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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.4217#0039
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mmamm



deutlich die Handhaltung der
Potiphara, die mit der Rech-
ten auf die knieende Gestalt
hinweist jund nicht auf die
jenseits desBettes im Hinter-
grunde stehende. Diese Lö-
sung aber behagte Rembrandt
später nicht und so baute er
die Komposition um. Durch
Überzeichnen und reich-
liches Überschummern ver-
schleifte er den Knieenden so
in die Bettstatt, daß er die Be-
deutung eines von schweren,
am Boden nachschleppenden
Decken überhangenen Bett-
pfostens bekam und der Um-
riß seines Kopfes zur Mütze
in den Händen des demütigen
stehenden Josef wurde. Daß
diese Änderung während
oder nach Abschluß der Ar-
beit an dem Gemälde vor-
genommen wurde, zeigt das
Petersburger Bild. Dort steht
der verdeckte Eckpfosten,
dessen Herkunft aus einer
knieenden Rückenfigur nicht
ganz verwischt werden kann.
An der Stelle ihres über-
malten Kopfes steht ein
schummriger Fleck, den Jo-
sefs Mütze maskiert. Und der

Finger der Potiphara zeigt deutlich genug auf den überdeckten Bettpfosten und nicht auf den Jüngling jenseits: Ihre Hand
zu ändern entschloß sich Rembrandt nicht. Ich kenne das Petersburger Bild nicht im Original, bin aber aus der bloßen
Photographie der Ansicht, daß man diese Korrekturen auch heute noch tatsächlich als solche konstatieren wird können.

Auf der zweiten Fassung reduzierte Rembrandt natürlich den sonderbaren vogelscheuchenartigen Bettpfosten auf
das normale Ausmaß; dort weist die Hand der Potiphara auch deutlich übers Bett hinüber. Die große Änderung des
* Gedankens war während der Arbeit oder nach Abschluß einer ersten Fassung des Petersburger Bildes erfolgt; die Zeich-
nung diente als Substrat für die Vorprobe dessen, was am Gemälde dann durchgeführt wurde. Doch auch die neuer-
lichen Änderungen der Berliner Fassung wurden abermals an der Zeichnung ausprobiert. Zuerst saß die Frau ruhig mit
paralleler Beinstellung. Über diesen ersten Zustand wurde in breiten Strichen der zweite mit überschlagenem rechtem
Bein gezeichnet. In manchen Dingen bedeutet das Berliner Bild ein Zurückgehen auf die Zeichnung, wo sich das Peters-
burger mehr von ihr entfernte: zum Beispiel in der Distanzierung von Mann und Frau, in dem weiten Raum mit dem
Betthimmel, der sich über die Szene spannt (es ist allerdings nicht erwiesen, ob das Petersburger Bild nicht oben
beschnitten ist). Daß das Datum des Petersburger Bildes aus 1654 in 1655 verändert wurde, läßt vielleicht darauf
schließen, daß die große Veränderung nach einem vorläufigen ersten Abschluß erfolgte.

Ganz breit und kraftvoll ist die Linienführung des Blattes. Mit mächtigen Rohrfederstrichen sind die dunklen
optischen Konturen und Linien hingeworfen, balkendick — intensive Kraftströme. Breite schattende Schummern um-
wehen sie, tauchen sie in noch tiefere Dunkelheit. Die ausgesparten hellen Stellen funkeln. Es ist die meisterhafte
Suggestion flüssiger, tief leuchtender, von innen heraus glühender Farbe mit zeichnerischen Mitteln. Noch bewunderns-
werter ist die Kunst, mit einem Minimum an Darstellungsmitteln tiefsten [seelischen Ausdruck zu erzielen. Darin über-
ragt die Zeichnung vielleicht noch die Bilder. Wie diese Gliederpuppengestalten von seelischem Leben schwingen, wie
der heuchlerisch schmerzliche Blick der Frau in einer dunklen Horizontale zusammenfließt, wie das stumme, betroffene
Staunen des Mannes in seinem kleinen Kreisauge sich konzentriert, wie aus drei, vier Strichen die traurige Demut und
Gottergebenheit des Jünglings ersteht, das ist höchste Meisterschaft unpsychologischer Seelenschilderung.

Rembrandt, Die Anbetung der Magier. München, Inv.-Nr. 1626 (165 . 167 mm).

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