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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.4140#0026
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Miniaturmaler Francisco de Hollända, der um 1549 in seiner handschriftlich erhaltenen Abhandlung über die Malerei1
die Kunst seiner Zeit zum Gegenstande seiner Untersuchung machte und in einem Verzeichnis der damaligen Kunst-
großen auch die namhaftesten Stecher anführte, weiß nichts über den Meister mit dem Würfel und dessen Blätter zu
sagen. Wohl nach dem Buchstaben B im Zeichen verwechselte eine haltlose Überlieferung diesen Stecher eine Zeitlang
mit Beatrizet und nannte ihn dann Beatricius den Altern, um ihn vom eigentlichen Künstler dieses Namens, der Loth-
ringer war, genauer zu unterscheiden. Andere glaubten, da auf manchen seiner Stiche an Stelle des Würfels auch das
Zeichen B. Y. erscheint, daß der Buchstabe Y auf Yenedig hinweise. Ja, sie waren geneigt, ihn mit Agostino Yeneziano,
dessen Zeichen A. V. lautet, in verwandtschaftliche Verbindung zu bringen, zumal dieser auch drei Blätter der oben-
erwähnten Folge von Amor und Psyche selbst gestochen hat. Die längste Zeit erhielt sich die Vermutung, daß der
Unbekannte ein natürlicher Sohn Marc Antons gewesen sei und den Namen Benedetto Verino, der dem vorgenannten
Zeichen entspräche, geführt habe. In Italien nannte man ihn eine Zeitlang Dado oder Daddi, weil das erstere Wort im
Italienischen soviel wie Würfel bedeutet. Noch Le Blanc führt ihn in seinem Handbuch für Kupferstichsammler unter
diesem Namen an. Zanetti gibt in seinem bekannten Buche »Le premier siede de la chalcographie« (1837, Venedig),
und zwar in der Abteilung »Ecole d'Jtalie« die Vermutung wieder, daß Bernhard van Orley der so lange Gesuchte sei.
in der neueren Kunstwissenschaft begnügte man sich damit, den Unbekannten einfach als Meister mit dem Würfel
(maitre au dei zu bezeichnen. Man reiht ihn ohne weiteres den Schülern Marc Antons an, da ja seine Strichmanier und
die Bevorzugung der Raffaelschen Zeichnungen auf das Vorbild dieses Hauptes der italienischen Stecher hinweist, und
weiß nur noch zu sagen, daß er in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts gelebt haben müsse, da auf mehreren seiner
Stiche die Jahreszahlen 1532 und 1533 vorkommen.

Welcher Künstler verbarg sich also hinter diesem Zeichen, wer war der Mann, dem wir viele die Sammler ent-
zückende Blätter und die Erhaltung vieler kostbarer Zeichnungen Raffaels und seiner Schule verdanken? Konnte es
ein anderer als ein Italiener sein, da er so voll in der Formensprache Raffaels und der italienischen Renaissance sowie
in deren Denkweise aufging? In der Tat wird man schwerlich zu einem anderen Ergebnisse gelangen können, als daß
Raffael in der Zeichnung und Marc Anton in der Handhabung des Grabstichels sein Vorbild gewesen sein müssen.
Bekanntlich übsrtrug der Urbinate dem letzteren nach 1510 die Vervielfältigung seiner Werke. Unter diesem Meister
bildeten sich mehrere Schüler und Gehilfen, unter denen wir dem Namen Marco Dentes begegnen, dessen wirklicher
Name auch erst im Jahre 1791 vom Abbe Zani entdeckt wurde2 Wird es nun ebenso möglich sein, die Persönlichkeit
des Meisters mit dem Würfel der unverdienten Vergessenheit zu entreißen und seinem Namen eine würdige Stelle
an der Seite Marc Antons anzuweisen?

Die nachstehenden Ausführungen sind dem Versuche gewidmet, diese leere Seite der Kunstgeschichte auszufüllen.
Das Ergebnis der Untersuchung soll gleich vorweggenommen werden: wir glauben danach allen Grund zur Annahme
zu haben, daß der Maler Thomas Vincidore von Bologna der Stecher ist, der sich hinter dem bekannten Zeichen \ er-
birgt. Dieser Name ist der Kunstgeschichte nicht fremd. Allerdings wissen wir von der Persönlichkeit dieses Malers
nicht gar zu viel. Einzelne Tatsachen aus seinem Leben sind jedoch vollkommen verbürgt. Er stammte aus Bologna
und war allgemein nur unter dem Namen il Bologna oder schlechtweg Bologna bekannt. Vasari führt ihn unter diesem
Namen in der Reihe jener Künstler an, welche Raffael bei der Ausschmückung der Loggien im Vatikan behilflich waren.3
Im Jahre 1520 findet man ihn plötzlich in den Niederlanden, wo er mit Albrecht Dürer bekannt wurde. Dieser große
Künstler hielt sich bekanntlich vom Juli 1520 bis Juli 1521 in den Niederlanden auf und schloß mit Bologna Freundschaft.
In dem Tagebuch, das er über seine Reise hinterlassen hat, nennt er den letzteren Bolonius oder Polonius. Er erzählt,
daß ihn, als sich nach dem Tode Raffaels von Urbino dessen Schule auflöste, einer der Schüler desselben namens Thomas
Polonier, ein guter Maler, zu sehen begehrt und persönlich aufgesucht hätte. Er habe von diesem einen kostbaren Ring
zum Geschenk erhalten und ihm hiegegen von seinen Kupferstichen und Holzschnitten einen gleichen Wert verehrt.
Überdies habe er ihm ein ganzes Exemplar seines Kupferstich- und Holzschnittwerks mit dem Auftrage übergeben, es
durch einen andern Maler nach Rom zu schicken und hiegegen die Kupferstiche nach den Zeichnungen Raffaels offenbar
von der Hand Marc Antons und seiner Schüler für ihn einzutauschen. Diese Zusammenkunft fand in Antwerpen am
1. Oktober 1520 statt. Dort hat auch Bologna den großen Meister in Öl gemalt, wie dieser weiter erzählt, in der Absicht,
das Gemälde mit nach Rom zu führen. In einer fernem Aufzeichnung des Tagebuchs erzählt der Meister von Nürnberg,
daß er im darauffolgenden Jahre nach Ablauf der Osterzeit Thomas Bolonius mit der Kohle abgebildet habe. Beide
Kunstwerke sind verschollen. Das Bildnis Dürers ist uns jedoch in einem Stich des Andreas Stock aus dem Jahre 1629

I Sic winde von Raczynski in dessen Buche »Les arts en Portugal«, Paris 1846, zuerst, und zum in französischer Übersetzung veröffentlicht.
Die kritische Ausgabe dieses Werks von Vasconcclios, Francisco de Hollända, Vier Gespräche über die Malerei, Wien 1809, enthält den portugie-
sischen Text und eine deutsche Übersetzung, aber ohne die Künstlerlisten.

- Bartsch, Le Peintre-Graveur, XIV. Bd., S. XVII.

3 Übersetzung von Schorn und Forster, 3.Bd., l.Abt., S.229. Hier wird er unmittelbar nach Giovan Francesco Penni genannt. Hiedurch verleitet,
nahm Francisco de Hollända an, daß »il Bologna« der Beiname Pennis gewesen sei. Trotz dieser Namensvei-wechslung liegt kein Grund vor, die
.Mitteilungen Hollandas den Bolognesen betreffend, -vorüber weiter unten, in Zweifel zu ziehen, da er sich über dessen Persönlichkeit und Wirksamkeit
in Flandern genau unterrichtet zeigt.

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