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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.4140#0044
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Anregung verdankt haben und als unmittelbare Vorlage
einen Stich, vielleicht den bereits erwähnten von Ignacio
Altini, benützt haben. Schon deswegen glaube ich, daß das
Blatt nicht in München, sondern in Paris entstanden ist, weil
die meisten ausländischen Besucher der Münchener Anstalt,
besonders in den bewegten Kriegszeiten, ganz flüchtige
Proben auf Stein zeichneten, die nur den Zweck hatten, sich
von dem Wert und der Verwendbarkeit der Erfindung zu
überzeugen, während Bouchers Heilige Familie eine sorg-
fältig ausgeführte, detaillierte Zeichnung ist, die den Künstler
sicherlich viele Stunden, wenn nicht garTage beschäftigt hat.
Einen durchaus anderen Charakter weist endlich das
vierte Blatt der Sammlung Hauslab auf, das nach dem
Vermerk auf der Rückseite von dem Maler und Radierer
Pierre Bouillon1 herrührt, von dem man bisher überhaupt
nicht wußte, daß auch er sich schon in der Frühzeit als
Lithograph betätigt hat.2 Das Blatt zeigt, mit der Feder recht
flott gezeichnet, eine figurenreiche Grablegung, sicherlich keine
eigene Komposition des Künstlers, sondern die Kopie einer
alten Handzeichnung, deren Bestimmung aber durch ihre
Übertragung in eine fremde Technik ungemein erschwert
wird. Dadurch gingen die meisten Anhaltspunkte für eine
Lokalisierung und Datierung des Vorbildes verloren, die ich
nicht näher als »Italienisch, erste Hälfte des XVII. Jahr-
hunderts« zu bestimmen wage, zumal der Künstler sein
Vorbild wohl kaum sklavisch kopiert, sondern im Geiste
seiner Zeit umgeformt hat. Der Zufall wird zweifellos einmal
das Vorbild Bouillons zum Vorschein bringen, das wahr-
scheinlich in einer französischen Sammlung ruhen dürfte. Wichtiger ist aber die Frage, ob wir dem handschriftlichen
Vermerk Glauben schenken und die Lithographie als Arbeit Bouillons ansprechen dürfen. Das Blatt zeigt nämlich starke
Verwandtschaft3 mit einer Frühlithographie, die das Pariser Cabinet des estampes in zwei Exemplaren besitzt und die
Gräff (a. a. 0., S. 44ff. und Katalog Nr. 20) mit Rücksicht auf ihren stilistischen Zusammenhang mit anderen Federlitho-
graphien dieses Künstlers Bergeret zuschreibt. Das Blatt, das auch eine Grablegung, allerdings in kleinerem Format,
darstellt, geht auf eine Handzeichnung von Parmigianino zurück und wurde später vom Grafen Lasteyrie für sein »Recueil
de differens genres d'impressions lithographiques« (1817, 2. Liefg., Bl. 1.) benützt. Es ist leider nicht möglich, im gegen-
wärtigen Augenblick die Frage zu entscheiden, ob die Zuweisung der »Bouillonschen« Grablegung an Bergeret vorzu-
nehmen wäre, welcher Ansicht Gräff zuzuneigen scheint, oder aber, was für den Fall notwendig wäre, daß das Blatt
der Sammlung Hauslab wirklich eine Arbeit Pierre Bouillons ist, die Grablegung nach Parmigianino im Pariser Cabinet
des estampes Bergeret ab- und Bouillon zuzusprechen ist.

Verzeichnis der besprochenen französischen Inkunabeln, zugleich Ergänzung zu Grafts Katalog.

Giuseppe Longhi, Madonnenkopf nach Carlo Dolci("j. Lithographif

Pierre Nolasque Bergeret:

1. Der Tod Homers (?) Auf einem Ruhebett liegt ein bär-
tiger Mann (Homer?), dessen Haupt eine am Kopfende
des Lagers stehende Frau mit einem Schleier bedeckt.
Am Fußende steht trauernd ein Mann, den Kopf in die

Linke gestützt, während der Tote von einem Mann,
der am Fußende des Bettes auf einem Sessel sitzt, mit
der Linken gezeichnet (?) wird. Einfassungslinien. L. u.
bez. » Siergeret inv. et f.« Druck von Frederic Andre
in Paris um 1805. 183 h., 26-8 b. Kreide. (Abb. S. 36.)

lui donne sa benediction. St Joseph admire cette unton du Messie et du precurseur. Ste Anne la fait observer a Ia Vierge«. 1810 war das Gemälde noch
in Paris (»Notice des tableaux etc.«, Paris 1810, S. 123, Nr. 1033), 1815 wurde es auf Grund des zweiten Pariser Friedens zurückgestellt.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Heilige Familie und das folgende Blatt mit der Louvre-Publikation in Zusammenhang zu bringen sind, die
bei Philipp Andre in London gedruckt werden sollte. Allerdings bedürfte in diesem Falle die Zuschreibung beider Blätter einer noch genaueren Über-
prüfung, da bisher sowohl durch das Rundschreiben Philipp Andres als auch durch erhaltene Blätter Bergerets (Gräff, Nr. 8 und 9) nur dieser
Künstler als Mitarbeiter bekannt war. Vergl. Gräff, S. 43.

1 Geboren in Thiviers (Dordogne) 1776, gestorben in Paris 1831.

8 H. Beraldi, »Les Graveurs du XIXe Siecle«, 2. Bd., S. 171, schreibt von Bouillon nur: > . . . a lithographie le Portrait de M. de Forbin, essai
dessine et tire en dix minutes, 1819, celui de Lebrun, directeur des etudes ä l'ecole polytechnique etc.«

3 Diese Mitteilung verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Kustos Dr. Walter Gräff in München, dem auch an dieser Stelle für manche
Anregung zu diesen Zeilen nochmals herzlichst gedankt sei.

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