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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.4217#0030
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*f«C.

Rembrandt, Kopf eines alten Mannes. Radierung. B. 325.

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Rembrandt, Brustbild eines alten Mannes. Rütelstudie zur Radierung B. 325.

Stockholm.

Immerhin hat die Rembrandtkritik das reiche Reservoir der alten Sammlung noch nicht restlos ausgeschöpft und
der Zweck dieses Aufsatzes ist, die Aufmerksamkeit der Forschung auf einige Blätter zu lenken, die, obwohl sie von
dem verdienstvollen Begründer der neueren Rembrandtzeichnungenforschung als zweifelhaft bezeichnet oder verworfen
wurden, doch volles Anrecht darauf haben, in der Reihe der echten Werke Rembrandts zu stehen. Sie sind um so
wichtiger, als es sich zum Teil um Entwürfe zu bekannten Werken des Meisters handelt, wodurch neue sichere Anhalts-
punkte für die noch sehr unklare Chronologie der Zeichnungen Rembrandts gewonnen werden.

Kompositionsentwürfe aus der frühesten Zeit des Künstlers gibt es nur sehr wenige: die Kreuzaufrichtung
HdG. 1362 vom Ende der zwanziger Jahre, die Londoner Grablegung HdG. 891 von 1630, der Entwurf HdG. 1423 zur
Münchener Kreuzaufrichtung von 1633. Unter den verworfenen Münchener Zeichnungen liegt ein weiteres Blatt: ein
Entwurf zu der verschollenen Taufe des Kämmerers, die uns in Kopien und in Vliets Radierung von 1631 überliefert
ist. Die Komposition des verschollenen Bildes zeigt jenes steile Hinauftürmen, Hinaufsteigern, das wir aus Rembrandts
Historienbildern zwischen 1628 und 1630 kennen. Die barocke Allseitigkeit der Bewegung, die in stetem Anwachsen
die Entwicklung der dreißiger Jahre durchzieht, hat noch nicht die Gebundenheit, die Einseitigkeit der Orientierung auf-
gelöst. Rembrandts Kompositionen dieser frühen Zeit sind mächtig und kühn in einer Richtung, in der er, ohne sich an
Schranken zu halten, steigert, der er alles dienstbar macht, während er dem individuellen Leben der Gestalten im übrigen
Fesseln anlegt, sie in die dumpfe Konturenschwere der holländischen Caravaggionachfolger schließt. Diese Richtung ist
die aufwärtsstrebende. Sie beherrscht in der Gestalt der steilen Schräge, der schlanken Pyramide die Hamburger Dar-
stellung im Tempel, Simson und Delila von 1628, den Zinsgroschen von 1629, die Auferweckung Lazari bei Sedel-
meyer,1 die Grablegung HdG. 891. Rembrandt staffelt in diesen Jahren die Gestalten und andere Kompositionselemente
gerne übereinander, daß sie wie ein steiler Turm in kühner Schräge zum Himmel emporstreben; oder er läßt auch die
einzelne Figur wie einen ragenden Turm, wie eine steile Pyramide sich erheben. Dieses Übereinandertürmen bricht
auch dort durch, wo die Komposition in ganz anderer Richtung sich zu entfalten scheint. Neben der jähen Diagonale
des Kreuzes steht auf HdG. 1362 die steile Gestaltenleiter, die im Mann mit dem Federbusch ausklingt; in der Breit-
komposition des Judas derSammlungPreyer beginnt die steile Schräge im Knieenden und endet im hohen Hute desPriesters.

Die Taufe des Kämmerers ist eine der kühnsten und großzügigsten Turmkompositionen des frühen Rembrandt.
Der knieende Mohr, der Apostel und der Reiter hoch zu Roß sind in einer einzigen, mächtig durch das Bild empor-
schießenden Steilschräge zusammengefaßt. Der enge künstlerische Zusammenhang mit den genannten Werken zeigt,
daß es sich um eine Schöpfung Rembrandts vom Ende des dritten Jahrzehnts, spätestens aus dem Jahre 1630 handelt.
Die Zeichnung, die stilistisch zwischen HdG. 1362 und 891 steht, legt 1629 als Entstehungsjahr zumindest des Bild-
gedankens nahe. Sie ist in schwarzer Kreide ausgeführt (193X211) und eine der schönsten Skizzen des frühen Rembrandt.

l Valentiner, Wiedergefundene Gemälde, T. 16.

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