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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.4140#0024
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Klavier, dessen Spiele beim Scheine der Lampe ein Herr und eine Dame
lauschen. Das erste und die letzten beiden Blatter sind Kaltnadelarbeiten.
Mit der Wandlungs- und Ausdrucksfähigkeit dieses ausgesprochenen
Radierers steht seine Fruchtbarkeit im Einklang. Für die hohe Wert-
schätzung, deren sich McBey bereits heute erfreut, spricht der Umstand,
daß ihm der Radierer Martin Hardie, von dem selbst wieder eine
englische Landschaft abgebildet ist, die Ehre erweist (oder seither erwiesen
hat), einen illustrierten Katalog seiner Radierungen herauszugeben. Die
übrigen Radierei-, von denen Arbeiten wiedergegeben sind, zeigen alle
jenes hohe Durchschnittsmaß, das den englischen Bilddruck seit langem
kennzeichnet.

Versucht man nun, sich auf Grund der Vorstellung, die einem
Bild und Wort der vier Sondernummern des »Studio« vermittelt haben, ein
Urteil über den gegenwärtigen Stand der Graphik in England und Frank-
reich zu bilden, so muß man sich zunächst vor Augen halten, daß das
Wissen, über das man zu verfügen glaubt, aus zweiter Hand geschöpft
ist und daß der in den genannten Veröffentlichungen verarbeitete Stoff
nur zum Teil auf Vollständigkeit Anspruch erheben kann. Eingestandener-
maßen unvollständig ist er, soweit die Radierung in Betracht kommt, und
offenbar hat er auch bei der französischen Lithographie weitaus nicht
ausgelangt. Dagegen ersieht man aus dem, was über den Holzschnitt in
England und Frankreich und über die Lithographie in England mitgeteilt
und beigebracht ist, zur Genüge, daß hier Vollständigkeit wenigstens
angestrebt worden ist. Bleibt man sich dieser Einschränkungen bewußt,
so wird man es immerhin wagen dürfen, vorsichtig ein und das andere
Wort, das sich einem bei der Durchsicht der vier Sondernummern auf
die Lippen drängt, auszusprechen. Der Vergleich mit der deutschen
Graphik liegt nicht bloß nahe, sondern läßt sich überhaupt nicht umgehen.
Und da gewinnt man angesichts der vier Veröffentlichungen genau den-
selben Eindruck wie 1914 auf der Leipziger »Bugra«. Dort hatte aller-
dings Frankreich mit auffallender Zurückhaltung ausgestellt. Was es
zeigte, waren fast durchwegs längst bekannte, großenteils freilich vor-
zügliche Dinge. Dagegen war die englische Abteilung sehr reichhaltig und
ersichtlich gut gewählt. Hier gab es auch Neues und darunter höchst
Erfreuliches. Ganz anders aber stand es mit Deutschland. Da waren Säle
und Säle voll mit Arbeiten von Leuten, deren Namen man noch nie gehört
hatte, mit Arbeiten, die zum Teil von aufreizender Wüstheit waren, er-

sichtlich darauf anfingen, ^:|S Obeistc zu unterst zu kehren, und den
Beschauer jedenfalls in Unruhe versetzten, ihm den Kopf heiß machten.
Und das scheint der grundlegende Unterschied zwischen der Graphik
(man wird wohl sagen dürfen: zwischen der Kunst überhaupt) in den
beiden großen Siegerstaaten des Westens und der in dem nunmehr zu
Boden geschmetterten Deutschland zu sein: was sich hier bei uns
gleichgültig, ob erwünscht oder zum Verdruß, so rücksichtslos Platz
verschafft und was wir unter dem Sammelwort der expressionistischen
Kunst zusammenfassen, darüber geht man in England und Frankreich
hinweg. In England, weil es dort eine entsprechende Bewegung tatsäch-
lich nicht zu geben scheint, in der Heimat von Cezanne und Matisse
weil die leitenden Kreise die Bewegung übersehen oder unterdrücken
wollen. Der Vergleich dieser künstlerischen Verhältnisse mit den poli-
tischen und sozialen braucht gar nicht erst eigens gezogen zu werden.
Die große Frage ist nun: auf wessen Seite steht die Zukunft? Ist in
Deutschland die künstlerische Gärung, die natürlich bloß eine Seite der
allgemeinen Umsturzbewegung, Eiber, was Beachtung verdient, eine der
am frühesten zum Ausdruck gekommenen Seiten ist, das Zeichen von
Krankheit und Verfall? Und ist in England und Frankreich das unverrückte
Festhalten am Hergebrachten und die schroffe Zurückweisung von allem,
was in alte Anschauungen und Gewohnheiten Bresche schlagen will, der
Ausfluß innerer Festigkeit und Gesundheit? Auf dem Schlachtfeld und im
Wirtschaftskampf sind Frankreich und England siegreich geblieben. Es
läge daher nahe, aus Deutschlands Niederlage auch auf die Hinfälligkeit
und Aussichtslosigkeit seiner jungen Kunst zu schließen. Wer sich aber
auch künstlerischen Tatsachen gegenüber der berühmten, von den übrigen
Völkern leider nur so selten richtig verstandenen und voll gewürdigten
deutschen Vorurteilslosigkeit und Gerechtigkeitsliebe befleißigt und sich
vor die Wahl zwischen der künstlerischen Lage in den beiden West-
staaten und der in Deutschland gestellt sieht, wird es sich zweifellos selbst
dann, wenn ihm die expressionistische Kunst vielfach wider den Strich
geht und er sogar ihren am meisten ausgereiften Erscheinungen trotz
redlichstem Willen nur unter Vorbehalt und kopfschüttelnd zu folgen
vermag, auch nicht einen Augenblick überlegen, sich mit Hirn und Herzen
auf die Seite der neuen Kunst, die übrigens ja auch noch anderswo als
bloß in Deutschland nach Geltung ringt, zu stellen: mag sie sich noch
so wild und toll gebärden, mag sie verstiegen, unzulänglich und ver-
messen sein, — was sie so stark umwittert, ist der Atem der Zukunft.

