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Marriage.
3. Mitleid der Vögel.
Wenn alles wissen und alles verzeihen wirklich eins
wären, würde sich das unerschöpfliche Mitleid der Vögel1)
erklären lassen. Vom treulosen Mörder Ulinger (Kuhld. 65),
von der Mutter die der eignen Tochter flucht (Kuhld. 248),
vom Brautmörder, heißt es „eim dich wird Niemand traurich
sayn sonder di klaene Waldvegerlain.“ (Kuhld. 68, vgl. Lh. 1139.)
Sie trösten das verlassene Mädchen:
Mich brnt treaschtn ol de Wegelain,
Lai bele im baude ume wliechn tuent.“
(Gottschee 323.)
Vgl. Nun singt ihr lieben Vögelein!
Ihr sollt allzeit mein Tröster sein.
(Lh. I 614, vgl. Oesterr. Schles. 242.)
Kir äm, kir äm, schwuarz fijeleinj!
Wiesch mer uof de treue meinj. (Sieb. Sachs. 22.)
Wenn sie nicht trösten können, trauern sie mit:
Da saß ein schönes Turteltäubchen
Wohlvergnügt auf einem grünen Ast,
Und da fängt es traurig an zu grucksen,
Weil mein Schatz mich ja verlassen hat. (Mosel 107.)
Bei der Kreuzigung Christi ließen die Vögel das singen
sein. (Nassau 30.) Der Bruder eines verführten Mädchens er-
schlägt den Verführer und wird danach rechtmäßig verurteilt;
für den Erschlagenen wird feierlich geläutet, für den Bruder
aber nicht:
Dem Hammerschmied läuten die Glöckelein,
Dem Bruder singen die Waldvögelein. (Lh. I 178—9.)
Vgl. Wer wird mir denn mein Groblied singen?
Die Drustel und das Amselmann 1. (Böhmen 103.)
Oder wie es sonst heißt „die Drustel und die Nachtigall“.
Krau Nachtigall hegt immer eine freundliche Gesinnung
den Menschen gegenüber, ob in Leid oder Freud:
Und als ich kam über Berg und Thal,
Da sang eine schöne Nachtigall;
Sie sang so hübsch, sie sang so fein,
Sie sang, ich sollt ihr Liebling sein. (Oberhessen 9,
vgl. Rhein Nr. 69, Franken 99.)
’) Vgl. Uhland Schriften 111 87, Wackernagel ercea S. 14.
Marriage.
3. Mitleid der Vögel.
Wenn alles wissen und alles verzeihen wirklich eins
wären, würde sich das unerschöpfliche Mitleid der Vögel1)
erklären lassen. Vom treulosen Mörder Ulinger (Kuhld. 65),
von der Mutter die der eignen Tochter flucht (Kuhld. 248),
vom Brautmörder, heißt es „eim dich wird Niemand traurich
sayn sonder di klaene Waldvegerlain.“ (Kuhld. 68, vgl. Lh. 1139.)
Sie trösten das verlassene Mädchen:
Mich brnt treaschtn ol de Wegelain,
Lai bele im baude ume wliechn tuent.“
(Gottschee 323.)
Vgl. Nun singt ihr lieben Vögelein!
Ihr sollt allzeit mein Tröster sein.
(Lh. I 614, vgl. Oesterr. Schles. 242.)
Kir äm, kir äm, schwuarz fijeleinj!
Wiesch mer uof de treue meinj. (Sieb. Sachs. 22.)
Wenn sie nicht trösten können, trauern sie mit:
Da saß ein schönes Turteltäubchen
Wohlvergnügt auf einem grünen Ast,
Und da fängt es traurig an zu grucksen,
Weil mein Schatz mich ja verlassen hat. (Mosel 107.)
Bei der Kreuzigung Christi ließen die Vögel das singen
sein. (Nassau 30.) Der Bruder eines verführten Mädchens er-
schlägt den Verführer und wird danach rechtmäßig verurteilt;
für den Erschlagenen wird feierlich geläutet, für den Bruder
aber nicht:
Dem Hammerschmied läuten die Glöckelein,
Dem Bruder singen die Waldvögelein. (Lh. I 178—9.)
Vgl. Wer wird mir denn mein Groblied singen?
Die Drustel und das Amselmann 1. (Böhmen 103.)
Oder wie es sonst heißt „die Drustel und die Nachtigall“.
Krau Nachtigall hegt immer eine freundliche Gesinnung
den Menschen gegenüber, ob in Leid oder Freud:
Und als ich kam über Berg und Thal,
Da sang eine schöne Nachtigall;
Sie sang so hübsch, sie sang so fein,
Sie sang, ich sollt ihr Liebling sein. (Oberhessen 9,
vgl. Rhein Nr. 69, Franken 99.)
’) Vgl. Uhland Schriften 111 87, Wackernagel ercea S. 14.