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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.6519#0013
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Zu einer Dürernachzeichnung des Martin-von-Wagner-Museums
der Universität Würzburef.

Bei der Neuordnung des Kupferstichkabinetts
des Wagner-Museums fand sich unter den Kupfer-
stichen Dürers die hier in Abbildung mitgeteilte Feder-
zeichnung (schwarze Tinte, Höhe 213, Breite 187mm,
Papier des XVI./XVII. Jahrhunderts). Laut Inventar war
sie 1885 als »Radierung« aus dem Würzburger
Antiquitätenhandel erworben worden. Wohl auch in der
Abbildung läßt das Blatt deutlich, besonders gut am
Krug, den zitternden, ängstlichen und unfreien Strich
einer Nachzeichnung erkennen und so böte das Blatt
kein weiteres Interesse, wenn das Original bekannt
wäre. Dies ist offenbar bisher nicht der Fall, es sei
deshalb gestattet, die Aufmerksamkeit der Dürer-
forschung auf die Kopie zu lenken. Daß es sich um
eine genaue Kopie und nicht um eine mehr oder
weniger freie Nachahmung handelt, scheint mir bei
dem durchgehends einheitlichen und ganz dürerischen
Charakter des Strichsystems unbestreitbar. Die Ent-
stehungszeit des Originals ist mit der Jahreszahl 1520
über dem Monogramm in der Kopie sehr wahr-
scheinlich richtig angegeben. Nicht nur der sehr klare
und großzügig disponierende zeichnerische Stil ent-
spricht dieser Zeit, auch nach Inhalt und Auffassung
fügt sich das Blatt zwanglos den Arbeiten der letzten
Jahre vor der niederländischen Reise ein. Eine Zeich-
nung von 1519 im Louvre (L. 322) und der Marien-
stich von 1520 (B. 37) sind die nächsten Verwandten,
besonders was das Motiv des Madonnengewandes
angeht. Man könnte unsere Zeichnung etwa zwischen die Louvrezeichnung und den Stich setzen, es ergäbe sich
dann das Bild eines fortschreitenden Absonderns alles dessen, was in der Zeichnung von 1519 noch leicht bewegt,
lebhaft, spielerisch frei und warm ist,bis zu der starren, großartigen aber freudlosen Form im Kupferstich B.37. Hinsichtlich
des Grades der Vollendung und Durchführung nimmt unsere Zeichnung zwischen den leichthändigen, andeutenden
Kompositionsentwürfen erster Idee und den ganz durchgeführten Kupferstichvorzeichnungen eine Zwischenstellung
ein. Doch hat man den Eindruck, als sei sie schon im Hinblick auf Ausführung im Kupferstich entstanden, die dann
allerdings zugunsten von B. 37 unterblieben wäre. Was den Krug links vorne anlangt, so ist er kaum zufällig und um
seiner selbst willen auf das Blatt geraten, er markiert — in noch nicht endgültiger Fixierung natürlich — eine gemessen
einleitende, vorderste Raumschicht, ähnlich wie es in den vier Madonnenstichen von 1519/20 die Monogrammtafeln tun.
Aufmerksam darf noch gemacht werden auf das Zepter, das sonst bei den Rasenbankmadonnen nicht vorkommt. Inhaltlich
läßt es sich aus dem dieser Periode Dürers eigenen Bedürfnis nach höherer Feierlichkeit und Würde erklären, formal
bildet es die Gegenbewegung gegen die Haltung des Kindes und die Neigung des Kopfes der Madonna. Im Hinblick auf
die Gesamtentwicklung des dürerischen Marienbildes ist hervorzuheben, daß in unserer Zeichnung in vieler Beziehung,
besonders im Gewandmotiv, auf den Stich mit der säugenden Madonna von 1503 (B.34) zurückgegriffen ist. Man erinnert
sich dabei der Feststellungen Heidrichs über die Verwendung von Gewandstudien zum Helleraltar in den Marienstichen
von 1519 (B.36undB.39).Merkwürdigist, daß die überdieHelleraltarstudienhinwegstarkitalienisch beeinflußte monumentale
Form des Sitzens in diesen Stichen, mit waagrecht auf den Oberschenkeln aufliegendem und senkrecht abfallendem Gewand,
das am Boden mit einem kleinen festen Faltenwall rings um die Figur aufsteht, gleichzeitig geschaffen ist mit L.322,
dem Marienstich B.37 und mit unserer Zeichnung, die die alte deutsch-gotische Form des die Körperformen übergehenden,
schräg herabströmenden und vielfältig sich verbreitenden Gewandes noch einmal aufnehmen. E. Kieser.

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