Arpad Weixlgärtner.

Anzeigen neuer Erscheinungen.

MAPPEN, ILLUSTRIERTE BÜCHER UND LITERATUR DER GRAPHISCHEN KÜNSTE.

Arnim, L. A. von r\j, Fürst Ganzgott und Sänger Halbgott. Mit
Steinzeichngn. von Max Neumann. (95 S.) 33x25-5 cm. (12. Druck der
Marees-Gesellschaft. Herausgegeb. von J. Meier-Graefe. München, Marees-
Gesellschaft (R. Piper & Co.). Mk. 160"— (Vorzugsausgaben Mk. 450'—
u. Mk. 625-—).

Baluschek, Hans, 6 Original-Lithographien. Mit Geleitwort von
M. Osborn. 51X35 cm. Berlin, C. P. Chryselius. Mk. 1200-—.

Beltramelli, Antonio, Ubaldus und die Tiere. Ein Kinderbuch. Aus
dem Ital. übertr. von 0. Eisenschitz. Mit 6 (färb.) Orig.-Lithogr. und Buch-
schmuck von Oskar Laske. (85 S.) Gr. 8°. Wien, E. Strache. Mk. 35-—.

Chodowieckis, Daniel r\j, Künstlerfahrt nach Danzig im Jahre
1773. Des Künstlers Tagebuch dieser Reise in deutscher Übertragung und
das Skizzenbuch in getreuer Nachbildung mit einer Einleitung heraus-
gegeb. von Willib. Franke. (123 S.) Lex. 8°. (Comenius-Bücher. 6. Bd.)
Leipzig, Grethlein & Co. Mk. IQ- — .

Clauren, H.. Mimili. Eine Erzählung, Mit Zeichnungen von Hugo
Steiner. (169 S.) Kl. 8°. Berlin, A. Juncker. Mk. 6'—.

Coster, Charles de ru, Tyll Ulenspiegel. Nach der ältesten Ausgabe
neu bearbeitet von F. Freksa. Mit 10 handkolor. Bildern von Ludwig
Bock. (178 S.) Kl. 8°. München, Rösl & Co. Mk. 15-—.

Defoe, D., Robinson Crusoe. Mit 10 Steinzeichngn. von Walt her
Klemm. (53 S.) 31-5X26-5 cm. Leipzig, F. Dehne. Mk. 360-—.

Dore, Gustave, Aus Revolutionstagen. Gestalten aus Paris und
Versailles im Jahre 1871. Hrsg. von Constantin Bauer. (94 Taf. mit IX S.
Text.) Gr.S°. Braunschweig, A. Graff. Mk.24'— (Vorzugsausg.Mk.601—).

Die erzählenden Bücher des Alten Testaments. 1. Bd. Esther und
Hiob. Mit Urholzschnitten von Bruno Goldschmitt. (101 S.) Lex. 8°.
(10. Dreiangeldruck.) München, H. v. Weber. Mk. 50'— (Vorzugsausg.
Mk. 400-— u. Mk. 800-—).

Fischer, Otto, Chinesische Landschaftsmalerei. Mit 63 Abb. (174 S.)
Lex. 8°. München, Kurt Wolff. Mk. 40"—.

Gobineau, Cte. de r*J, Savonarole. Scenes historiques. Mit 20 Radgn.
von Sepp Frank. (97 S.) 32*5x25 cm, (Meisterwerke der Weltliteratur
mit Orig.-Graphik. 3. Druck.) München, Julius Schröder. Mk. 1000'—.

Hartlaub. G. F.,Dic neue deutsche Graphik. (96S.)K1.8°. (14. Heft der
5chriftensammlung »Tribüne der Kunst undWelt«.) Berlin, E.Reiss.Mk.3'—.

Hauff, W., Phantasien im Bremer Ratskeller. Mit Zeichnungen von
Paul Scheurich. (111 S.) Kl. 8°. Berlin, A. Juncker. Mk. 6-—.

Heyne, Hildegard, Max Klinger im Rahmen der modernen Welt-
anschauung und Kunst. (IV, 68 S.) Gr. 8°. Leipzig, H. Haessel. Mk. 5'—.
 
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