Münchner Reproduktionsgraphikers Raab war Halm hervor-
gegangen und 1893 in Berlin rang er mit Unermüdlichkeit,
erst einmal das Fundament für eine neue Periode der
deutschen Graphik zu schaffen. Damals trat ihm Stauffer-
Bern nahe, damals auch strömten Einwirkungen auf Klinger
über. Die »Stichradierung« wurde das von Stauffer gefeierte
Mittel, dessen Ausdrucksfähigkeiten ihm Halm erschlossen
hatte. Die Auffindung einer gesicherten technischen Basis
mußte Halm fast mit Zwangsläufigkeit der reproduzierenden
Graphik zuführen, denn unbelastet von der Notwendigkeit
motivischer Erfindungen konnte hier in völliger Hingabe an
das Vorbild durch die denkbar beste Umsetzung malerischer
Werte in diederSchwarz-Weiß-Kunst die Technik verfeinert
werden. Der Franzose Gaillard mag da entscheidend mit-
gewirkt haben und die in gleicher Richtung liegenden Bemü-
hungen eines Köpping, Hecht, Krauskopf und anderergaben
Halmneuen Ansporn,so daß er dieLeistungen aller, vielleicht
mit Ausnahme der von Köpping, bald übertraf. Es lag
in Halms Natur begründet, daß die Nachschaffung von
Gemälden in einer graphischen Technik nicht bloß ein
Vorbereitungsstadium für eigene künstlerische Aussprache
blieb, sondern daß immer von neuem die Freude an der
Versenkung in solche Aufgaben wiederkehrt. Schon früh-
zeitig war allerdings der freischaffende Künstler in ihm
erwacht, seine Architektur- und Landschaftsradierungen
treten jedoch erst in den späteren Jahren stark in den
Vordergrund. Eine geistige Veranlagung wie die Halms,
die sich von Jugend an zur restlosen ehrlichsten Vertiefung
in das gegebene Thema erzogen hatte und in der Einfühlung
eine große Meisterschaft errungen hat, wird auch gegen-
über der Natur keine kühne, eigenwillige und umdeutende
Stellung einnehmen, sondern auch hier das Motiv in sach-
licher Weise auf sich wirken lassen. Diese Schlichtheit
der Anschauung bedeutet keine Enge der Aufnahms-
fähigkeit, der Verzicht auf pittoreske oder anekdotische
Zuspitzung ist nicht gleichbedeutend mit Dürftigkeit. Diese
zusammengefaßte, unkomplizierte Naturbetrachtung ist
vielmehr erfüllt von Poesie und Wärme, alle ihre Äuße-
rungen wirken echt, notwendig und überzeugend. Das
Nachfühlen von landschaftlichen Linien, von vegetabiler
Gewachsenheit ist nur einer vor der Natur innerlich er-
griffenen Sinnesart gegeben. Die menschlichen Voraus-
setzungen müssen von einer geläuterten, zuverlässigen Art
sein, sollen motivische Alltäglichkeiten künstlerischen Wert
annehmen. Für dieNachweltwirdHalmsBedeutung lediglich
aus seinem graphischen Werk zu entnehmen sein, für die
Mitlebenden aber waren die menschlichen Qualitäten ein
wesentlicher Bestandteil der unangetasteten Hochachtung
für den Künstler. Altmeisterlich gediegen, persönlich un-
interessiert und selbstlos behandelte er dieFragen, die seine
Belange berührten. Darum wurde er auch immer gehört.
Em solch stiller, zurückhaltender Charakter ist als Lehrer
nicht im eigentlichen Sinne zur Schulbildung geeignet,
die Züchtung nach der eigenen Rasse ist nicht seine Sache.
Halm hat in seiner Eigenschaft als Professor der Münchner
Akademie (1901 —1922) den Nachdruck auf eine gesicherte
technische Schulung gelegt, seinen Schülern das gleiche
Fundament zu geben gesucht, das er sich selbst seinerzeit
geschaffen hatte. Und so mancher, der seinen Unterricht
genoß, hat auch die Kräfte dieser vornehmen, gefestigten
Persönlichkeit verspürt. Halm hat in Erkenntnis seiner
Grenzen den Vorstellungskreis, in dem er groß geworden war,
nicht verlassen, nur um in Überspannung seiner Natur auch
an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Graphik
tätigen Anteil zu haben. Künstlerisch verständnisvoll und
tolerant hat er wohl voll Aufmerksamkeit die weitere Be-
wegung verfolgt, aber eine Forcierung der eigenen Kräfte
lag ihm durchaus fern. Der ersten Durchsetzung der »im-
pressionistischen» Auffassung hatte er durch Wiedergabe
von Gemälden Liebermanns, Uhdes, Kuehls und anderer
seine Unterstützung gewährt, dann faßte er zur Stärkung
des eigenen Triebes endgültig Wurzel und hielt sich Treue.
Eine in sich ruhende, beruhigende Erscheinung in der Flut
der Programme und Richtungen! E. Hanfstaengl.
