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Nationalmuseum.

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TJeber die ganze Gattung dieser .Jüng-
lingsfiguren und die stets wiederkehrende
Frage, ob Gott oder Sterblioher, Tgl. die Be-
merkungen zu der Hauptfigur des nächsten
Saales, dem sog. „Hermes von Andros".

Auch der künstlerische Werth der Figur
wird sich am besten im Vergleich mit der
genannten Statue beurtheilen lassen, zu der
wir gleich tibergehen.

Saal II.

Saal der Uraburnen.

In der Mitte der

1) '„Hermes von Andros", im Jahre
1833 zusammen mit der rechts daneben
(an der Wand) stehenden weiblichen
Figur in der Nähe eines Grabes ge
fanden. Beide aus parischem Mar-
mor. Die Unterschenkel des Jüng-
lings sind aus Oyps ergänzt.

Unter den Marmorstatuen derathe
nischen Sammlungen nimmt diese bis
heute der Erhaltung und dem künst-
lerischen Werthe nach die erste Stelle
ein. Das Motiv entspricht vollkom-
men genau dem des „Hermes" oder
„Antinoos" vom Belvedere im Vatiean;
daran schliessen sich noch mehrere
Wiederholungen, unter denen unsere
Statue der hervorragendste Repräsen-
tant der ganzen Gruppe ist. — In
diesem Falle dürfen wir wegen des
heroischen Attributes, der Schlange,
und wegen des Fundortes mit grösserer
Sicherheit den heroisirten Verstorbe-
nen erkennen, nicht Hermes, nach
dessen Ideal er freilich geformt ist.
(Unter den archaischen Werken be-
steht dasselbe Wechselverhältniss zwi-
schen dem Sterblichen und Apollo.)
Einen anderen ebenso verbreiteten
Typus vertritt die vorgenannte Statue
des „Hermes von Atalanti".

Die Behandlung der Körperformen
weist alle Vorzüge der griechischen
Kunstblüthe auf, namentlich die wei-
chen, wohl vermittelten, „auf den Mar-
mor berechneten" Uebergänge bei
maassvoller Unterordnung alles De-
tails. Die Figur aus Atalanti z.B. zeigt
alle Theile weit stärker entwickelt,
derber und selbstständiger und lässt
daher weniger zum Genuss des Gan-
zen kommen. Auch das Gesicht geht

ins Breite; die Augen liegen flach
trotz der kräftig prononcirten Stirn-
bildung, während die Statue von An-
dros leise geschwellte Rundungen
zeigt und namentlich der Blick durch
die zurücktretenden und wieder durch
scharfe Ränder hervorgehobenen Au-
gen eine Tiefe des Ausdruckes ge-
winnt, wie wir sie auch sonst an
Werken der zweiten Attischen Schule,
namentlich am Hermes des Praxiteles
bewundern. Auf Werke derselben
Schule, wenn nicht desselben Meisters,
werden auch die Anregungen zurück-
zuführen sein, denen diese Serie ihren
Ursprung verdankt.

2) Weibliche Statue (rechts von
Nr. 1 und ebendaher). Der Kopf
war besonders eingesetzt. Die rechte
Hand war nach dem Fundbericht vor-
handen und scheint verloren gegangen
zu sein. Die Arbeit ist in ihrer Art
nicht weniger vorzüglich. Die ver-
schiedene Natur der Stoffe, welche
Ober- und Untergewand bilden, die
Abwägung von Licht- und Schatten-
partieen zeigen feine Berechnung.
Die verhüllende Gewandtracht und
die gleiche Armhaltung wiederholt
sich bei zahlreichen griechischen wie
römischen Frauenstatuen in solenner
Auffassung. Die Riemen der Sanda-
len und wohl noch manches Detail
war der Bemalung überlassen. Zum
Vergleich diene (gegenüber, an cor-
respondirender Stelle) die

3) Grabfigur einer Frau im Hoch-
relief, vom Kirchhof bei der Hagia
Triada. Die Motive sind sehr ähn-
lich, auch ist die Arbeit nicht schlecht,
aber gegen die vorige Statue gehalten
 
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