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Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0187
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181

bert (L, 1111—1137) von Mainz. (Adalberts I. Bruder = Bischof Bruno von Speyer,
1107—1123, dessen Neffe Adalbert IL, 1137—1141 Erzbiscbof von Mainz: ein klassi-
sches Beispiel für die Wechselwirkung Simonie-Nepotismus!) Winther (1077—1088) be-
gann den Stolz seines Adels maßlos zu mißbrauchen. Gleich im Anfang steht ein beson-
ders schmerzvoller Eingriff: Brumat (im Elsaß), ein Dorf, vielmehr einen Fürstenhof, wel-
chen Lorsch königlicher Freigebigkeit verdankt, den wertvollen Kern des Lorscher Kloster-
besitzes und das Gebiet des ganzen von Gott gesegneten umliegenden Landes, gab er sei-
nem genannten Bruder zu Lehen. Und weil die Habsucht weder durch Überfluß noch durch
Mangel vermindert wird, strebte er, durch den bösen Anfang angeregt, nach noch Hö-
herem. Er erschlich (1085) mit bewährter simonistischer Methode das Wormser Bistum,
zum größten Schaden des Lorscher Klosters. Er allerdings begehrte das Bischofsamt nicht
als ein köstlich Werk („Wer ein Bischofsamt begehrt, der begehrt ein köstlich Werk":
1 Tim. 3, 1), aber was er durch Tugend nicht erlangen konnte, das erlangte er anderswie.
Was Humbert von unseres Klosters Kirchenschatz noch übriggelassen hatte, das schöpfte
und beutete nun Winther noch vollends aus. Damit nicht genug, gab er noch Gingen
(Dorf an der Fils in Württemberg), Rumpenheim (bei Offenbach am Main), Langen
(nördl. Darmstadt) und Leutershausen (nÖrdl. Weinheim) als Lehen weg und gewann
damit die Pfalzgrafen für sich. (Der Chronist schreibt mit einem witzig-bitteren Wort-
spiel statt palatini comes = Hofgrafen: palatim canes = Hofhunde; er verzichtet daher
auch auf die richtige Pluralbildung comites.) Im Bestreben, die Eintracht der Mönche zu
stören, versuchte er die Überheblichkeit einer neuen Sekte (der Hirsauer Reformbewe-
gung) einzuführen. Das Vorhaben erwies sich jedoch bald als aussichtslos, da es von allen
(Lorscher) Mönchen einmütig abgelehnt wurde. Nachdem er drei Jahre lang das Bistum
(Worms) innegehabt, entsagte er ihm und gleichzeitig auch der Abtei (Lorsch). Er gab das
Versprechen ab, künftig ohne Ämter zu leben und zog sich unter dem falschen Schein einer
Bekehrung in sein Mutterkloster Hirsau zurück. Bald darauf wurde er jedoch von seinen
Freunden in die Welt zurückgerufen, denn „ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen
Wegen" (Jac. 1, 8) und wiederum: er „sah hinter sich und wurde in eine Salzsäule ver-
wandelt" (Genesis 19, 26). Durch kaiserlichen Erlaß und die unablässigen Bemühungen
der Mönche hatte Winther das Dorf Gingen zurückgewonnen, dasselbe aber schon bald
wieder als Lehen vergeben, auch Shrburc (Schlierbach bei Heidelberg oder Lindenfels,
weniger wahrscheinlich — nach Glöckner — bei Dieburg oder Göppingen) hatte er auf
ungerechte Weise, sogar unter dem Titel einer Schenkung, dem Kloster Lorsch entfremdet.
Abermals legte Winther freiwillig seine beiden Würden nieder und zog sich nach Hirsau
zurück, wo er starb. Ein erbärmlicher Abgang für einen Mann, welcher in seinem Leben
nur zusammengerafft und nichts geleistet hat. Er hat nicht, wie Zachäus (Luc. 19, 8), das
Vierfache erstattet, er hat nicht einmal das Einfache zurückgegeben, er hat das für die
Armen bestimmte Vermögen an die Reichen ausgeteilt. Das Bistum hatte er drei Jahre
(1085—1088), die Abtei elf Jahre (1077—1088) lang inne.

VERMERK 134 c:;")
Über Abt Anselm, Brand und Wiederherstellung der Kirche

Als Winther, wie erzählt, nach Hirsau abging, wurde Anselm (1088—1101, Juni, 25.)
durch einstimmige Wahl seiner Ordensbrüder zum Abte auserkoren. Er war ein Mann wei-

*) Von hier an sind alle Uberschriften erst im 15. Jhdt. nachgetragen.
 
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