126 VI. Griechische Kultstätten
Schatzhaus der Knidier ausgestattet, ein zierlicher ionischer Bau, 307,13
dessen Vorhalle (ähnlich wie im benachbarten siphnischen Schatz- 307,14
haus) Frauengestalten statt der Säulen schmückten. Begegnen wir
schon hier einem Vorläufer der Korenhalle vom athenischen
Erechtheion, so vergegenwärtigt uns der fast vollständig erhaltene
Fries, der das Gebäude an allen vier Seiten umzog (zu ihm ge- 317
hört das oben S. 123 erwähnte Relief mit dem Viergespann), aufs 316
lebhafteste die ionischen Vorbilder des Parthenonfrieses; nur ist
alles noch frischer, lebhafter, naiver als in der maßvollen Kunst
des perikleischen Athen, während die Qiebelgruppe noch eine
große Unbeholfenheit verrät. Der ionische Stil des Schatzhauses
erhielt bald eine wertvolle Ergänzung in der mit einer altertüm-
lichen Sphinx bekrönten Säule der Naxier, die an der Terrassen-
mauer des Tempels, dem sogenannten Pelasgikö, stand. Je spär-
licher unsere Kenntnis der älteren Stadien des ionischen Stils noch
immer ist, desto wichtiger wird ein Stück wie das ebenso mächtige
wie einfache Kapitell dieser Säule; daß aber gerade aus Delphi
solche Förderung unserer Kunde vom ionischen Stil kommen
würde, hatte sich am wenigsten erwarten lassen. Eine andere
delphische Säule stellt eine besonders reiche Entwickelung des
korinthischen Akanthosmotivs dar, noch gehoben durch drei über-
aus zierliche Tänzerinnen, die in der Höhe ihre graziösen Bewe-
gungen ausführen; ein Dreifuß wird das Ganze gekrönt haben.
Steigen wir zu der Tempelterrasse empor, vorbei an der
Basis des platäischen Schlangendreifußes (S. 83) und an dem 307,35
turmartigen Unterbau des Denkmals des Siegers von Pydna 307,40
Aemilius Paullus, von dessen Friese schon 1840 einige Stücke
bekannt waren, so harrt unser eine neue Überraschung. Nach
Pausanias durften wir erwarten, den Tempel zu finden, der, in
der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts erbaut, am Ende jener
Zeit durch die aus Athen vertriebenen Alkmeoniden mit einer
marmornen Fassade geschmückt, dessen Giebelfelder im 5. Jahr-
hundert von Schülern des Kaiamis mit Gruppen versehen worden
waren, dessen Metopenschmuck uns Euripides schildert. Wäre
dieser Tempel in ähnlicher Erhaltung wie der olympische Zeus-
tempel gefunden worden, welche Aufschlüsse hätte er gegeben!
Schatzhaus der Knidier ausgestattet, ein zierlicher ionischer Bau, 307,13
dessen Vorhalle (ähnlich wie im benachbarten siphnischen Schatz- 307,14
haus) Frauengestalten statt der Säulen schmückten. Begegnen wir
schon hier einem Vorläufer der Korenhalle vom athenischen
Erechtheion, so vergegenwärtigt uns der fast vollständig erhaltene
Fries, der das Gebäude an allen vier Seiten umzog (zu ihm ge- 317
hört das oben S. 123 erwähnte Relief mit dem Viergespann), aufs 316
lebhafteste die ionischen Vorbilder des Parthenonfrieses; nur ist
alles noch frischer, lebhafter, naiver als in der maßvollen Kunst
des perikleischen Athen, während die Qiebelgruppe noch eine
große Unbeholfenheit verrät. Der ionische Stil des Schatzhauses
erhielt bald eine wertvolle Ergänzung in der mit einer altertüm-
lichen Sphinx bekrönten Säule der Naxier, die an der Terrassen-
mauer des Tempels, dem sogenannten Pelasgikö, stand. Je spär-
licher unsere Kenntnis der älteren Stadien des ionischen Stils noch
immer ist, desto wichtiger wird ein Stück wie das ebenso mächtige
wie einfache Kapitell dieser Säule; daß aber gerade aus Delphi
solche Förderung unserer Kunde vom ionischen Stil kommen
würde, hatte sich am wenigsten erwarten lassen. Eine andere
delphische Säule stellt eine besonders reiche Entwickelung des
korinthischen Akanthosmotivs dar, noch gehoben durch drei über-
aus zierliche Tänzerinnen, die in der Höhe ihre graziösen Bewe-
gungen ausführen; ein Dreifuß wird das Ganze gekrönt haben.
Steigen wir zu der Tempelterrasse empor, vorbei an der
Basis des platäischen Schlangendreifußes (S. 83) und an dem 307,35
turmartigen Unterbau des Denkmals des Siegers von Pydna 307,40
Aemilius Paullus, von dessen Friese schon 1840 einige Stücke
bekannt waren, so harrt unser eine neue Überraschung. Nach
Pausanias durften wir erwarten, den Tempel zu finden, der, in
der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts erbaut, am Ende jener
Zeit durch die aus Athen vertriebenen Alkmeoniden mit einer
marmornen Fassade geschmückt, dessen Giebelfelder im 5. Jahr-
hundert von Schülern des Kaiamis mit Gruppen versehen worden
waren, dessen Metopenschmuck uns Euripides schildert. Wäre
dieser Tempel in ähnlicher Erhaltung wie der olympische Zeus-
tempel gefunden worden, welche Aufschlüsse hätte er gegeben!