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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.4140#0028
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Empfehlungsschreiben des Papstes dto. 21. Mai 1520 nach Flandern gesendet. Darin heißt es: »Wirwerden durch Deine
zahlreichen Tugenden und vorzüglich durch Deine Malkunst, die Du nicht mittelmäßig beherrschst, bewogen, Dich mit
besonderen Gunstbezeigungen und Gnaden auszuzeichnen. Wir ernennen Dich daher mit Gegenwärtigem zu unserm
Haus- und ständigen Tischgenossen usw. . . . Und da wir Dich jetzt in einige Teile Flanderns zur Besorgung gewisser
uns betreffender Geschäfte schicken, ermahnen wir alle . . . usw.« Es besteht kein Zweifel, in welcher Richtung sich sein
Auftrag bewegte. Noch Näheres ist aus einem Briefe zu entnehmen, den er im nächsten Jahre an den Papst sandte
-Ich habe-, schrieb er dort, »zwanzig Kartons für zwanzig Stücke angefertigt, die rings um den Saal kommen sollen,
den meine Landsleute Giulio (Romano) und Giovanni Francesco (Penni) ausmalen. Heiliger Vater, denke, daß Du die
schönsten Teppiche sehen wirst, die man je gesehen hat, überaus heiter und von Gold strotzend. Ich habe alle Inventionen
bestmöglich verbessert, die witzigen Einfälle der Putten, lustige Sachen, versehen mit allen Euern Emblemen, so reich als
möglich. Allerdings konnte nicht alles von meinen Händen gearbeitet werden. Ich zeichne die ganze angeordnete Arbeit,
deren größter Teil dem Ruhm Euerer Heiligkeit gilt«. Leo X. hatte um dieselbe Zeit noch eine andere Reihe von Teppichen
bestellt. Sie waren zum Schmucke seines Prachtbettes bestimmt. Vincidor übernahm auch die künstlerische Überwachung
dieses Werks. In dem eben erwähnten Schreiben berichtet er dem Papste in dieser Beziehung ferner wörtlich, daß er die
Geschichten für das Bett Seiner Heiligkeit bereits begonnen habe. Er wisse, daß sie durch die Inventionen, die er ent-
worfen habe, des Papstes würdig sein werden. Auch soll darauf das Bildnis des Papstes vor Gott, der den Segen des
heiligen Geistes spende, kommen. Er bitte daher um Übersendung eines kleinen Bildnisses Seiner Heiligkeit nach dem
bekannten Originalgemälde von der Hand Raffaels, das sich in Florenz befinde, und ebenso des Kardinals Medici. Diese
Behänge wurden erst unter Klemens VII. ausgeführt oder beendet und sollten die Dreieinigkeit, den Besuch des heiligen
Johannes, die Geburt Christi und andere biblische Stoffe zur Darstellung bringen. Wie sich also hieraus ergibt, war Vincidore
mehrfach in Brüssel im Auftrage des Papstes tätig. Ja, Müntz glaubt aus den Bemerkungen Franciscos de Hollanda über
Bologna folgern zu dürfen, daß Vincidor auch mit der Anfertigung der Kartons zu der Teppichfolge mit den Szenen aus
dem Leben Christi (den sogenannten Arrazzi della scuola nuova) betraut gewesen sei.1 Offenbar nahm er nur die Zeich-
nungen oder Skizzen zu den Wandbehängen mit und hatte zunächst die Aufgabe, auf Grund dieser Zeichnungen die
großen Originalkartons als Hauptbehelf zum Wirken der bestellten Teppiche anzufertigen. Dazu war er wohl befähigt
und er wird keineswegs selbst in der Werkstätte Raffaels etwa bloß die Rolle eines untergeordneten Gehilfen bekleidet
haben, wie sie ihm Dollmayr in seiner Abhandlung über die Werkstätte Raffaels2 immer wieder zuweist. Natürlich kann
