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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.6520#0061
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST

BEILAGE DER i> GRAPHISCHEN KÜNSTE«.

1932. WIEN. Nr. 4.

Studien und Forschungen.

Die graphische Form Wilhelm Büschs.

(Zum 100. Geburtstag des Künstlers.)

Wenn Gemälde eines Graphikers bekannt werden, von dessen malerischer Tätigkeit man bis dahin nichts gewußt
hat, so tritt oft der Fall ein, daß diese Zeugnisse der Malerei eine Überschätzung erfahren, indem man ihre Bedeutung
der des graphischen Werkes gleichstellt und mit ihnen eine Erweiterung des künstlerischen Umfanges des Graphikers
beweisen will. Auch in einem Fall wie dem Toulouse-Lautrecs, dessen Malerei gewiß nicht leicht überschätzt werden
kann, läßt sich ähnliches feststellen. Die Größe des Graphikers Toulouse-Lautrec ist durch seine malerischen Leistungen
nicht überboten, eine nähere Untersuchung zeigt, wie sehr er auch als Maler Graphiker war (womit nicht Unfarbigkeit
gemeint ist, sondern eine einzigartige Besonderheit der Farbe), und doch tritt bisweilen in der Interpretation des Gesamt-
werkes die Untersuchung der künstlerischen Form des bekannten graphischen Werkes in den Hintergrund. Es handelt
sich dann, wenn auch nicht um Überschätzung, so doch um eine Verkennung des Wertverhältnisses zwischen der
graphischen und der malerischen Leistung, welche die gleichen Gründe hat wie jene. Es sind zwei Ursachen: die eine ist
die Entdeckerfreude, die andere die nicht weniger naive, freilich unbewußte und uneingestandene generelle Höherwertung
der malerischen Form gegenüber der graphischen. Die erste Ursache steht einer schließlichen richtigen Einstellung nicht
hindernd entgegen, die zweite aber führt mitunter, wie hier an dem Fall Wilhelm Busch zu zeigen versucht werden soll,
zu unrichtigen Feststellungen und Einschätzungen auch innerhalb der Untersuchung der Graphik selbst.

Wenn in Untersuchungen über Busch als Zeichner von dem Verhältnis der Originalzeichnungen für die Bilder-
geschichten zu deren Holzschnitt- und Zinkographiereproduktion in den Büchern die Rede ist, so wird fast ausnahmslos
wie als eine Selbstverständlichkeit festgestellt, daß der Stil der Originalzeichnung, vor allem ihre Unmittelbarkeit und
Lebendigkeit, bei der Übertragung in die Buchreproduktion gelitten habe. Als ein Beispiel für viele sei das letzte dieser
Urteile aus dem Buch von R. Dangers (Wilhelm Busch, Sein Leben und sein Werk, Berlin 1930) angeführt: ».. .zunächst
sind alle diese Zeichnungen keine Originale oder nur in einem sehr bedingten Sinne Originale ...« (S. 48); »... Vergleiche
von Originalzeichnungen ... mit Holzschnitten . . . zeigen immer wieder das Gleiche: die Erlahmung, Vergröberung
und den Verlust der Lebendigkeit im Holzschnitt« (S. 62).

Zunächst muß folgender Tatbestand festgehalten werden. Alle in der Zeit vor 1876 erschienenen Bildergeschichten
Büschs wurden in Holzschnitt reproduziert, die nach diesem Jahr entstandenen — als erste »Herr und Frau Knopp«
1876 — zinkographisch vervielfältigt.1 Es ist bekannt, daß Busch selbst die Bilder auf die Holzstöcke gezeichnet hat.
Dieser letzten und endgültig zum Schnitt — nicht immer, wie später noch näher darzulegen sein wird, auch endgültig
zum Druck — bestimmten Zeichnung ging der letzte Entwurf der ganzen Bildergeschichte voraus, welche Busch
zusammen mit dem Text dem Verleger vorlegte, und vor dieser Zeichnung wieder lagen, abgesehen von den Einzelstudien,
frühere Zeichnungen. Entwürfe aller Stufen sind erhalten geblieben und ermöglichen die Einsicht in die Veränderung,
welcher die Zeichnung vom ersten, freiesten Entwurf bis zum letzten unterworfen war. Dieser wurde von Busch seiten-
verkehrt auf den Holzstock umgezeichnet.

So sehr auch noch Zeichnungen wie die des endgültigen Manuskripts von »Max und Moritz« von den Holzschnitten
abweichen, müssen sie doch als diesen am nächsten kommend angenommen werden. Es ist aber verfehlt, durch einen

1 Zur Bibliographie der Werke Büschs s. A. Vanselow, Die Erstdrucke und Erstausgaben der Werke von Wilhelm Busch, Leipzig 1913.

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