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112 Jürgen Miethke

Vor dem Kriege baue sieb Maschke, aus einer Berliner Arztfamilie stammend,
1900 geboren, 1928 in Königsberg promoviert, ein Jahr später ebendort habilitiert,
mit Fragen der noch- und spätmittelalterUcben Geschichte, vor allem mit dem da-
mals aktuellen und auch politisch sensiblen Thema des Deutschen Ordens und der
Landesgeschichte im osteuropäischen Grenzraum zwischen Deutschland und sei-
nem polnischen Nachbarn beschäftigt. Seine Arbeiten behalten auch beute, ihren
deutlichen Zeitbezügen zum Trotz, unbestreitbar hohen Wert73 Die Heidelberger
Fakultät hatte Erich Maschke 1935 bei ihrer zweiten Liste für die Nachfolge
Hampes bereits in Erwägung gezogen.74 Nach Stationen in Jena (wo er 1936 Ordi-
narius geworden war) und Leipzig (seit 1942) war er nach dem Zusammenbruch
ohne besonderen aktuellen Grund im Oktober 1945 in Leipzig von der russischen
Besatzungsmacht verhaftet und, zu 10 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, in die So-
wjetunion gebracht worden. Erst 1953 konnte er, nach verschiedenen Vermitt-
lungsversuchen, um die sich Gerhard Ritter u.a. auch bei dem Berliner Bischof
Otto Dibelius bemühte75, in die Bundesrepublik zurückkehren.

Künftig hat Erich Maschke sich dezidiert von der politischen Geschichte abge-
kehrt und der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte zugewandt, zunächst beschäftigt
mit einer Auftragsarbeit, einer (dann nicht vollendeten) Geschichte der Stadt
Speyer, dann daneben (seit 1954) auf initiative von Fritz Ernst auf der schmalen
Basis eines besoldeten Lehrauftrags am Historischen Seminar in Heidelberg (der
freilich in diesem Rahmen keine „Aufstockung" erfahren sollte) und schließlich
seit 1956 als Ordinarius für Wirtschaftsgeschichte am Alfred-Weber-Institut in
Heidelberg. Die mittelalterliche Sozialgeschichte, die freilich nicht sein einziges
Betätigungsfeld geblieben ist,70 verdankt ihm hochwichtige Anstöße, ja die Öff-
nung eines ganzen Forschungsbereichs: die soziale Schichtung der mittelalterlichen
Stadt hat er, wie kein anderer, in den Blick genommen und seine Forschungen da-
bei insbesondere den Armen, Unselbständigen, den Leuten des Gesindes und der
Unterschichten gewidmet, ohne die Reichen und Mächtigen aus den Augen zu ver-
lieren. Auch die konkreten Sozialformen, insbesondere die Familienstrukturen der
mittelalterlichen Stadt, haben ihn noch zuletzt intensiv beschäftigt.77 Maschke hatte
den Umbruch, der ihn persönlich so hart betraf, zu einem wissenschaftlichen Para-

73 Vgl. jetzt die Sammlung: Erich Maschke, Domus hospitalis Theutonicorum, Europäische
Verbindungslinien der Deutschordensgeschichte, Gesammelte Aufsätze aus den Jahren
1931-1963 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 10) Bonn/Bad
Godesberg 1970.

74 vgl. oben Anm. 18.

75 Schulze, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 26) S. 27.

76 Außer der Geschichte der Kartelle in der Neuzeit ist hier insbesondere die Herausgabe
(zusammen mit Theodor Schieder) des mehrbändigen Werkes „Zur Geschichte der deut-
schen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs" (erschienen 1962-1974) zu nennen, zu
dem Maschke außer seinem organisatorischen Einsatz auch umfangreiche Einleitungen
beisteuerte.

77 Aufsatzsammlung: Städte und Menschen (wie Anm. 72). Eine Bibliographie (bis 1974)
stellte zusammen Kuno Drollinger, Verzeichnis der Veröffentlichungen von E.M., in: Aus
Stadt- und Wirtschaftsgeschichte Süd Westdeutschlands, Festschrift für Erich Maschke
zum 75. Geb. (Veröff. der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Würt-
temberg, B 85) Stuttgart 1975, S. 281-290.
 
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