er nicht auf eine gleiche Stufe mit Giulio Romano und Giovanni Francesco Penni, den Hauptschülern Raffaels, gestellt
werden. Der größte deutsche Maler wird sich doch wohl auf das Malen verstanden haben. Dieser sah Vincidor an der
Arbeit, als er von diesem abgebildet wurde, und gab ihm das Zeugnis, daß er ein guter Maler war. Nicht minder Papst
Leo X. Vielleicht war gerade die Farbe Vincidors starke Seite, denn nach dem Berichte des obengenannten Franz von
Holland war »Bologna ein Schüler Raffaels der für die Vlämen die Kartons, welche sein Meister für die Tapeten
gezeichnet hatte, in Farben ausgeführt hat«." Derselbe Berichterstatter sagt in einer Anmerkung zu seiner Vasari-
Ausgabe vom Jahre 1568, daß sich Bologna nach Flandern begeben habe, um die Teppiche Leos X. nach den Zeichnungen
Raffaels und nach den seinigen ausführen zu lassen. Er entwarf aber auch Zeichnungen zur Illuminierung für andere;
denn derselbe Berichterstatter erzählt, daß Bologna im Wettbewerbe mit seinem Vater Antonio de Hollanda Zeichnungen
für den Miniaturmaler Simon Beninck von Brügge entworfen habe, aber hiebei unterlegen sei, da die seines Nebenbuhlers
vorgezogen worden seien.* Wenn daher Diez5 aus dem schönen Kolorit des aufgefundenen Kartons die Folgerung
ableitet, daß dieser unmöglich von Vincidore herstammen könne, sondern von einem seiner Mitarbeiter, einem tüchtigen
vlämischen Maler gemalt worden sei, so kann dieser Anschauung aus allen den vorgedachten Gründen nicht beigepflichtet
werden. Müntz sieht hingegen in Vincidor und nicht in Giovanni da Udine geradezu den Schöpfer aller Kartons zu den
Giuochi di Putti.6 Sicherlich hat der Bolognese, wie er dem Papste mitteilte, alle gezeichnet und einen großen Teil in
Farben ausgeführt, und wird wohl auch, da er nur die ersten Entwürfe mitbekam, an diesen Teppichvorlagen viel aus
eigenem hinzugetan oder auch geändert haben. Er muß auch fernerhin noch längere Zeit für die Fabrikation der Arrazzi
in Brüssel künstlerisch tätig gewesen sein. Nicht umsonst wird ihm der großartige Förderer dieses Eiwerbszweiges,
Karl V., den Titel eines Peintre de l'empereur verliehen haben. Dabei ist keineswegs an eine untergeordnete Rolle zu
denken. Jemand, der Kartons für die kostbarsten Teppiche der Zeit für keinen Geringeren als den kunstsinnigen Träger
der Tiara auf Grund der Zeichnungen der Schüler Raffaels auszuführen hatte, war gewiß auch zur Entwerfung selb-
ständiger Muster befähigt. Seine spätere Tätigkeit in Diensten des Grafen von Nassau beweist, daß er sich eines großen

1 Histoire generale de la Tapisserie, L'ecole italienne, p. Eugene Müntz, S. 25.

2 Im Jahrbuch der Kunstsammlungen des österr. Kaiserhauses, Wien, 1895.

■'l So wird bei Raczynski a. a. 0. S. 55 die betreffende Stelle übersetzt, also- »le disciple du Rafl'ael, Bologne, qui enlumina pour les Fiamands
les cartons, que son maitre dessina«. Diez, a. a.O. S. 37 folgt Vasconcellos (a. a. O. S. LXLIV), wonach -Bologna, ein Schüler Raffaels, die Flamander
in Betreff der Muster erleuchtete, die er ihnen für die Tapisserie zeichnete«.

4 Müntz, a. a. O., S. 25, Anmerkung 1.

'• a. a. O., S. 36.

,; Müntz, Le monde catholique illustre Rom, IV, 2, 1002.

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