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Minst, Karl Josef [Übers.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0203
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ewige Zeiten für das Fest des Hl. Nazarius (12. Juni) ein Fuder Wein und zehn Schil-
ling aus Hausen (Klein- und Groß-Hausen bei Lorsch) sowie einen Malter Käse und
hundert Eier an der Vigil vor Pfingsten. Er regierte unser Kloster dreizehn Jahre lang.
Ihm folgte Gerold.

VERMERK 142 a

Gerold (IL, 1101—1105, Mai, 8.), von dem nicht bekannt ist, ob er aus unserer
Ordensgemeinde stammt oder von auswärts kam, übergab den Herrenhof Stehelin Mesela
(Messel, nordöstl. Darmstadt) in das Eigentumsrecht des Lorscher Küsters. Einen weiteren
gleichnamigen Herrenhof, in dem Abt Anselm zum Schutze des Klosters eine Burg gebaut
hatte, übergab er in die Verfügungsberechtigung des Pförtners. Nach sechs Jahren schied
er aus dem Leben. Nicht durch Wahl unserer Mönche, sondern durch kaiserlichen Erlaß
wurde (1105) der Abt von Gengenbach (unweit Offenburg), ein gewisser Hugo (IL), un-
serer Kirche rasch vorgesetzt und ebenso rasch wieder abgesetzt.

VERMERK 142 b

In jener Zeit entbrannte die häusliche Zwietracht und der grimmige Haß zwischen
Kaiser Heinrich IV., dem Vater, und seinem Sohne Heinrich V. durch eine Verschwörung
der Fürsten. Jedermann begünstigte damals leichten Herzens jene Partei, von der er
irgendeine kirchliche Würde zu erlangen hoffte. Im Kloster Hirsau regierte damals, nach
dem berühmten Vater desselben Wilhelm dem Seligen, Gebhard (von Urach), angesehen
durch seine vornehme Abstammung und seinen lebhaften Geist, besonders bei Hofe ein
gern gesehener Ratgeber. Man betrachtete ihn dort als seinesgleichen, nicht so sehr seiner
Treue als vielmehr seines Ehrgeizes wegen. Durch einen derartigen Rückhalt gesichert,
erwarb er erst die Abtei Lorsch (1105) und dann (1. März 1107) das Bistum Speyer gleich-
sam als kaiserliches Geschenk. Ohne jeden Verzug verschwendete er das Vermögen der
Abtei und begann ihre Söhne, die Mönche, deren Haß gegen ihn ihm natürlich bekannt
war, zu plagen. Unter dem Vorwand der Frömmigkeit führte er nun die Neuerungen der
Hirsauer Regel ein, die unlängst erst aufgekommen waren, und zwar durch eben erst
angekommene bärtige Mönche, die eher Larven als Menschen gleichsahen. Die in unserem
Kloster altgewordenen Mönche traten für die Verteidigung der Gorzer oder Kluniazenser
Ordensregel ein, welche sie, als von altersher überliefert, bewahrt hatten. Sie wurden
aber durch die Hirsauer Partei fast alle aus ihrer angestammten Heimat vertrieben und
in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Das geschah aber deswegen, damit nach Einflickung
eines Lappens von neuem Tuch in ein altes Kleid der Riß noch ärger wurde. (Matth. 9, 16:
Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von neuem Tuch, denn der Lappen reißt
doch wieder vom Kleid und der Riß wird ärger.) Es geschah auch deswegen, damit man
bei uns, nachdem beide Regeln durcheinander gemischt und rettungslos verwirrt wären,
überhaupt keinerlei vollständige Regelbeachtung mehr habe. Wie aber besagte Hirsauer
nach Gebhards Tode aus unserem Kloster flohen und unsere Mönche ehrenvoll zurück-
geholt wurden, werden wir noch erzählen. Gebhard hatte unsere Abtei zwei Jahre lang
inne. Er liegt in Speyer begraben.
 
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