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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.6519#0025
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER ..GRAPHISCHEN KÜNSTE...

1931. WIEN. Nr. 2 3.

Studien und Forschungen.

Zwei bisher unbeschriebene Metallschnitte des Maitre au foncl maille.

Als eine der charakteristischesten und am schärfsten ausgeprägten Künstlerpersönlichkeiten, die in der zweiten
Hälfte des XV. Jahrhunderts in Deutschland der Technik des Metallschnittes sich bedient haben, erscheint uns jener
Meister, den Schreiber den Maitre au fond maille genannt hat, da der Grund der Blätter unseres Graphikers häufig mit
einem maschenartigen Muster von konzentrisch angeordneten Viertelkreisen belegt ist. Schon in der ersten Ausgabe
seines Handbuches der Holz- und Metallschnitte des XV. Jahrhunderts (1893) konnte Schreiber ihm zwölf Metallschnitte
zuschreiben. Seitdem aber wurde das Verzeichnis des graphischen Werkes des Meisters und seiner Werkstatt durch
Schulz, Geisberg, Stix,1 Rathe2 und Schreiber selbst3 wesentlich vervollständigt, so daß es auf die Zahl von einunddreißig
Blättern anwuchs. Wir sind nun in der Lage, diesem bisher feststellbaren Bestand noch zwei weitere Arbeiten hinzu-
zufügen, so daß dem Meister und seiner Werkstatt jetzt also dreiunddreißig Metallschnitte zugewiesen werden dürfen.

Diese beiden neu aufgefundenen Blätter gehören an Flächengröße und an Fülle und Wirksamkeit ihrer graphischen
Erscheinung zu den stattlichsten und eindrucksvollsten Schöpfungen der Gruppe und lassen die technischen und künst-
lerischen Besonderheiten ihres führenden Meisters recht deutlich werden. Sie sind auf die Innenseiten des Einbandes
eines wohlerhaltenen Exemplars der »Cassiodori Clarissimi Senatoris in Psalteriü expositio«, Basel, 1491, geklebt. Das
in lederüberzogene Holzdeckel gebundene Buch wurde laut einer mit Tinte geschriebenen Notiz auf dem Titelblatt vom
dereinstigen Besitzer, dem Plebanus Laurentius Heymel in Wettringen, einem gewissen Pater Waltmann geschenkt und
gehört heute der Konsistorialbibliothek zu Rothenburg ob der Tauber.

Das eine der in dem Bande befindlichen Schrotblätter stellt die Anbetung des Kindes durch die heiligen drei
Könige dar (Abb. 1). Es ist mit der Randlinie 254 cm hoch und 17'9 cm breit und trägt am unteren Rande die geschnittene
Beischrift: »Et procidentes adorauerunt eum«. Gegenständlich hält sich der Künstler mit seiner Schilderung an die durch
Jahrhunderte schon festgehaltene und bewährte mittelalterliche Überlieferung: Maria sitzt und hält das Kind. Dieses
streckt seine kleinen Hände einem geöffneten, mit Gold gefüllten Kästchen in kostbarer Goldschmiedearbeit, dem
Geschenk des ältesten Königs, der, um seine Gabe darzureichen, soeben sich aufs Knie niedergelassen hat, lebhaft ent-
gegen. Der mittlere König, der sein Geschenk, einen Deckelpokal, in der Linken hält, steht noch und weist mit der
Rechten zum Stern der Verheißung empor. Seitlich von ihm wartet in bescheidener Haltung der Mohrenkönig, Turban
und Krone auf dem Haupte, sein Szepter und ein hornförmiges Standgefäß4 in Händen. Maria zur Rechten erblickt man.
im Gegensatz zur Mutter und dem Kinde ohne Nimbus, Josef. Hinter der Gruppe der heiligen Familie ist das steinerne,
strohgedeckte, zum Teil verfallene Stallgebäude und daneben, über beblümten, mit Gebüsch und einzelnen Bäumen
bewachsenen Hügeln der Stern von Bethlehem groß und deutlich sichtbar. Gewisse Züge selbständiger Charakteristik

1 Vgl. A. Stix, Die Einblattdrucke d. XV.Jahrh. in der Kupferstichsamml. d. Hof bibliothek zu Wien, Bd.II, Die Schrotschnitte, Wien 1920, pag. 13.
Nr. 85. — 2 Jahrg. 1920, Nr. 2/3, pag. 51 ff. u. Nr. 4. pag. 68 ff. dieser Zeitschrift. — 3 Handbuch V, 1928, VII, 1929, pag. 78 u. VW 1930 (Nachträge).

1 Das Horn, mit Myrrhen, kommt auf Darstellungen der Anbetung der Könige bereits auf Miniaturen aus der Zeit um die Mitte des XU. Jahr-
hunderts (Evangeliarien in München und Wolfenbüttel, Sakramentar in Paris), dann besonders häufig durch das ganze XV. Jahrhundert auf
Gemälden und Graphiken (vgl. u. a. die Schrotblätter in Aarau, Dresden, Berlin, Nürnberg, Paris, Rouen, Straßburg und Wien, den Sterzmger Altar
und den Kupferstich des Hausbuchmeisters [L. 10]) und noch bis ins XVI. Jahrhundert (vgl. u. a. die Zeichnung Dürers in der Albertina zu Wien
[L. 584]) vor (Abbildungen bei Keiner. Die heiligen drei Könige in Literatur und Kunst. II. Leipzig 1909).

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