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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.6519#0012
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Eine falsche Dürer-Kopie.

Das Berliner Kupfer-
stichkabinett besitzt angeblich
drei Originaldrucke nach
DürersRadierung»Der sitzen-
de Schmerzensmann« B. 22.
In diesendrei Drucken erkennt
Passavant den ersten, den
zweiten und den vierten Zu-

Sf üi^SJfcfc^ \ |j stand ein und derselben Platte.

H ^^1% Vj^A Campbell Dodgson

^ET^äi' '"^ii,. \ führt in seinem Katalog (Me-

dici Society, London 192(5,
■5 . ~» -m^ :Nr. 81) drei Zustände dieser

( .n/UBS^Si^^^^^^^^^^^' P'atte an- Del" Autor behaup-
\ ti^^^Sff^S/k. ^&i&^~ir~ I tet in Übereinstimmung mit
» ^MMHli«. T^äMmSGS' Jaro Springer, daß die beiden

ersten von Passavant ange-
führten Zustände im Grunde
genommen identisch sind
und daß es sich hier nur um
einen späteren Abdruck von
der bereits abgenützten Platte
handelt.

Die beigefügten Abbil-
dungen beweisen zurGenüge.
daß das Berliner Blatt, wel-
ches nach Passavants Eintei-
lung den ersten Zustand wiedergibt, nicht von der Originalplatte selbst
herrühren kann, sondern von einer vorzüglichen, bisher unbekannten Kopie.

Die Abbildungen sprechen für sich und ein sorgfältiger Vergleich der beiden Blätter ergibt einige, wenn auch sehr
geringfügige Abweichungen. Der Berliner Druck, der von der Kopie herrührt, ist viel heller als der Originaldruck, aber
die Strichführung stimmt mit dem Original bis ins kleinste Detail so genau überein, daß es schwer fällt, irgendeinen
wesentlichen Unterschied hervorzuheben. Am besten erkennt man die Kopie vielleicht an folgenden charakteristischen
Merkmalen: 1. Der unterste Strahl vom Heiligenschein Christi, links vom Beschauer gesprochen, fällt beim Original nicht
mit dem Kontur des Haupthaares zusammen; in der Kopie schneiden einander die beiden Linien. 2. Der kleine Einschnitt
der Umrißlinie oberhalb des linken Ellbogens führt nach abwärts, in der Kopie aber ganz entschieden nach aufwärts.
Die überlegene künstlerische Qualität des Originaldrucks offenbart sich vor allen Dingen in der Zeichnung des Gesichts
und des rechten Armmuskels.

Über die Verbreitung dieser Kopie, die möglicherweise auch in anderen öffentlichen oder privaten Sammlungen
als Dürer-Originaldruck figuriert, ist meines Wissens nichts bekannt. Mir selbst ist bisher nur ein einziges Blatt dieser
Art, u. zw. das in Berlin befindliche Exemplar, untergekommen.

Hofrat Josef Meder, der mir sein Photographienmaterial in freundlicher Weise zur Verfügung gestellt hat, teilte
mir mit, daß er in seinem demnächst erscheinenden Katalog der Dürer-Kupferstiche und -Holzschnitte nur zwei ver-
schiedene Zustände des Originals annimmt. Meders zweiter Zustand wäre dann mit Passavants viertem und mit Dodgsons
drittem identisch, bei dem der Steinsitz und die Draperie links bedeutend von der Originalfassung abweichen. Blätter,
die dem angeblich dazwischen befindlichen Zustand angehören, den Passavant als dritten und Dodgson als zweiten an-
führt, sind also in Wahrheit nur Abdrucke des ersten.1 J. Bvam Shaw.

Kopie nach Dürer. B.

Aibrecht Dürer, Der sitzende Schmerzensmann.
Radierung. B. Tl.

1 Seitdem diese Zeilen geschrieben sind, habe ich doch ein einziges Exemplar dieses Zwischenzuslandes im Kupt'crstichkabinett der Galerie
Corsini in Rom gefunden. Die Platte ist hier schon ganz ausgedruckt und schon teilweise (besonders an der unteren Hälfte) leicht aufradiert; doch
ist diese Retusche noch nicht so weit gebracht wie im letzten Zustand. Der Steinsitz, dessen Konturen im letzten Zustand völlig verändert sind, ist
nämlich in jenem Zwischenzustand, wie bei Dodgson und Passavant beschrieben, in seiner noch ursprünglichen Form kaum mehr sichtbar. Es handelt
sich also im Ganzen um drei verschiedene Zustände der Originalplatte (bei Dodgson richtig eingeteilt) und eine Kopie des ersten, die hier zum ersten
Male beschrieben wird.

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