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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.6520#0022
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10. Wolf Huber, Bildnis eines dicken Mannes.

Kreidezeichnung.

den Fall sind seine Mittel sehr beschränkte: schwarze und rote Kreide, die er aber im Verein mit dem Papierton so
raffiniert zu handhaben und zu mischen verstand, daß der Eindruck einer Fülle von Farben entsteht. Das Blatt ist im
Sinne der reifen deutschen Renaissancemalerei aufgebaut. Keine Übereckstellung mehr wie in den Hundertpfundbildnissen,
kein Raumausschnitt wie im Straßburger Architektenbildnis, sondern ein reiner Frontalaufbau wie im Ziegler-Bildnis.
Dieses Blatt, das gewiß eine Persönlichkeit vom Hof des Bischofs Wolfgang Salm darstellt — die Wahl zwischen
Humanist und Küchenmeister fällt schwer —, gehört zweifellos auch der Spätzeit des Meisters an. Der füllige Körper
nimmt in seinem schwarzen Wams symmetrisch die Bildbreite ein. Die rundliche Hand — sie bleibt helle Fläche, in der
kaum die Finger leicht markiert sind — liegt in der Achse des Kopfes. Die Steinkreide greift stellenweise schlecht auf
dem Papier; so entstehen höchst reizvolle Zwischenstufen in Grau. Alle Faltenzüge, sowohl die vertikalen der Ärmel w ie
die horizontal über die Brust gestrafften, betonen die schwere, raumverdrängende Körpermasse. Auf dieser Leibesrotunde
thront ein unendlich gutmütiges Antlitz, das aus dunklen Braunaugen etwas melancholisch blickt. Schwere des Gedankens,
der wenig Raum hätte, belastet es kaum. Prächtig, wie leicht und locker dieses Antlitz mit dem Rötel gerundet ist. Um
Lippen und Kinn markiert die schwarze Kreide einen leichten Bartanflug; auch das dient wieder zur Modellierung der
sonst mehr im Flächigen verharrenden Form. Die Stirn ist rund poliert wie eine Kugel. Rund verlaufen auch die leichten
Falten des Hemdes, über das die Schnur einer verdeckten Gedenkmünze läuft. Der geistig nicht gerade sehr fesselnde
Vorwurf mag den im Alter stark um das Körperproblem sich mühenden Meister in anderer Hinsicht zur Darstellung
verlockt haben. Doch hat er so ein prächtiges, vollsaftiges Stück deutschen Renaissancemenschentums der Nachwelt
überliefert. Otto Benesch.
 
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