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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.6520#0017
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10 A und B. Hans Baidung, Zwei Apostelküpfe.

Zeichnungen.

dürfte in die Zeit fallen, als der Meister den Freiburger Hochaltar vollendete. In der ornamentalen Gesamterscheinung
kommt es dem Hexensabbath von 1514 (T. 248) nahe. Die Bewegung vollzieht sich nicht stoßweise wie in der Beweinung
von 1513. Ein Wehen und Rauschen geht durch das Blatt, ein Schlingen von lang durchlaufenden Linien wie in den
Totentanzbildern von 1516/17. Der Münchener Kruziflxus (T. 199) gehört hieher. Die klagende Magdalena wiederholt im
Gegensinn die Gebärde, die aus dem Holzschnitt B. 36 bekannt ist. Gleich dem Reiter nimmt auch der Kruziflxus eine
spätere Fassung vorweg: die der Albertinazeichnung von 1533 (T. 221). Allseitig läßt sich das Blatt in Baidungs Werk ver-
ankern, in dem es eine neue Note bedeutet, einen neuen Aspekt von den Gestaltungsmöglichkeiten seines Schöpfers gewährt.

10. Hans Baidung, Zwei Apostelköpfe. Helldunkelzeichnungen mit Pinsel und Feder auf dunkelbraun grun-
diertem Papier. A mit falschem Dürer-Monogramm, 162 : 113 mm, B mit Datum 1519, 161 : 128 mm. Brünn, Mährisches
Landesmuseum.

Markige Männerköpfe kennen wir aus dem gezeichneten und geschnittenen Werk Baidungs. Sie werden manchmal
mythologisch unterlegt — heißen etwa Saturn. Meist aber sind sie nichts als frei nach der Natur gezeichnete Prachttypen,
würdig als Apostel in biblische Kompositionen einzugehen. Die Jahre 1518 und 1519 brachten ihrer eine Reihe hervor.
Parker hat (Elsässische Handzeichnungen 36) einen wundervollen Kopf des British Museum bekannt gemacht. Er verweist
gleichzeitig auf einen 1519 datierten Kopf der Sammlung Koenigs. Die Zweifel, die Parker seinen Blättern entgegenbringt,
dürften vielleicht durch die beiden Brünner Zeichnungen zerstreut werden. Diese sind Baidung von echtem Schrot und
Korn, bis in die letzte Faser ihres knorrigen Wuchses. Das wird auch durch einen graphischen Zusammenhang bewiesen:
der Alte mit der Hakennase und dem wehenden Barte ist die gegenseitige Vorstudie zu einem Holzschnitt (Unikum des
British Museum, Terey, Bd. 1, S. VII). Nur ist die Zeichnung viel großartiger und mächtiger als der Holzschnitt, dessen
Abänderungen auch Abschwächungen bedeuten. Der Kopf ist erfüllt von kühner Bewegtheit. Unter den drohend gewölbten
Brauenbogen lagert der scharfe, durchdringende Blick tiefliegender Augen. Eine hohe Stirn wölbt sich, von Wellen-
lichtern überspielt. An den Schläfen schwellen die Adern. Kraft und gespannte Energie sprechen aus dem Antlitz, das
eines Paulus würdig ist. Im Schwung des Haupthaares, des weiß schimmernden Bartes löst sich die gebändigte Spannung:
sie lodern los, wie vom Sturmwind getrieben. Dieses Linienspiel ist von höchster Schönheit. Die Pinselzüge flammen,
wellen, kräuseln sich, in Schwarz, in Grau, in Weiß, in verschiedenen Schichten und Raumlagen, daß das köstlichste
Ornament, ein Gebilde für sich entsteht. Und doch verfällt der Künstler nicht kalligraphischer Spielerei, denn auch dieses
Formenspiel wird dem Geiste des Ganzen dienstbar gemacht. Dem lodernden Feuerkopf dieses Paulus steht der würdevolle,

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