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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.6520#0064
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Abb. 7 und 8. Wilhelm Busch, Aus dem
"Zylinder«. Holzschnitte.

Veränderung der graphischen Form in ihrer Eigenschaft als bewußte künstlerische
Umformung zu verkennen und als durch die Holzschnittübertragung bedingte
Vergröberung anzusehen. Darum sollen hier zuerst nicht die beiden am weitesten
voneinander entfernten Phasen verglichen werden, sondern im Gegenteil zwei
unmittelbarer aufeinanderfolgende: endgültig für den Druck bestimmte Holz-
schnitte mit solchen, die von Busch als ungeeignet befunden wurden und die er
auf einen neuen Holzstock, eben den endgültigen, nochmals zeichnete. Im Besitz
der Fr. Bassermann'schen Verlagsbuchhandlung befinden sich einige Holzstöcke
^ zu dem »Geburtstag« und dem »Zylinder«, die Büschs Anforderungen nicht
genügten. In Abb. 1 — 12 sind die abgelehnten und die korrigierten, endgültigen
Drucke nebeneinandergestellt.1 Nun kann freilich ein solcher Vergleich nicht als
Ersatz genommen werden für den Vergleich der unmittelbaren Vorzeichnung mit
dem Holzschnitt, denn die Feststellung, wie weit der Künstler den Xylographen
und wie weit er sich selbst korrigierte, könnte mit voller Evidenz doch nur
mit Hilfe jenes Vergleiches des Holzschnittes mit Büschs Zeichnung auf dem
Holzstock gemacht werden. Trotz diesem notwendigen Verzicht läßt sich aber
die Trennung bis zu einem hohen Grad durchführen. So ist z. B. die Veränderung
des Gesichtes in Abb. 1 und 3 zweifellos zum Teil darin begründet, daß die dem
älteren Holzschnitt zugrunde liegende Vorzeichnung des Gesichtes vom Xylo-
graphen vergröbert und versteift wurde. Allerdings hat sie gewiß selbst zu dieser
Veränderung verführt, denn es kann nicht angenommen werden, daß die Vor-
zeichnung auf dem älteren Holzstock so aussah, wie die auf dem zweiten und
vom Xylographen so weitgehend transformiert wurde. Außerdem hat Busch Schwächen des Striches korrigiert (z. B.
Abb. 7 und 8) und vor allem die schematische Schraffierung von Hintergrundschatten verändert und reduziert. Dies
sind die hauptsächlichen von Busch korrigierten Mängel der Übertragung durch den Holzschneider. Ihnen sind gegenüber-
zustellen die Änderungen, die Busch an der künstlerischen Erscheinung der älteren Zeichnungen vornahm. Soweit sie
kompositionelle Umgestaltung (z. B. die räumliche Stellung der Butterhenne in Abb. 4 und 6; die Haltung der Straßen-
kehrerinnen in Abb. 11) und die Veränderung und Präzisierung des physiognomischen Ausdrucks (besonders in Abb. 8)
betreffen, sollen sie hier nicht untersucht werden. Hier handelt es sich um die Veränderungen der graphischen Form.
Zu diesen leitet die zuletzt erwähnte unter den der Tätigkeit des Xylographen zuzuschreibenden Verschlechterungen
über: die technische Schematisierung von Hintergrund- und anderen Schatten. Busch hat, wie schon gesagt wurde,
fast überall ihre Flächenausdehnung, oft sehr wesentlich, eingeschränkt und zumeist die Schraffenform gründlich ge-
ändert. Beispiele für die Reduktion größerer Schattenflächen zeigen Abb. 3 und 11 in den Schatten des Hintergrundes
und besonders Abb. 4, in welchem Fall an die Stelle dichter Schraffentönung auf Weste und Hose Knickebieters,
welche Farbe bedeutet, ganz sparsame Scha11enschraffur tritt. Auch sonst lassen sich in fast jedem Vergleichspaar
Verschiedenheiten des Schraffensystems feststellen. In ihnen wird die zweite der Eigenschaften deutlich, die die Ver-
änderung von dem älteren Holzschnitt zum endgültigen charakterisieren: eine allgemeine Verfestigung des Striches.
Man vergleiche in den Abb. 4—6 die Zeichnung der Henne. In jedem Fall tritt an die Stelle einer lockeren, flockigen
Strichform der Körperwiedergabe eine zeichnerische Verfestigung, die kaum genauer dargelegt werden muß. Schließlich
ist, drittens, eine Verringerung der Helligkeitsunterschiede zu vermerken, die am deutlichsten in Abb. 11 zu sehen ist. Im
ersten Holzschnitt besteht ein starker Kontrast zwischen der mit dicken schwarzen Strichen gezeichneten Hauptfigur
des Vordergrundes und den mit zarten, grau wirkenden Linien dargestellten Objekten im Hintergrund. Dieser Helligkeits-
unterschied, der die Raumtiefe wiedergeben soll, ist in
dem zweiten Holzschnitt vermindert. Die Gesamttönung
des Hintergrundes und die des Vordergrundes sind
einander angenähert zugunsten einer gleichmäßigeren
Verteilung von weißer Fläche und Linienzeichnung. Das-
selbe in geringerem Maße zeigt Abb. 12.

Diese drei Haupteigenschaften, die die älteren Holz-
schnitte von den korrigierten unterscheiden, hängen mit-
einander zusammen und lassen ein gemeinsames formales

Abb. 0. Wilhelm Busch, Aus dem »Zylinder«

Holzschnitte.

1 Ich danke auch an dieser Stelle dem Fr. Bassermann'schen
Verlag dafür, daß er mir Abdrucke nach jenen Holzstocken zur Ver-
fügung stellte und deren Reproduktion gestattete. Die Vergleichs-
beispiele der Buchausgabe sind nach dem Wilhelm Busch-Album
(Humoristischer Hausschatz), Verlag Fr. Bassermann, reproduziert.

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