Ernst Röhm f- In ErnstRöhm, dem am 26.April 1923
hier in Wien zu früh Verstorbenen, ist ein Meister des
künstlerischen Tiefdruckes dahingegangen. Man kann ruhig
sagen, daß seit den Tagen Johannes Sonnenleiters und
William Ungers bis herauf in die allerjüngste Vergangenheit
Röhm für jeden nennenswerten Radierer, seies Inländeroder
Ausländer, von dessen Platten überhaupt Abzüge in Wien
genommen wurden, gedruckt hat. Die erfahrenen Meister
verlangten, daß nur er ihre Platten drucke, weil sie sich
auf ihn wie auf keinen anderen verlassen konnten, weil sie
wußten, daß er ihre künstlerischen Absichten vollständig
verstehen und uneingeschränkt zur Geltung bringen werde,
die Jungen wieder drängten sich um ihn, weil sie nirgends
anderswo nicht nur über die Druckfähigkeit ihrer Platten,
sondern überhaupt über die Radiertechnik so viele prak-
tische Aufschlüsse erhalten konnten wie gerade bei ihm.
Er selber nahm regsten Anteil an allem, was es auf dem
Gebiete der Radierung Neues gab, und man konnte ihm oft in
Ausstellungen begegnen, wo er die Radierungen namentlich
auf ihre technische Seite hin eindringlichst studierte. Je mehr
ein Künstler dem Drucker überlassen hatte, desto anziehen-
der wurde für Röhm der Fall. Ausländer gaben für den
Druck oft nur ein paar knappe schriftliche Winke, häufig
mußte der vom Künstler eingesandte Probedruck genügen;
Röhm aber versagte nie, zu einem überaus stark und fein
entwickelten Einfühlungsvermögen gesellten sich bei ihm
eine wunderbar geschickte Hand, reichste Erfahrung und
höchste Gewissenhaftigkeit. Er selber nannte das Drucken
eine Gefühlssache. Als er für unsere Gesellschaft den
ungemein schwierigen Druck von Frank Brangwyns schöner
großer Platte »St.-Nikolauskirche in Dixmuyden« (Jahres-
gabe für 1909) — ein Druck, über den sogar in den »Gra-
phischen Künsten« dieses Jahres eigens berichtet wurde —
durchgeführt hatte, war der englische Meister so zufrieden,
daß er in einem an die Gesellschaft gerichteten Briefe aus-
drücklich schrieb, er wünsche, daß es in London solch
einen Drucker geben möchte wie Röhm. Ferdinand
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gegangen und 1893 in Berlin rang er mit Unermüdlichkeit,
erst einmal das Fundament für eine neue Periode der
deutschen Graphik zu schaffen. Damals trat ihm Stauffer-
Bern nahe, damals auch strömten Einwirkungen auf Klinger
über. Die »Stichradierung« wurde das von Stauffer gefeierte
Mittel, dessen Ausdrucksfähigkeiten ihm Halm erschlossen
hatte. Die Auffindung einer gesicherten technischen Basis
mußte Halm fast mit Zwangsläufigkeit der reproduzierenden
Graphik zuführen, denn unbelastet von der Notwendigkeit
motivischer Erfindungen konnte hier in völliger Hingabe an
das Vorbild durch die denkbar beste Umsetzung malerischer
Werte in diederSchwarz-Weiß-Kunst die Technik verfeinert
werden. Der Franzose Gaillard mag da entscheidend mit-
gewirkt haben und die in gleicher Richtung liegenden Bemü-
hungen eines Köpping, Hecht, Krauskopf und anderergaben
Halmneuen Ansporn,so daß er dieLeistungen aller, vielleicht
mit Ausnahme der von Köpping, bald übertraf. Es lag
in Halms Natur begründet, daß die Nachschaffung von
Gemälden in einer graphischen Technik nicht bloß ein
Vorbereitungsstadium für eigene künstlerische Aussprache
blieb, sondern daß immer von neuem die Freude an der
Versenkung in solche Aufgaben wiederkehrt. Schon früh-
zeitig war allerdings der freischaffende Künstler in ihm
erwacht, seine Architektur- und Landschaftsradierungen
treten jedoch erst in den späteren Jahren stark in den
Vordergrund. Eine geistige Veranlagung wie die Halms,
die sich von Jugend an zur restlosen ehrlichsten Vertiefung
in das gegebene Thema erzogen hatte und in der Einfühlung
eine große Meisterschaft errungen hat, wird auch gegen-
über der Natur keine kühne, eigenwillige und umdeutende
Stellung einnehmen, sondern auch hier das Motiv in sach-
licher Weise auf sich wirken lassen. Diese Schlichtheit
der Anschauung bedeutet keine Enge der Aufnahms-
fähigkeit, der Verzicht auf pittoreske oder anekdotische
Zuspitzung ist nicht gleichbedeutend mit Dürftigkeit. Diese
zusammengefaßte, unkomplizierte Naturbetrachtung ist
vielmehr erfüllt von Poesie und Wärme, alle ihre Äuße-
rungen wirken echt, notwendig und überzeugend. Das
Nachfühlen von landschaftlichen Linien, von vegetabiler
Gewachsenheit ist nur einer vor der Natur innerlich er-
griffenen Sinnesart gegeben. Die menschlichen Voraus-
setzungen müssen von einer geläuterten, zuverlässigen Art
sein, sollen motivische Alltäglichkeiten künstlerischen Wert
annehmen. Für dieNachweltwirdHalmsBedeutung lediglich
aus seinem graphischen Werk zu entnehmen sein, für die
Mitlebenden aber waren die menschlichen Qualitäten ein
wesentlicher Bestandteil der unangetasteten Hochachtung
für den Künstler. Altmeisterlich gediegen, persönlich un-
interessiert und selbstlos behandelte er dieFragen, die seine
Belange berührten. Darum wurde er auch immer gehört.
