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Minst, Karl Josef [Transl.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0175
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169

König schon reiferen Alters sei und daher wohl einen Anspruch auf eigene Entschlußfrei-
heit habe und über die Regierung des Reiches nicht mehr ausschließlich nach fremdem
sondern auch nach eigenem Gutdünken verfügen könne. Durch solche gleißnerische Über-
redungskünste gelang es ihm nach und nach, den König für sich zu gewinnen. Und nun
öffnete sich unverhüllt der unersättliche Schlund seiner Habsucht und schon bald hatte er
unter dem Vorwand einer Belohnung für seine Treue und Ergebenheit gegen den König
zwei Reichsabteien erschlichen, nämlich die von Lorsch und Corvey. Um aber bei den
übrigen Reichsfürsten keinen Neid zu erwecken, veranlaßte er auch königliche Schenkun-
gen an diese. So erhielt der Erzbischof Anno von Köln die Abteien Inda (Kornelimünster
am Münsterbach bei Aachen, gegründet vom Hl. Benedikt von Aniane 815, seit 974 reichs-
unmittelbares Königskloster), Malmundarium (Malmedy an der Warche südl. Aachen,
gegründet vom Hl. Remaclus vor 675, reichsunmittelbar, mit der Abtei Stablo unter dem
gleichen Fürstabt stehend) und Filike (Abtei Vilich gegenüber Bonn); Erzbischof Sigfrid
(I.) von Mainz erhielt die Abtei Seligenstat (Seligenstadt am Main, gegründet um 834
von Einhard), Herzog Otto von Bayern Altaha (Altaich, heute Ober- und Nieder-Alteich
a. d. Donau in Niederbayern), Herzog Rudolf von Schwaben Kembeten (gebürstete Abtei
Kempten a. d. Hier in Bayern, gegründet 773 von Hildegard, der vierten Gemahlin
Karls d.Gr.). Nachdem die Fürsten auf diese Weise zufriedengestellt waren, konnte Adal-
bert sich seinen eigenen begonnenen Unternehmungen zuwenden. Damit er das Kloster
Corvey ganz plötzlich als erledigt an sich ziehen könne, gab er vor, daß der Bischof der
italischen Stadt Pola (IStrien) gestorben sei und erhob nun unter dem Vorwand einer
besonderen Ehrung den Abt von Corvey zu dessen Nachfolger. Diese List wurde ruchbar
und zog dem Bremer Erzbischof allgemeinen Haß zu. Durch die Treue und Unterstützung
des Herzogs Otto wurde, aller immer wieder aufs neue unternommenen Versuche des
Bischofs ungeachtet, Freiheit und Würde sowohl des Abtes als auch des Klosters von
Corvey unversehrt erhalten. Schwankend zwischen Furcht und Hoffnung verheimlichte
er lange den geplanten Vorstoß gegen Lorsch, wohl wissend, daß der Zorn aller Fürsten
diesem Unternehmen drohe. Eine günstige Gelegenheit fand sich. Der König feierte in
Worms das Osterfest und Adalbert unternahm mit ihm, wie im Vorbeigehen, einen Aus-
flug nach Lorsch (20. März 1065). Von Abt und Konvent wurde der König feierlich
empfangen. Man zog ihm vollzählig mit Palmzweigen und hergebrachten Ehrungen ent-
gegen. Der Bischof zog den Abt in eine vertrauliche Unterredung und nach vielerlei Be-
sprechungen über die verschiedensten Angelegenheiten versprach der Erzbischof dem Abte,
daß er in ihm einen stets verläßlichen und über jeden Zweifel erhabenen Freund habe,
der die Geschäfte seines Klosters wahrnehme und dem König unterbreiten werde. Als
Gleicher unter Gleichen antwortete ihm der Abt, daß er willens sei, Pflicht und Gehorsam
in Einklang zu bringen. Um nichts unversucht zu lassen, veranlaßte der Bischof auf
schlaue Weise einen Juden, besser gesagt einen Judas, welcher des Bischofs Geldbeutel
führte, für die Absichten seines Herrn tätig zu sein. Adalbert empfahl ihn, angeblich in
königlichem Auftrag, dem Abt aufs wärmste. Aber der Jude begann nun in echt jüdischer
Eigenart alles Mögliche auszuforschen, was ihn nichts anging. Er nahm sich einzelne
Ordensbrüder vor, besonders jüngere, dann wieder solche, die als bevorzugte Ratgeber
des Abtes bekannt waren. Er wollte wissen, wie es mit der Eintracht zwischen Abt und
Konvent stehe, mit der Verwaltung, der Beachtung der Ordensregel. Der Stand des
Klostervermögens, die Zahl der Mönche, die Betriebsamkeit des Abtes beziehungsweise
 
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