wo sie in polnischen Bibeln abgedruckt wurden. (Vergl.
Pietscb, a. a. O., S. 552.)

'■> Pietsch, a. a. 0., Nr. 56.

6 Seine Holzschnitte wurden in neuen Auflagen immer wieder abgedruckt. Ein in die Bibel von 1536 (Pietsch Nr. 5S) neu eingefügter
Holzschnitt: >Mattathias tötet den Juden und den Hauptmann des Antiochus vor dem Götzenaltar« ist entweder nicht von Schaffner oder durch
schlechte Formschneidearbeit erheblich vergröbert.

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