Em solch stiller, zurückhaltender Charakter ist als Lehrer
nicht im eigentlichen Sinne zur Schulbildung geeignet,
die Züchtung nach der eigenen Rasse ist nicht seine Sache.
Halm hat in seiner Eigenschaft als Professor der Münchner
Akademie (1901 —1922) den Nachdruck auf eine gesicherte
technische Schulung gelegt, seinen Schülern das gleiche
Fundament zu geben gesucht, das er sich selbst seinerzeit
geschaffen hatte. Und so mancher, der seinen Unterricht
genoß, hat auch die Kräfte dieser vornehmen, gefestigten
Persönlichkeit verspürt. Halm hat in Erkenntnis seiner
Grenzen den Vorstellungskreis, in dem er groß geworden war,
nicht verlassen, nur um in Überspannung seiner Natur auch
an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Graphik
tätigen Anteil zu haben. Künstlerisch verständnisvoll und
tolerant hat er wohl voll Aufmerksamkeit die weitere Be-
wegung verfolgt, aber eine Forcierung der eigenen Kräfte
lag ihm durchaus fern. Der ersten Durchsetzung der »im-
pressionistischen» Auffassung hatte er durch Wiedergabe
von Gemälden Liebermanns, Uhdes, Kuehls und anderer
seine Unterstützung gewährt, dann faßte er zur Stärkung
des eigenen Triebes endgültig Wurzel und hielt sich Treue.
Eine in sich ruhende, beruhigende Erscheinung in der Flut
der Programme und Richtungen! E. Hanfstaengl.
Ernst Röhm f- In ErnstRöhm, dem am 26.April 1923
hier in Wien zu früh Verstorbenen, ist ein Meister des
künstlerischen Tiefdruckes dahingegangen. Man kann ruhig
sagen, daß seit den Tagen Johannes Sonnenleiters und
William Ungers bis herauf in die allerjüngste Vergangenheit
Röhm für jeden nennenswerten Radierer, seies Inländeroder
Ausländer, von dessen Platten überhaupt Abzüge in Wien
genommen wurden, gedruckt hat. Die erfahrenen Meister
verlangten, daß nur er ihre Platten drucke, weil sie sich
auf ihn wie auf keinen anderen verlassen konnten, weil sie
wußten, daß er ihre künstlerischen Absichten vollständig
verstehen und uneingeschränkt zur Geltung bringen werde,
die Jungen wieder drängten sich um ihn, weil sie nirgends
anderswo nicht nur über die Druckfähigkeit ihrer Platten,
sondern überhaupt über die Radiertechnik so viele prak-
tische Aufschlüsse erhalten konnten wie gerade bei ihm.
Er selber nahm regsten Anteil an allem, was es auf dem
Gebiete der Radierung Neues gab, und man konnte ihm oft in
Ausstellungen begegnen, wo er die Radierungen namentlich
auf ihre technische Seite hin eindringlichst studierte. Je mehr
ein Künstler dem Drucker überlassen hatte, desto anziehen-
der wurde für Röhm der Fall. Ausländer gaben für den
Druck oft nur ein paar knappe schriftliche Winke, häufig
mußte der vom Künstler eingesandte Probedruck genügen;
Röhm aber versagte nie, zu einem überaus stark und fein
entwickelten Einfühlungsvermögen gesellten sich bei ihm
eine wunderbar geschickte Hand, reichste Erfahrung und
höchste Gewissenhaftigkeit. Er selber nannte das Drucken
eine Gefühlssache. Als er für unsere Gesellschaft den
ungemein schwierigen Druck von Frank Brangwyns schöner
großer Platte »St.-Nikolauskirche in Dixmuyden« (Jahres-
gabe für 1909) — ein Druck, über den sogar in den »Gra-
phischen Künsten« dieses Jahres eigens berichtet wurde —
durchgeführt hatte, war der englische Meister so zufrieden,
daß er in einem an die Gesellschaft gerichteten Briefe aus-
drücklich schrieb, er wünsche, daß es in London solch
einen Drucker geben möchte wie Röhm. Ferdinand
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