Gemälde (Madrid)
Parmigianino, Die hl. Barbara.
Gemälde (Madrid).
freilich, dem er innerlich fremd gegenüberstand, dem Stil des Meisters
zumindest verwandt und also einer Disputation wert seien. Gerade bei
einem Künstler, der erst beginnt einer kritischen Wissenschaft zum Objekte
zu dienen, scheint es mir mehr im Interesse dieser Wissenschaft gelegen,
die abweichende Meinung wenn auch nur in kurzen Worten anzuführen
und zu begründen, als sie durch bloßes Ignorieren auszusprechen
Bei enson erwähnt aber auch in anderen Galerien, die die Verfasserin wohl
nicht als italienisch orientiert« anführen wird, Werke Parmigianinos, über
die Frö'hlich-Bum uns ihre Meinung schuldet. Es ist hiebei zu betonen,
daß diese Meinung mangels der durch dieKriegsIaufte hinlänglich entschul-
digten Autopsie nicht immer eine abschließende hätte sein können. Von den
vier Bildern in Madrid werden zum Beispiel nur die beiden Porttäte be-
handelt. Dabei hat die Verfasserin vollkommen übersehen, daß das eine,
die heilige Familie, von Vasari genau beschrieben ist und daß die Identi-
fizierung bereits zweimal in dei Literatur besprochen ist. Vasari erzählt
von drei Bildern, die Parmigianino noch in Parma gemalt hat, um sie nach
Rom als Zeugnisse seiner Kunst mitzunehmen: »uno assai grande, nel
quäle fece la Nostra Donna col Figluolo in collo, che toglie di grembo a
un angelo aleuni frutti, ed un vecchio con le braccia piene di peli, fatto
con arte e giudizio e vagamentc colorito«. Ricci1 hat dies Madrider Bild
zuerst mit dem von Vasari erwähnten in Verbindung gebracht und Gronau2
hat sich in seiner Vasari-Übersetzung darauf berufen. Die Zurateziehung
der Braunschen Photographic ergibt das vollkommen Schlagende des
Zusammenhanges. Nicht nur die Komposition stimmt, auch die einzelnen
Härchen am Arme des .Insel sind deutlich darauf bemerkbar.
Von der heiligen Barbara in Madrid liegt eine vortreffliche Photo-
graphie von Anderson vor (Nr. 16189), nach welcher ich das Bild für ein
sicheres Frühwerk des Meisteis halten mochte, das den Fresken in San
Giovanni E\rangelista in Parma und der Vermählung der heiligen Katha-
rina in der Pinakothek dieser Stadt ungemein nahesteht. An Bedoli kann
bei diesem Bilde unmöglich gedacht werden, da dieser Künstler nur den
i Di aleuni quadii delParmigianino {Archivio storico per le provin-
eie Parmensi, IV, 1845), ein von dei Vei fasserin nirgends zitierter Aufsatz.
2 V., S. 336, Anm. 11.
reiten, plastischen Stil, den Parmigianino sich erst in Rom erwarb, nach-
ahmte, aber nirgend den weichen, malerischen der unter Correggios Einfluß
stehenden Frühwerke. Die von Berenson erwähnten beiden Damenbild-
nisse in der Galerie von Hamptoncourt tragen in Laws Katalog dieser
Sammlung ein Fragezeichen, in dem von Spooner in London photogra-
pbierten Bildnis Nr. 306 scheint sich aber doch eine Komposition aus
der römischen Zeit erhalten zu haben, wenn auch Schwachen in den
Händen und im Gesicht auf eine Kopie zu weisen scheinen. Am Schlüsse
des Kapitels, das Parmigianino als Graphiker behandelt, bespricht die
Verfasserin »noch eine klassizistische Umbildung einer vermutlichen
Komposition von Parmigianino«, die sich in einem Stiche Agricolas nach
einem Bilde der Sammlung des Grafen Fries in Wien erhalten hat, Das
Original dieses Stiches nun wird gleichfalls von Berenson als in der
Sammlung des Sir Frederick Cook im Dougthy House zu Richmond
befindlich angeführt. Es ist auf einer großen Tafel in dem ersten, 1913 in
London erschienenen, von Tancred Borenius bearbeiteten Bande des
Katalogcs dieser Sammlung abgebildet und stammt aus den Sammlungen
der Miß Roger, in der Waagen es beschrieben hatte, und Sir Lawrences.
