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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Schlangengöttin.

Grundvorstellung ist also die Schlange. Sie ist weniger oder mehr vermenschlicht; dann
auch ägyptisiert oder hellenisiert, je nach der gläubigen Gruppe. Suchen wir einen allgemeinen
Begriff, der die ganze Reihe dieser Erscheinungsformen aufnehmen kann und setzen wir an seine
äußerste griechische Seite einmal die sog. Ägyptus mit der Schlange, welche die ankommende Io
begrüßt oder die Darstellung der Demeter mit Schlangenleib, Schlange und Ähren in den Händen15),
an seine äußerste ägyptische Seite aber die vorhin genannte ägyptische Göttin mit Schlangen-
kopf, oder eine Schlange mit der Krone, die im Tempel, oder eine mit Frauenkopf und Krone,
die im Götterzug hinter Isis erscheint und Rnnt16) heißt, so ergibt sich eine Göttin der Frucht-
barkeit, des Erdreichs, der Toten: es scheint als Name uns nur Rnnt, d. i. Herrin, zu bleiben,
die griechisch „Thermuthis" umschrieben ist. Bis in späte Zeit besaß sie sehr viel Anhang17).
Ein Monat, ein Bezirk der Stadt Arsinoe, Männer und Frauen, eine σύνοδος tragen z. B. den
Namen nach dieser Göttin18), die im ganzen Volk Verehrung genoß, an keinen bestimmten
Ort gebunden war. In ihre Gestalt konnten also andere Göttinnen eingehen, Isis19), Hathor
(Anm. 7), Hekate20), Demeter, die Totengöttin. Wieder tritt stark das agrarische Element
hervor. Wenn die Spenderin der Fülle der Ernte Ähren trägt, berührt sie sich darin nicht mit
der Ähren tragenden großen παρθένος (S. 20)? Steigt im Herbst die Ähre am Himmel herauf,
spürt Isis Leben und hängt das Schutzbildchen um (S. 34, Anm. 4); nach der Frühlingsnacht-
gleiche feiern die Ägypter die Tage ihres Kindbetts: das ist die Zeit des Frühuntergangs der
Ähre, der Monat Pharmuthi, die Zeit der Ernte. Die παρθένος, die selbst άνασσα ist, muß
auch hier wesenseins mit ihr sein.
Und noch eins: Die Schlangengöttin ist einem Gemahl gesellt, der als Herr beider Ägypten
die Doppelkrone trägt und dessen Namen wir kennen: Άγαθοδαίμων. Sie hat auch ein Kind:
„Harpokrates". Das veranschaulichen unsere Terrakotten 48 und 50 (Taf. 4), und sie stützen
viele Denkmäler21). Es erscheint demnach eine Schlangendyas, deren Kind menschlich vor-

15) Dattari XI, 845. Sie trägt den Kalathos, das Demetergewand, unten Schlangenleib mit Ähren, r. Hand, seitlich
ausgestreckt, Schlange, 1. Ähren.

16) Die erstgenannte bei Erman, Ägypten 278, hier Abb. 20, die andere im Osiriszimmer auf dem Dach des Tempels
von Philae (Abb. 21).

17) „Die Herrin der Erntezeit oder Ernte", Isis-Renenet in Iseum verehrt, s. Brugsch, Ägypt. 451. Anders Roeder,
Äg. Zeitschr. 46, 71. Drexler, Isis p. 533ff., vor allem Spiegelberg, Äg. und griech. Eigennamen 12*, 13*, 203, 204, S. 30ff.

18) Der Monat Φαρμονθι ist der, in dem die Ernte stattfand; άμφοδος Έρμουθιακή: P. Fior. I, S. 49, 3; vgl. Wessely, Arsinoe

p. 26, 27. Jouguet, P. Thead. 6, 2. — Frauen: z. B. P. Oxy. I. 115, 7.
P. Fior. I, 14, 3. Vgl. auch Plinius ad Trai. V. Mann: Heliodor, Aethiop.


Abb. 20.

I 30, 31; II 11, 20. Wichtig P. Lond. III S. 142 Ν. 1132b Z. 3:
Θερενονθι . σύνοδος: Bull. Soc. Alex. 4 p. 99 n. 73. Epiphanius, adv.
haeres. III 1055, nennt die Tochter des Pharao, die den Moses gerettet
hat, Thermuthis. Er erwähnt aber auch die Göttin einmal (p. 1093):
άλλοι δε την Τιθραμβώ Έκάτην ερμηνενομένην, έτεροι τής Ένεφθν (?), άλλρι δε
τή θερμούθι τελίσκονται, άλλοι δ'ε τή "Ισιδι. Auch hier sind also Thermuthis,


Isis, Hekate drei verschiedene Frauen.- Vielleicht müßten wir darum 33, 34 Τιθραμβώ nennen, die
noch nicht identifiziert ist.
19) Zufällig hören wir aber einmal, daß Isis als "Οφις verehrt wird; προφήτης"1σιδ(ος)"θφεω{ς), Amh.
Pap. II 128, 56 (Eschmundn). Berlin 7740: „Isis als Schlange mit Menschenkopf" ist nicht gesichert.
20) Auch das Sternbild der Jungfrau wird als Hekate gedeutet, Boll, Sphaera 439, 1; 513, 5.
21) Die Münzen, die am wenigsten Zufälligkeiten erwarten lassen, zeigen sie allein (Anm. 12,
13) die Schlange mit der Frauenkrone zusammen mit Agathodaimon, dessen Name durch die Auf-
schrift (Dattari 265—9, 3.—6. Jahr Neros des νέος αγαθός δαίμων, Abb. 22) gesichert ist. Viele Beispiele von

Abb. 21.

Caligula bis Gallienus, Dattari, Index. (Der Versuch, die Gründe für ihr Erscheinen zu finden, ist
mir außer bei den Neronischen mißlungen. Aber in der gleichen Richtung muß die Lösung liegen). Agathodaimon und
die Schlangengöttin auch sonst vielfach, z. B. Terrakotte unten Taf. IV, wo zwischen den beiden „Harpokrates" sitzt.
Ebenso in vielen Freifiguren und Reliefs, z. B. Drexler, Isis S. 534 ff. Berlin 20004, an der Rückseite des Isisthrons,
s. oben Abb. 4; 5 Exemplare in Alexandrien; Edgar, Greek sculpt., pl. XXIV, 27528, einmal zwischen beiden der Krug;
so auch Berlin 8164, Erman, Religion2, 247, Fig. 143; vgl. auch Capart, Rec. de mon. Eg., pl. XCVIII [Louvre]; das
 
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