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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Einleitung.

Einzelne gut, andere geringer erhaltene zeigen wieder außerordentliche Unterschiede in der Aus-
führung. Die Vorderseite der Figur wird in eine Brühe von weißem Stuck eingetaucht, oder bald
ganz fein, bei anderen mehrere Millimeter dick aufgetragen, so daß er die nackten Formen des
Reliefs verhüllt. So dienen die kleinen Relieferhebungen an der Oberfläche oft nur als schwach
sichtbare Unterlage; nicht wenige Töpfer haben sich deswegen die Herausarbeitung aller Details
in der Form gespart; denn diese wurden leicht in Farben ergänzt. (Darum ist es oft schwer, wo
die Farben verloren sind, Tracht und Attribute einer Figur sich einwandfrei zu vervollständigen.)
Ägyptische Reliefs der römischen Zeit, die ehemals bemalt gewesen sind, zeigen das gleiche
Verfahren12): Ein dünner Stucküberzug gleicht Unebenheiten des unempfänglichen Materials aus,
ohne das Relief zu planieren. Um so wirkungsvoller mußten die gut aufgesetzten Farben
das Bild aus dem Grund treten lassen. Der Stuck war nur Bindemittel; bei diesen Großreliefs lag
demnach das Verlangen vor, das Dargestellte körperlich zu geben, die Einebnung zu vermeiden.
In altägyptischer Kunst gibt es wohl Beispiele, wo schlechtes Material durch Stuck zur
Flächenbemalung bereitet ward. Aber im allgemeinen setzt man die Farben direkt auf
den Grund. Ist darum die neue Übung griechischer Handwerksgewohnheit entnommen?

Stil.
Es bleiben noch einige Worte über den Stil der Figürchen. Denn hinter all den Unbeholfen-
heiten verbirgt sich ein, wenn auch beeinflußter, Wille zur Gestaltung. Solche, die rein griechische
Motive zur Darstellung bringen, geben sich als Anhänger eines klassischen Stils; sie besitzen ein
beträchtliches Wissen von ihm und eine lebendige Überlieferung seiner Errungenschaften. Man
kennt alle Proportionen, Verschiebungen, Verkürzungen, alle Relieftiefen, man strebt nach natur-
hafter Klarheit des Umrisses, Reinheit der plastischen Form, Schönlebendigkeit des Gesamtbildes.
Man hat die ehrliche Absicht, den Wohlklang zwischen innen und außen zu treffen1).
Eine andere Gruppe: Der klassisch gewordene ägyptische Stil herrscht vor2); die harte, geo-
metrische Form, die Loslösung von der Natur und Gebundenheit an uralte Seh- und Darstellungs-
prinzipien; dazwischen drängen neue Elemente sich ein: die Rundung der Glieder, Gruppengliede-
rung, die Lockerung der Frontalität. Das ist keine lebendige Kunst mehr, hier wird auf fremder

12) Weißer Überzug herrscht 353, 354, 366 nach griechischem Vorbild, Pottier, les statuettes de terre cuite 288 f.,
vor. (Doch ist auch 198 bemalt gewesen.) Gelegentlich kommt auch Deckfarbenauftrag auf den Grund vor. (Chronologische
Indizien ergibt das alles bisher nicht.) Unterschiede: Das ganz rohe 111 (wie nutzlos die Nacharbeitung!) 117, 133, 219, 241,
242, 414, die viel besseren 123, 153, 168; sehr dünn bei 200 ff.; waren sie so geschmacklos, 325, 328, 360 zu bemalen? — Das
Eintunken ergibt sich daraus, daß zuweilen noch innen Stuckreste erhalten sind (oft nur, wie vom vorzeitigen Umkippen,
bis zu bestimmter Höhe). — Verlust der Farbe führt zur Unklarheit: z. Β. 1—6, Szepter bei 7, Kopfschmuck bei 79, 81,
(Arm bei 83 ff. ?), Attribut 1. bei 175, der Schmuck und die Schamhaare, Säulengliederung bei 198 ; fehlte die Bemalung von 200 ff.,
so wäre von dem Täniengehänge nichts bekannt, usw. — Petrie, Athribis, S. 5, v. Bissing-Bruckmann, Text zu Tafel 119,
haben auf die Tatsache aufmerksam gemacht, daß Reliefs mit Stuck zur Bemalung überzogen sind, letztere mit ausdrück-
lichem Hinweis auf unsere Terrakotten. Das läßt sich zunächst nur denken bei Material, das für die Deckfarbe zu ungleich
war, also der Unterlage bedurfte. Ist das sehr häufig? Von da müßte es übertragen sein. Parallelen für die griechische Zeit
wären etwa die Stuckmumienhüllen, deren Reliefs bemalt sind; so könnte man sich die Reliefauflage auf der Mumienhülle des
Osiris (unten Abb. 25 nach der Analogie der Terrakotten 1—6 und der Mumienausrüstung denken. Auf Kalksteinreliefs, deren
Fläche geglättet ist, ist es mir öfter begegnet, z. B. Berlin 8820, 12659 (Röm. Z.). Auf neuen Reliefs, Berlin 20840 (Kalkstein),
20917 (Sandstein) ebenso mit Farbauftrag über dem Stuck wie unsere Terr.
1) Ich erinnere an 360, das vor den andern als Beweis für das Gesagte genügt, zumal es klarer als alle anderen die Ab-
sicht seines Schöpfers zeigt, der es vorzeitig verwarf!
2) Vgl. 27 ff., 41 ff, 151, 214, usw. Diese imitierende Kunst ist durch die Tempelschulen der ägyptischen Götter in die
Römische Welt hinausgetragen worden und hat draußen ihre eigene Entwicklung durchgemacht. Darüber an anderer Stelle.
 
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