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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.6519#0014
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Wolf Huber — 1530 in Wien.

Ansicht Wiens nach der Belagerung durch die Türken.

Eine kleine Federzeichnung in
Bister im Ausmaß von 14-3:13 cm
aus Privat - Besitz, ohne jede
Überlieferung und unscheinbar,
mit einer Stadtansicht von 1530,
welche erst durch die auf den
ersten Anblick befremdende Fest-
stellung einer alten Darstellung
Wiens mit dem Stephansdom im
Mittelgrund rechts ihre Beachtung
gewann! Das Befremdende lag
darin, daß der Vordergrund in
flüchtiger Skizzierung eine zwei-
lache Befestigungsanlage mit vier
gegen die Stadt gerichteten Feld-
geschützen samt Kugelhaufen und
Pulverhäuschen darstellt, gegen-
über aber ein Stadttor, dessen
Mauerwerk allerlei Schädigungen
und improvisierte Zinnen aufweist.
Vor ihm ein über den Stadtgraben
führender Brückenzugang, der
noch mit Gebälk verlegt erscheint.
Unmittelbar anstoßend erhebt sich
ein großer Wehrturm mit Zinnen,
ohne jeden Zugang von außen.
An ihn erst und an das beschädigte
Stadttor schließt sich rechts und
links je ein Teil der gleichfalls
gezinnten Stadtmauern, die je
eine breite Bresche erlitten haben.
Vor jeder der gesprengten Öff-
nungen Hegt der nach auswärts
in den Graben gestürzte Stein-
und Mörtelhaufen (Abb. 1). Erst diese von einer schweren Beschießung herrührenden Hinweise in Verbindung mit der
Stephanskirche und ganz besonders mit der in gleicher Tinte geschriebenen, untadeligen Jahrzahl 1530, das ist wenige
Zeit nach der im Oktober 1529 vorhergegangenen furchtbaren Belagerung Wiens durch die Türken, verleihen der
Zeichnung, die, nach der genauen Wiedergabe selbst aller Nebensächlichkeiten zu schließen, an Ort und Stelle ent-
standen sein muß, ihre volle und ernste Bedeutung und historischen Wert. Nach dieser sicheren Annahme, daß das
Blatt das befreite Wien, von einem erhöhten Standpunkt hinter der türkischen Yerschanzung gesehen, darstelle, erübrigt
noch, auf den großen sichtbaren Platz mit einem Brunnen: Am Hof, hinzuweisen, in dessen unterer Ecke rechts die
Heinrich-Jasomirgott-Burg aufragt, ebenso auf die kleine Kirche St. Clara links (nicht mehr existierend) und schließlich
auf die große, schwer deutbare Kirche im Hintergrund, die, wiewohl in falscher Lage, am ehesten an die Kirche Maria am
Gestade denken läßt.

Ein Vergleich mit der bekannten Meldemannschen Darstellung der Belagerung Wiens von 1529 (Weiß, Geschichte
d. Stadt Wien, 2. Aufl., 2. Band, S. 48, Taf. I) bestätigt vollauf obige Vermutungen und läßt erkennen, daß wir im Mittel-
punkt der Zeichnung das Hauptobjekt der Belagerung, den Kärntner Turm mit dem nebenstehenden Brückentor, dem
Kärntner Tor, und links am Ende der Mauer die kleine Kirche St. Clara vor uns sehen (Abb. 2). Unmittelbar gegenüber,
aber ganz im Vordergrunde die zweifache feindliche Schanze zwischen zwei nur in der Fassade angedeuteten größeren
Gebäuden (nach Meldemann zwei kirchlichen Bauwerken, St. Koloman und einer Gottesackerkapelle), von wo aus
die heftigste Beschießung und der Versuch einer Sprengung des Turmes durch mehr als drei Tage erfolgte. Die
Zeichnung erscheint wie eine Illustration zu den Berichten, wie sie Weiß am angegebenen Ort und F. Stöller,1 nach den

1 Jahrb. d. Vereines f. Gesch. d. Stadt Wien für 1926 u. Sonderabdruck, S. 28 ff.



Abb. 1. Wolf Huber, Ansicht Wiens nach der Belagerung durch die Türken. Zeichnung von 1530.

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