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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.6519#0009
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Endlich gibt Abb. 8
den sogenannten »Zwei-
kampf der beiden wilden
Männer zu Pferd« L. 53,
deren rechter einen Bund
Rettich auf dem Kopf hat,
während der linke Knob-
lauch als Kopfbedeckung
trägt. Man hat Henrich hier
verkannt. Er wußte genau,
was »wilde Leute« vorstel-
len soll und hat die heilige
Maria Magdalena in L. 49
pflichtgemäß mit ange-
wachsenen Haaren bis über
die Fußknöchel herab aus-
gestattet. Unsere beiden
Reiter haben solchen Haar-
wuchs weder am Bein noch
am Arm. Sie können ihre
ganzen Behaarungen samt
den Schafpelzen ablegen.

Abb. 8. Henrich Mang, Zweikampf der beiden wilden .Manner zu Pferd.

Kupferstich. L. 53.

ausgenommen der Kämpfer links, dessen starkes Kopfhaar bis über den Arm vorquillt. Es ist eben ein Mädchen!
Denn Henrich bietet uns ein phantastisch-humoristisches Turnier zwischen Rettich-Mann und Knoblauch-Frau,
wobei wohl sie als Siegerin hervorgehen wird. Er reitet von rechts heran, aber seine Lanze liegt auf der falschen, nämlich
der Außenseite des linken Pferdes. Noch ein Satz und der Baum ist ihm entwunden, während die Dame ihren vor-
sorglich gesenkten Wurzelstock wird festhalten können, wenn sein Roß darauf tritt.

7. Die Windmühle.

Meister '(B °/Sd* hat auf der flachen Insel Reichenau eine deutsche Windmühle kennengelernt und sie in den
St. Georg L. 146 aufgenommen. Das hölzerne Gehäuse, drehbar mit der mitten darin steckenden Flügelachse, steht auf
einem hölzernen Bock. In Holland warfen die starken Winde das Holzhaus vom Bock herab, so daß man steinerne Türme
bauen mußte. Hievon hörte auch Henrich Mang. So gab er dem Planeten Luna (Abb. 5) eine gemauerte Windmühle
bei. Dieser Bau ist ganz unmöglich! Denn das Gemäuer müßte sich samt der mitten drin steckenden Flügelachse nach
den Windrichtungen drehen können. Die Holländer rücken die Achse ins Dach hinauf, das sich leicht den Winden an-
paßt. Für uns ist die mißverstandene kleine Skizze zum Schibboleth geworden. Sie beweist, daß Henrich vor 1485 nicht
in den Niederlanden gewesen sein kann und daß er noch viel weniger dort geboren ist. Henrich bekam in Augsburg,
Ulm usw. überall Wassermühlen, doch keine Windmühlen zu sehen. Auf die erste Nordlandsreise des Hausbuchmeisters
ist zu verzichten trotz aller bisherigen anderen Annahmen.

II. TEIL. HOLZSCHNITTE DES MEISTERS HENRICH MANG.
(Hinweis auf Meister "(B

Im I.Teil wurden Zeichnungen und Stiche des Hausbuchmeisters behandelt. Mit Hilfe der vorher verborgen
gebliebenen Monogramme dürfte der Name Henrich Mang für den Meister jetzt endgültig feststehen.

Durch Buchstaben und Worte wird aber dem Andenken des einzigen Künstlers nur wenig gedient. Seine Werke selbst
sollten veröffentlicht werden. Leider liegen fast alle S t i c h e im Kupferstichkabinett zu Amsterdam. Gute Kopien sind vergriffen.

Gemälde, deren man dem Meister wohl mehr zuschreibt, als er selbst anerkennen möchte, scheiden hier aus.

Nur von Holzschnitten soll die Rede sein, deren in alten Büchern viele Hunderte vergraben liegen.

Albert Schramm, Leipzig, gibt seit 1922 in seinem unübertrefflichen »Bilderschmuck der Frühdrucke« alle
Holzschnitte aus den Erstlingen der Druckerkunst wieder. Doch hält er sich mehr an die Drucker und läßt die Verfertiger
der Bilder außer Betracht.

Nachfolgende Abbildungen aus den Jahren 1473—1483 konnten der Staatsbibliothek in München sowie der
Landesbibliothek in Stuttgart entnommen werden, wofür hiermit den Herren Beamten herzlicher Dank ausgesprochen sei.

Abb. 9. Semiramis (De semiramide regina assiriorum) aus dem bei Johann Zaimer in Ulm 1473 erschienenen
Boccaccio, deutsch von Heinrich Steinhöwel Dr. med. (80 Holzschnitte, Hain 3329, Schramm 5). Es treten nur ganz
leichte Hauptschatten auf und bleibt dem Pinsel des Malers alle weitere Form und Farbengebung überlassen.
 
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