Der Artikel Fries in Frimmels Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen
(L.München 1913) belehrt uns, daß dasCooksche Bild mit dem Friesschen
identisch sein muß, da nach Naglers Künstlerlexikon dieses über die
Sammlung Speck-Sternburg in den Besitz vonSirThomas Lawrence gelangt
ist. Auch die deutsche Inschrift auf der Rückseite des Cookschen Bildes,
»Die Hand von Parmiszon«, bestätigt die Wahrscheinlichkeit dieser Iden-
tifizierung. Frau Frohlich-Bum behauptet femer, daß ein Hauptwerk des
Meisters, die von Vasari erwähnte Krönung Kaiser. Karls V. durch den
Ruhm, heute verschollen sei und daß kein Stich die Komposition über-
liefere. Ein Stich freilieh nicht, wohl aber das im selben Kataloge repro-
duzierte und von Anderson (Nr. 18402) photographierte Bild der Samm-
lung Cook, das Vasaris Beschreibung genau entspricht. Das von Vasari
erwähnte Bildnis des Hauptmanns der päpstlichen Leibwache Lorenzo
Cibo glaubt die Verfasserin am ehesten in dem Bildnis eines Jünglings in
der Galerie Borghese zu erkennen, hat dabei aber außer acht gelassen,
daß Madsens 190-1 erschienener Katalog der Kopenhagner Galerie unter
Nr. 203 als Werk Parmigianinos ein nach der Abbildung m dem Buche
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Parmigianino, Die hl. Barbara.
Gemälde (Madrid).
freilich, dem er innerlich fremd gegenüberstand, dem Stil des Meisters
zumindest verwandt und also einer Disputation wert seien. Gerade bei
einem Künstler, der erst beginnt einer kritischen Wissenschaft zum Objekte
zu dienen, scheint es mir mehr im Interesse dieser Wissenschaft gelegen,
die abweichende Meinung wenn auch nur in kurzen Worten anzuführen
und zu begründen, als sie durch bloßes Ignorieren auszusprechen
Bei enson erwähnt aber auch in anderen Galerien, die die Verfasserin wohl
nicht als italienisch orientiert« anführen wird, Werke Parmigianinos, über
die Frö'hlich-Bum uns ihre Meinung schuldet. Es ist hiebei zu betonen,
daß diese Meinung mangels der durch dieKriegsIaufte hinlänglich entschul-
digten Autopsie nicht immer eine abschließende hätte sein können. Von den
vier Bildern in Madrid werden zum Beispiel nur die beiden Porttäte be-
handelt. Dabei hat die Verfasserin vollkommen übersehen, daß das eine,
die heilige Familie, von Vasari genau beschrieben ist und daß die Identi-
fizierung bereits zweimal in dei Literatur besprochen ist. Vasari erzählt
von drei Bildern, die Parmigianino noch in Parma gemalt hat, um sie nach
Rom als Zeugnisse seiner Kunst mitzunehmen: »uno assai grande, nel
quäle fece la Nostra Donna col Figluolo in collo, che toglie di grembo a
un angelo aleuni frutti, ed un vecchio con le braccia piene di peli, fatto
con arte e giudizio e vagamentc colorito«. Ricci1 hat dies Madrider Bild
zuerst mit dem von Vasari erwähnten in Verbindung gebracht und Gronau2
hat sich in seiner Vasari-Übersetzung darauf berufen. Die Zurateziehung
der Braunschen Photographic ergibt das vollkommen Schlagende des
Zusammenhanges. Nicht nur die Komposition stimmt, auch die einzelnen
Härchen am Arme des .Insel sind deutlich darauf bemerkbar.
