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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.4140#0048
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haben. Das eine Blatt zeigt den Kopf eines Engels, das andere
den eines Jünglings: beide stimmen untereinander in stilisti-
scher Hinsicht, ebenso wie im Druck vollständig überein und
sind gewiß kurz nacheinander entstanden. Die Zeichnungen,
die beide nicht signiert sind, stehen unter dem Einflüsse
Correggios, den Appiani gleichsam als Vorbereitung für seine
Kuppelfresken in der Mailänder Kirche S. Maria sopra S. Celso
fleißig studiert und kopiert hatte. Das Vorbild des Engels-
kopfes dürfte in den Lünetten der Camera di S. Paolo oder
aber wie das des Jünglingskopfes in den Kuppelgemälden
von S. Giovanni Evangelista in Parma zu suchen sein. Wenn
sich auch keine vollständige Übereinstimmung feststellen
läßt und wir bei den Lithographien nicht von Reproduktionen
sprechen können, so dürfte Appiani doch für den Jünglings-
kopf eine Zeichnung nach dem Jacobus Minor in S. Giovanni
Evangelista benützt haben. Ein dritter Versuch Appianis, der
in der Literatur1 Erwähnung findet, blieb mir unbekannt.
Der Druck in Farben dürfte eine Eigenart der Werz-
schen Anstalt oder ihrer Nachfolger gewesen sein. Das Bodoni-
Porträt in der Ferchl-Sammlung ist grau, und Longhis
Mädchenkopf2 ebenso wie die beiden Blätter Appianis sind in
Sepia gedruckt, was man um diese Zeit bei Lithographien
nicht häufig findet. In München war in den Jahren 1807 bis
1808 das Dürersche Gebetbuch Kaiser Maximilians in einer
vorzüglichen, von Johann Nepomuk Strixner lithographierten
Faksimileausgabe erschienen, die die Farben des Originales
auch im Druck wiederzugeben versuchte. Um dieselbe Zeit,
oder nicht viel später, sind die Inkunabeln der Mailänder
Anstalt entstanden, die zweifellos durch diese ersten
Münchener Farbendrucke angeregt worden sind, die bald
darauf zu den Versuchen mit Tonplatten geführt haben. Die
italienischen Farbendrucke hatten aber einen wesentlich anderen Sinn als die Münchener; hier wollte man die Wiedergabe
des Originales in möglichst getreuer Weise erreichen und auch auf dessen farbige Wirkung nicht verzichten, während
dort, wo es sich um Originalzeichnungen handelte, eine täuschende Ähnlichkeit mit der Handzeichnung, und zwar mit einer
Rötel- oder Kreidezeichnung, nicht nur im graphischen, sondern auch im farbigen Ausdruck angestrebt und erreicht wurde.
Ein fünftes Blatt endlich, das sich in der Sammlung des verstorbenen Hofrates Professor Dr. Adam Pollitzer3 befindet,
macht das Gesagte noch deutlicher. Es ist eine rotbraun gedruckte Porträtskizze eines unbekannten Künstlers, die die
Illusion einer Rötelzeichnung in hohem Maße erzielt. Waren die drei, beziehungsweise vier zuletzt besprochenen Blätter,
die eine ganz geschlossene Gruppe bilden, weder datiert noch mit einer Adresse versehen, so finden wir auf dieser merk-
würdigen Inkunabel wieder eine ähnliche Bezeichnung wie auf Longhis Madonnenkopf »Dalla Poliautografia de Werz«,
vermissen aber hier eine Jahreszahl und sind auf andere Anhaltspunkte angewiesen, die sicher eine genaue Datierung
ermöglichen könnten. Das Brustbild eines uns nicht bekannten bartlosen Mannes in strenger Profilansicht befindet sich auf der
letzten Seite einer vier Seiten umfassenden, durchaus auf lithographischem Wege hergestellten Festschrift: »PelConvito dato
a tutti i suoi subalterni da Sua Eccellenza II Sigr Senatore Moscati,4 Direttor Generale della Pubb1 Istruzione«. Diesem

Unbekannter italienischer Kunstler, Brustbild eines Unbekannten.
Lithographie.

1 Meyers Kunstlerlexikon, Bd. II, S. 192 erwähnt Lithographien Appianis: »1. Kopf eines Jünglings in breiter Kreidemanier, 4., 2. Kopf eines
Kindes desgleichen, 4.« und das im Verzeichnis (s. S. 46) unter Nr. 5 angeführte Blatt, das Nagler, Monogrammisten I., Nr. 96, auch nicht kannte. Er
verzeichnet nur: »Von zwei in Kreidemanier lithographierten, sehr seltenen Blättern, stellt das eine den Kopf eines Kindes, das andere jenen eines
Jünglings vor, 4.«

- In der Sammlung des verstorbenen Hofrates Professor Dr. Adam Pollitzer fand ich nachträglich ein weiteres Exemplar dieses Blattes, das
aber nicht in Sepia, sondern ebenso wie das im folgenden besprochene Porträt eines Unbekannten in Rotbraun gedruckt ist. Dadurch erfährt die Ver-
mutung, daß wir es bei dieser Lithographie Longhis (und denen Appianis) mit Erzeugnissen der Werzschen Anstalt oder ihres Nachfolgers zu tun
haben, eine weitere Bekräftigung. Überdies besitzt diese Sammlung auch einen Schwarzdruck dieses Blattes.

3 Den Erben des Herrn Hofrates Professor Dr. Adam Pollitzer, besonders Herrn und Frau Geheimrat Professor Max Friedländer in Berlin, sei
für die gütige Erlaubnis verbindlichst gedankt, diese reiche Graphiksammlung, deren Schwerpunkt in den Werken der Lithographie liegt, für meine
Arbeit über die Anfänge der Lithographie in Wien benützen und den Mailänder Druck photographicren zu dürfen.

4 Pietro Moscati, geboren in Mantua 1739, seit 1801 Direktor des öffentlichen Unterrichts, gestorben in Mailand 1824. »Biografia degli Italiam
illustri etc.«, Venezia 183445, Bd. 2, S. 468.

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