Abb. 19. Anbetung der hl. drei Könige. Aus dem Antiphonar (Kod.
Klosterneuburg.
65).
Der Illuminator Michel also ist es, dessen
Schaffen wir durch mehr als ein Vierteljahrhundert
verfolgt haben, der Illuminator Nikolaus, der sein
Lehrer oder zumindest sein Vorbild in dem Riesen-
antiphonar gewesen ist.
Was aber noch wertvoller ist als die Bestimmung
unserer Meister sogar dem Namen nach, ist die Er-
kenntnis der Tatsache, daß die Buchmalereien dieser
Zeit in Österreich von professionellen Illumina-
toren, nicht von Mönchen ausgeführt wurden, wie
dies in den vorangehenden Jahrhunderten der Fall ge-
wesen war und vereinzelt, zum Beispiel in Kloster-
neuburg, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder
vorgekommen ist.1 Denn daß es sich in den Rech-
nungsvermerken auf keinen Fall um Kleriker handeln
kann, geht ja schon aus den Zahlungen selbst und
daraus hervor, daß, wo von Chorherren die Rede ist
(wenn etwa Geräte für die von ihnen besorgten Binde-
arbeiten erwähnt werden), sie stets durch das Wort
dominus unterschieden werden.
Die im Handbuch für Kunstwissenschaft auf-
gestellte Hypothese von der Entstehung unserer Minia-
turen in einer Melker Mönchsschule ist schon aus
diesen Gründen hinfällig. Es handelt sich vielmehr um
eine Gruppe von Handwerkern, als deren Sitz offenbar
Wien anzusehen ist. Wir finden die meisten der be-
trachteten Arbeiten als für den Wiener Hof und das
Stift Klosterneuburg hergestellt. Die Arbeiten für die
Dominikaner und die Universitätslehrer weisen eben-
dahin, und das nach Mariazell gestiftete Missale wird
von dem Zwittauer Priester Nikolaus ebenso aus Wien
gebracht worden sein, wie die Lilienfelder Handschrift.
Die sich aus der Zusammenarbeit mit drei anderen der wichtigsten
Meister der Zeit für Friedrich III. ergebende Werkstattgemein-
schaft muß keine dauernde gewesen sein, eine Wiener Miniatoren-
schule aber kann wohl als erwiesen angesehen werden, als Parallel-
erscheinung zu der viel älteren, gerade damals aber auf ihrer
Höhe stehenden weltlichen Buchmalerei im burgundisch-französi-
schen Kreis.
Die konservative Eigenart des österreichischen Bodens wird
freilich schon in dem Aufgabenkreis fühlbar, der den Wiener Minia-
toren gestellt worden ist. Wie sich einerseits die geistlichen Stifte
als Auftraggeber neben den weltlichen Bestellern behaupten, so sind
auch bei den für den Hof ausgeführten Arbeiten die sakralen Hand-
schriften weit überwiegend, während im Westen längst die Illustra-
tionen der profanen Geschichts- und Romanwerke die erste Stelle
einnehmen. Es ist bezeichnend, daß der einzige derartige Band, der
Trojanische Krieg von Meister Martin, nur in weiterem Sinne der
österreichischen Buchmalerei zugerechnet werden kann; denn der
Künstler, von dessen Hand er stammt, ist seiner künstlerischen
Abkunft nach ein Westdeutscher und seine Kunst am stärksten
dem neuen, in jenen französischen Ritter- und Liebesromanen
1 Die Chorherren Georg Stockhaymer und Hier. Sitznperger haben seit zirka
1460 eine ganze Anzahl von heute noch erhaltenen Bänden ausgestattet, da in der
zweiten Jahrhunderthälfte mit einer einzigen Ausnahme kein Illuminator beschäftigt
wurde. Siehe Cernik, a. a. O., p. 121.
Abb. 20. Ölberg. Aus dem Antiphonar(Kod.66). Klosterneuburg.
— 15
Klosterneuburg.
65).
Der Illuminator Michel also ist es, dessen
Schaffen wir durch mehr als ein Vierteljahrhundert
verfolgt haben, der Illuminator Nikolaus, der sein
Lehrer oder zumindest sein Vorbild in dem Riesen-
antiphonar gewesen ist.
Was aber noch wertvoller ist als die Bestimmung
unserer Meister sogar dem Namen nach, ist die Er-
kenntnis der Tatsache, daß die Buchmalereien dieser
Zeit in Österreich von professionellen Illumina-
toren, nicht von Mönchen ausgeführt wurden, wie
dies in den vorangehenden Jahrhunderten der Fall ge-
wesen war und vereinzelt, zum Beispiel in Kloster-
neuburg, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder
vorgekommen ist.1 Denn daß es sich in den Rech-
nungsvermerken auf keinen Fall um Kleriker handeln
kann, geht ja schon aus den Zahlungen selbst und
daraus hervor, daß, wo von Chorherren die Rede ist
(wenn etwa Geräte für die von ihnen besorgten Binde-
arbeiten erwähnt werden), sie stets durch das Wort
dominus unterschieden werden.
Die im Handbuch für Kunstwissenschaft auf-
gestellte Hypothese von der Entstehung unserer Minia-
turen in einer Melker Mönchsschule ist schon aus
diesen Gründen hinfällig. Es handelt sich vielmehr um
eine Gruppe von Handwerkern, als deren Sitz offenbar
Wien anzusehen ist. Wir finden die meisten der be-
trachteten Arbeiten als für den Wiener Hof und das
Stift Klosterneuburg hergestellt. Die Arbeiten für die
Dominikaner und die Universitätslehrer weisen eben-
dahin, und das nach Mariazell gestiftete Missale wird
von dem Zwittauer Priester Nikolaus ebenso aus Wien
gebracht worden sein, wie die Lilienfelder Handschrift.
Die sich aus der Zusammenarbeit mit drei anderen der wichtigsten
Meister der Zeit für Friedrich III. ergebende Werkstattgemein-
schaft muß keine dauernde gewesen sein, eine Wiener Miniatoren-
schule aber kann wohl als erwiesen angesehen werden, als Parallel-
erscheinung zu der viel älteren, gerade damals aber auf ihrer
Höhe stehenden weltlichen Buchmalerei im burgundisch-französi-
schen Kreis.
Die konservative Eigenart des österreichischen Bodens wird
freilich schon in dem Aufgabenkreis fühlbar, der den Wiener Minia-
toren gestellt worden ist. Wie sich einerseits die geistlichen Stifte
als Auftraggeber neben den weltlichen Bestellern behaupten, so sind
auch bei den für den Hof ausgeführten Arbeiten die sakralen Hand-
schriften weit überwiegend, während im Westen längst die Illustra-
tionen der profanen Geschichts- und Romanwerke die erste Stelle
einnehmen. Es ist bezeichnend, daß der einzige derartige Band, der
Trojanische Krieg von Meister Martin, nur in weiterem Sinne der
österreichischen Buchmalerei zugerechnet werden kann; denn der
Künstler, von dessen Hand er stammt, ist seiner künstlerischen
Abkunft nach ein Westdeutscher und seine Kunst am stärksten
dem neuen, in jenen französischen Ritter- und Liebesromanen
1 Die Chorherren Georg Stockhaymer und Hier. Sitznperger haben seit zirka
1460 eine ganze Anzahl von heute noch erhaltenen Bänden ausgestattet, da in der
zweiten Jahrhunderthälfte mit einer einzigen Ausnahme kein Illuminator beschäftigt
wurde. Siehe Cernik, a. a. O., p. 121.
Abb. 20. Ölberg. Aus dem Antiphonar(Kod.66). Klosterneuburg.
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