Von der heiligen Barbara in Madrid liegt eine vortreffliche Photo-
graphie von Anderson vor (Nr. 16189), nach welcher ich das Bild für ein
sicheres Frühwerk des Meisteis halten mochte, das den Fresken in San
Giovanni E\rangelista in Parma und der Vermählung der heiligen Katha-
rina in der Pinakothek dieser Stadt ungemein nahesteht. An Bedoli kann
bei diesem Bilde unmöglich gedacht werden, da dieser Künstler nur den
i Di aleuni quadii delParmigianino {Archivio storico per le provin-
eie Parmensi, IV, 1845), ein von dei Vei fasserin nirgends zitierter Aufsatz.
2 V., S. 336, Anm. 11.
reiten, plastischen Stil, den Parmigianino sich erst in Rom erwarb, nach-
ahmte, aber nirgend den weichen, malerischen der unter Correggios Einfluß
stehenden Frühwerke. Die von Berenson erwähnten beiden Damenbild-
nisse in der Galerie von Hamptoncourt tragen in Laws Katalog dieser
Sammlung ein Fragezeichen, in dem von Spooner in London photogra-
pbierten Bildnis Nr. 306 scheint sich aber doch eine Komposition aus
der römischen Zeit erhalten zu haben, wenn auch Schwachen in den
Händen und im Gesicht auf eine Kopie zu weisen scheinen. Am Schlüsse
des Kapitels, das Parmigianino als Graphiker behandelt, bespricht die
Verfasserin »noch eine klassizistische Umbildung einer vermutlichen
Komposition von Parmigianino«, die sich in einem Stiche Agricolas nach
einem Bilde der Sammlung des Grafen Fries in Wien erhalten hat, Das
Original dieses Stiches nun wird gleichfalls von Berenson als in der
Sammlung des Sir Frederick Cook im Dougthy House zu Richmond
befindlich angeführt. Es ist auf einer großen Tafel in dem ersten, 1913 in
London erschienenen, von Tancred Borenius bearbeiteten Bande des
Katalogcs dieser Sammlung abgebildet und stammt aus den Sammlungen
der Miß Roger, in der Waagen es beschrieben hatte, und Sir Lawrences.
Der Artikel Fries in Frimmels Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen
(L.München 1913) belehrt uns, daß dasCooksche Bild mit dem Friesschen
identisch sein muß, da nach Naglers Künstlerlexikon dieses über die
Sammlung Speck-Sternburg in den Besitz vonSirThomas Lawrence gelangt
ist. Auch die deutsche Inschrift auf der Rückseite des Cookschen Bildes,
»Die Hand von Parmiszon«, bestätigt die Wahrscheinlichkeit dieser Iden-
tifizierung. Frau Frohlich-Bum behauptet femer, daß ein Hauptwerk des
Meisters, die von Vasari erwähnte Krönung Kaiser. Karls V. durch den
Ruhm, heute verschollen sei und daß kein Stich die Komposition über-
liefere. Ein Stich freilieh nicht, wohl aber das im selben Kataloge repro-
duzierte und von Anderson (Nr. 18402) photographierte Bild der Samm-
lung Cook, das Vasaris Beschreibung genau entspricht. Das von Vasari
erwähnte Bildnis des Hauptmanns der päpstlichen Leibwache Lorenzo
Cibo glaubt die Verfasserin am ehesten in dem Bildnis eines Jünglings in
der Galerie Borghese zu erkennen, hat dabei aber außer acht gelassen,
daß Madsens 190-1 erschienener Katalog der Kopenhagner Galerie unter
Nr. 203 als Werk Parmigianinos ein nach der Abbildung m dem Buche
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