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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.4217#0040
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Wir können sie auch
an einem kleinen Blatte, das
um die gleiche Zeit oder nur
wenig später entstanden ist,
bewundern: der Grablegung
Inv. 1629. Die Zeichnung war
ursprünglich gewiß größer;
sie wurde in späterer Zeit
beschnitten und von einer
Rahmenlinie umzogen. Stili-
stisch steht sie dem Entwurf
zur Anatomie desDr.Deyman
von 1656 HdG. 1238 am
nächsten. Auch da sehen wir
die auf fast geometrische
Formen, auf Zylinder, Kegel
und Kugeln vereinfachten
Gestalten. Es ist jener Stil der
Handzeichnung, wie wir ihn
auch in den Kompositions-
entwürfen HdG. 1551, 17,
1363, 1546, 791, Blättern der
gleichen Zeit und Gruppe,
wiedererkennen; auch zum
»Weib des Ananias« der
Sammlung W. Gay (Lippm.-
HdG. III 61) bestehen starke
Beziehungen. Zu diesem selt-
samen Resultat in der Dar-
stellung der menschlichen
Gestalt: zu ihrer Reduktion
auf fast konstruktive Formen,
führte Rembrandt sein immer
mehr sich steigerndes Stre-
ben nach seelischem Aus-
druck. Je einfacher und lapi-
darer er die Gestalten aufbaute, desto deutlicher wußte er die Sprache ihres Innern hörbar zu machen. Je mehr er das
psychologische Detail zum Schweigen brachte, desto mehr ließ er die Seele reden. Weil die Einzeleffekte verschwinden,
muß die ganze Gestalt überzeugen. Wie ergreifend ist auf der kleinen Grablegung die mühsam wankende Gestalt Maria, wie
sie sich mit letzter Kraft aufrechtzuhalten sucht, vom übergroßen und darum stummen Schmerz durchschüttert, und von
ihren Begleitern gestützt wird. Wie ergreifend sind diese Begleiter selbst in ihrem stummen, traurig andächtigen Ausdruck,
erfüllt von Mitleid und eigenem Leid — obwohl ihre Köpfe nur Kreise sind mit ein, zwei kurzen Strichen darin. Wie er-
greifend ist die Gruppe der Träger, die mit ihrer kostbaren Last mühsam die holperige Treppe hinabtasten, wie intensiv der
Blick des mittleren, der sich zum vorderen herüberwendet. Die Gruft ist eine Grotte, in der wir uns selbst befinden, während
das ganze Geschehen vom Eingang her sich entwickelt. 1654 radierte Rembrandt die Kreuzabnahme bei Fackelschein.
Im gleichen oder folgenden Jahre entstand die Grablegung B. 86. Die kleine Münchener Zeichnung ist ein ihr geistes-
verwandtes Werk. Ihre Komposition zeigt im Spiegelbilde auch starke Beziehungen zur Komposition der Radierung.
Das Münchener Kabinett bewahrt drei großzügige Entwürfe für die Gesamtkomposition der Epiphanie von 1657
im Buckingham-Palast. Der eine von ihnen wurde von Hofstede de Groot in seinen Katalog unter Nr. 380 als zweifel-
haft aufgenommen, die beiden anderen verworfen. Es handelt sich um Werke, die unzweifelhaft von der gleichen Hand
sind: Wenn eines fällt, müssen alle fallen. Doch besteht kein Grund, die prachtvollen Rohrfederzeichnungen, die stilistisch
aufs engste mit den Kompositionsentwürfen Rembrandts aus den späten fünfziger und vom Anfang der sechziger Jahre
verbunden sind (den Entwürfen zur Radierung B. 50 HdG. 734 und bei Dr. Beets, Amsterdam,1 den Entwürfen zum
Julius Civilis), zu bezweifeln. Rembrandt hat für seine Kompositionsentwürfe in späterer Zeit einen eigentümlichen Stil
der Abbreviatur entwickelt, der unabhängig von seinem sonstigen Zeichenstil besteht und die ihm angehörigen, wenn

1 Vasari society, VII1 26.

Rembrandt, Die Anbetung der Magier. München. HdG. 380.

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