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Minst, Karl Josef [Transl.]
Lorscher Codex: deutsch ; Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Band 1): Chronicon. Urkunden Nrn. 1 - 166, mit Vermerken, welche die Geschichte des Klosters von 764 - 1175 und mit Nachträgen bis 1181 berichten — Lorsch, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.20231#0226
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in seinen Bewegungen als er, niemand war so sehr durch gute Sitten ausgezeichnet wie er,
so mäßig in der Strenge, zurückhaltend im Ernst, hinreißend in der Beredsamkeit, scharf-
sinnig in seinen Ratschlägen, gewandt in Geschäften, vorsorglich in der Verwaltung, ent-
schieden gegen Stolze, ergeben gegen Untergebene — kurz: niemand war in allen Lebens-
lagen umsichtiger als er. Gleich nach seinem Einstand ordnete er die inneren Angelegen-
heiten, sorgte für den Kult und das Wohlergehen der Mönche. Dann, „damit er auch Men-
schenhände unter den Flügeln habe" (Hesekiel 1, 8), wachte er tatkräftig auch über die
äußeren Angelegenheiten, ließ neue Gebäude errichten, alte wiederherstellen und erwei-
tern. Großen Kosten und Arbeiten unterzog er sich für deren Ausschmückung. Auch in der
Landwirtschaft, in der Ernte und in der Lagerung der Vorräte war keiner tätiger, keiner
fleißiger, mit dem Erfolg, daß er in der großen Hungersnot, welche ganz Deutschland
heimsuchte, an allen Gütern Überfluß hatte. Über alle, namentlich aber über Fromme und
Arme, konnte er sein reiches Füllhorn ausgießen. In der Kammerverwaltung und im Haus-
halt war er sparsam und bescheiden, doch zeigte er sich vornehm, freigebig und großzügig,
wenn es sich um feierliche Veranstaltungen, große Empfänge und Besuche von vornehmen
Herren handelte. Dadurch erwarb er sich eine bemerkenswerte Zuneigung auch der höch-
sten Fürsten und selbst des Kaisers und seiner Hofleute verbindliche Gunst und Gnade.
Auch die Pfalzgrafen, denen von allen angeboten wird, boten ihm sehr viel an. Als das
kaiserliche Schwert den Mailänder Aufruhr und die Unbotmäßigkeiten der Langobarden
niederwarf, löste er zweimal durch eine große Summe Geldes die Verpflichtung ab, mit
dem Heerbann seines Klosters am Italien-Feldzug teilzunehmen. Das dritte Mal aber
kämpfte er selber, mannhaft gerüstet, bei der Belagerung von Crema (seit September 1159;
Einnahme der Stadt am 26. Januar 1160), bei der mit gewaltiger Anstrengung und großen
Blutopfern unter den kaiserlichen Adlern sich deutsche Tapferkeit bewährte. Trotzdem
gelang es ihm, diese kostspieligen Notwendigkeiten ohne Schaden für das Kloster, für den
Kirchenschatz oder die Einkünfte durchzuführen. Dann brach ein heftiger Streit aus zwi-
schen dem Kaiser und seinem Bruder Konrad, dem Pfalzgrafen bei Rhein. Heinrich sänf-
tigte den gegenseitigen Haß, wandte mit stolzem Glück das Geschick zum besten, stellte
sich zwischen beide als Unterhändler und Vertrauensmann und diente dem einen als sei-
nem Herrn, dem anderen als seinem Freund. Obwohl unter Waffen stehend mit der feier-
lichen Toga des Friedens bekleidet, spähte er nach zufälligen Auswegen, und da er den
Eifer der Parteien nicht begünstigte, wurde er durch ihn begünstigt. In der Abwicklung
weltlicher Geschäfte war er so scharfsichtig, so überlegt und von einer so großen Erfah-
rung, daß keiner, der unter seiner Botmäßigkeit stand, aufkommende heftige Gemüts-
bewegungen zu befürchten hatte. Falls solche tatsächlich einmal auftauchten, unterdrückte
er sie sofort im Entstehen, immer „das suchend, was des Friedens ist" (Luk. 14, 32). Im
übrigen war er, um wieder von den internen Angelegenheiten zu sprechen, gegen die An-
gehörigen des Klosters und gegen die Propsteien von anhaltendem Fleiß und großem Eifer
erfüllt. So weit es menschliche Schwäche, Schwinden der Frömmigkeit und die Verderbnis
der damaligen Zeit zuließen, beharrte er auf dem augenblicklichen wirtschaftlichen Besitz-
stand seines Klosters und duldete keinerlei Zerfall des Vermögens und der Güter. Wenn es
ihm von gewisser Seite zum Vorwurf gemacht wird, wenn man ihn damit brandmarken
will, daß er manche Güter der Verfügung bestimmter Personen entzog und sie in seine
eigene Verwaltung überführte, so ist bei einigem guten Willen ohne weiteres zu erkennen,
daß solches nicht aus Ehrgeiz oder aus schnöder Gewinnsucht geschah. Es kam ihm darauf
 
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