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Michaelis, Adolf
Die archaeologischen Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.881#0180
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Regelrechte und naturalistische Stadtanlagen 171

Herculanertor mit der berühmten Gräberstraße eine leichte Ver-
schiebung der normalen Rechtecke bedingte.

Ganz anders erscheinen die Dinge in Pergamon. Die be-
deutende Höhe der Burg und die Steilheit des zu ihr sich em-
porziehenden breiten Bergrückens, den die Stadt des Eumenes
bedeckte, haben hier (ähnlich wie in Delphi, S. 124 ff.) zu einer in
teilweise scharfen Windungen ansteigenden Hauptstraße genötigt.
Diese Hauptstraße ist die Lebensader der ganzen Anlage gewesen.
Wie weit die Stadt zu ihren Seiten in Terrassen gegliedert war,
wie weit hier das System rechtwinkliger Straßeninseln herrschte,
das läßt sich einstweilen noch nicht sagen; man wird sich kaum
verwundern, wenn hier dereinst größere Unregelmäßigkeit zutage
treten sollte. Im oberen Teil, nahe der Burg und in ihrem Innern,
gliedert sich freilich die Anlage notgedrungen in hoch überein-
ander aufsteigenden Terrassen, diese aber weisen keine starre Regel-
mäßigkeit auf, sondern schmiegen sich bald den Biegungen der
Hauptstraße, bald der natürlichen Beschaffenheit des Felsbodens
an. So steht die Residenz der Attaliden in scharfem Gegensatze
zu jenen »hippodamischen« Städten, auch beispielsweise zu Ha-
likarhass, der Residenzstadt der karischen Herrscher, wo der kreis-
förmige Hafen gleichsam als Orchestra den Mittelpunkt der rings
theaterförmig ansteigenden Stadt mit breiten Hauptstraßen bildete.
In einem Punkte freilich glich auch Pergamon allen den nicht
in der Ebene gelegenen Städten: Terrassenmauern von teilweise
bedeutender Höhe waren auch hier unentbehrlich, ja die über
200 Meter lange mehrstöckige Aufmauerung unterhalb der Theater-
terrasse ist ein bedeutendes Werk, das anscheinend für andre
kleinasiatische Städte als Vorbild gedient hat (S. 148).

Fast scheint es, daß die Lockerung der strengen hippoda-
mischen Regel (am pedantischsten ward sie in dem ganz eben
gelegenen Nikäa, der Hauptstadt Bithyniens, streng auch im syri-
schen Antiocheia durchgeführt) später allgemeiner geworden sei.
Wenigstens zeigen sowohl Delos, wie die meist römischen Städte
Lykiens, Pamphyliens, Pisidiens ein weit engeres Anlehnen an
die natürliche Bodenbeschaffenheit; eben dieses rief in Hierapolis
die regelmäßige Anlage hervor.
 
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