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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.6520#0032
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des Kopftuches unverzüglich in den Typen-
kreis der »Schonen Madonnen« gerät, auch
von der Zeichentechnik her zu stützen: wäre
es wohl allzu kühn, jene leichtgewellten
.Strichlagen, die eine modellierende Rundung
der seitlichen Faltengehänge beabsichtigen,
für das Widerspiel der zarten Rillen zu er-
achten, durch die das Zahneisen die Ober-
flächen-Behandlung der südböhmischen
Kalksteinfiguren so unvergleichlich ver-
feinert?1 Im übrigen sieht sich die stil-
geschichtliche Erläuterung der Pariser Zeich-
nung vor eine verhältnismäßig leicht zu
bewältigende Aufgabe gestellt, da die ent-
scheidenden Abweichungen von den südost-
deutschen Bildwerken mit seltener Einhellig-
keit den Tendenzen der salzburgischen
Plastik entsprechen, wie sie Pinder mehrfach
skizziert hat. Wird zum Beispiel die Magda-
lenen-Figur wie billig zunächst mit einer
Monumental-Skulptur der gleichen Stilstufe
zusammengehalten, die ebenfalls den un-
schätzbaren Vorzug einer unverrückbaren
Datierung genießt, so erweist sich die inten-
sive Verräumlichung der »Heimsuchungs«-
Gruppe auf den Irrsdorfer Türflügeln ddo.
1408- trotz des Halbreliefs noch vollauf zu
einemYergleiche geeignet, der auch die starke,
hier freilich durch das Thema mitbedingte
Vorwölbung der Leiber und die »langen,
unten symmetrisch auseinandergetriebenen
Faltengänge« keineswegs zu vernachlässi-
gen brauchte; und die üppigen Falten-
Kaskaden der seitlichen Draperien fänden
nicht nurgelegentlichderlrrsdorfer Elisabeth,
sondern auch in den »schwer träufelnden
Pendelgewichten« der Madonnen-Statue zu
St. Peter in Salzburg (»Maria Säul«)3 ein
ebenbürtiges Gleichnis. Wenn sodann die
vor einigen Jahren aus dem Wiener Kunst-

Abb. 7. Die hl. Magdalena. Federzeichnung. 197 : 1 27 mm. Paris, Louvre. ffir ^ prager Rudoffinum erworbene

Replik der »Krumauer Madonna«, die bei der Übernahme der meisten Einzelformen die Neigung zum Massigen sichtlich
hervorkehrt und durch den gegen das Kopftuch hin scharf abgesetzten Kontur der rechten Schulter unw illkürlich an
die Pariser Heilige erinnert, ihrer unsicheren Herkunft halber4 fürderhin außer Spiel bleibt, sei endlich zur Entschädigung
für solche Bescheidung eine etwas gewagte Vermutung entschuldigt: Wirkt nicht die »durchgedrückte Schulter« der

1 Für einen derartigen Vergleich überaus instruktive Detail-Abbildungen bringen Pinder, Handbuch S. 175 (Abb. 149: »Draperie einer böhmischen
Figur im Museum zu Danzig«), und Emst a, a. O. S. 111, Fig. 89 (Rückseite des Kopftuches der Krumauer Madonna).

2 Vgl. P. Buberl, Österreichische Kunsttopographie Bd. X, Wien 1913, S. 66 mit Fig. 53 u. T. II.

3 Vgl. Österreichische Kunsttopographie Bd. XII, Wien 1914, S. 17, Fig. 34 (H.Tietze) und G.Dehio, Geschichte der deutschen Kunst, Abbildungs-
Band 112, Berlin u. Leipzig 1923, Fig. 212. — Selbst in den provinziellen Ablegern der Salzburger Stilart gelangen deren konstitutive Eigenschaften
zu so sinnfälligem Ausdruck, daß z. B. ein Vergleich der Mngdalenen-Zeichnung mit den von Kieslinger (»Die mittelalterliche Plastik . . .«, Fig. 25)
als »Oberosterreichisch um 1430« abgebildeten Holzriguren trotz der erheblich geringeren Qualität und der auf die spätere Entwicklungsstufe
deutenden gekürzten Proportionen immer noch lehrreich erschiene; auf dem Gebiete der Glasmalerei wären etwa die von demselben Autor mittelbar
der Salzburger Einfluß-Sphäre zugerechneten Kirchenfenster zu Mariahöfel bei Metnitz in Kärnten (»Gotische Glasmalerei in Österreich bis 1450«
Wien 1929, S. 37/38 u. 70 mit Text-Tafel XIV, 9 u. 10) als zeitgenössische Vertreter der gleichen Stilrichtung zu nennen.

-i Das vielumstrittene Stück (vgl. Kieslinger im »Belvedere«, Jhg. 1923, Sonderheft 16/17, Nr. 44 mit T. 21 u. 22) entstammte zwar gemäß der
seinerzeitigen Verlautbarung einer Salzburger Privatsammlung, war aber vom Vorbesitzer, wie mich der Entdecker freundlichst belehrt, auf einer
Londoner Christie-Auktion ersteigert worden.

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