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Zirkustypen.
ist es da zuviel gefordert, wenn wir den Gestrengen für den Starter1), die Uhr neben ihm
für die Kontrolluhr bei den Rennen halten?
2. Das Fläschchen mit den Henkeln, 333, ist sorgfältig ausgeführt. Der kupferbraune Firnis,
die sorgsame Nachritzung des ganzen Contours, die frische Form und der modellierende Stil
lassen als zeitlichen Ansatz die frühe Kaiserzeit zu2).
Es ist ein Jockey3) von fast knabenhaften Formen dargestellt, der eben seinen Sieg meldet.
Noch trägt er die Peitsche; aber bereits schmückt seine kokett nach dem Vorbild des dem
Schauplatz seiner Taten nachbarlichen Stadtgottes Sarapis gelockte Frisur4) der Siegerkranz,
und der Gestus seiner Hand verkündet mit „εκατόν" seinen Sieg5). Die Tracht der Reiter und
Fahrer ist gleich; photographisch getreu werden hier die Knieschützer, der Gürtel, vor allem
das auf dem nackten 1. Oberarm eintätowierte Kränzchen kopiert. — Man könnte in dem
Knirps einen Eros dargestellt sehen, aber wozu? Sind nicht auch unsere Jockeys knabenhaft
klein, zierlich und leicht bei voll ausgewachsenen Formen?
334 und 335 zeigen den Rennfahrer — man weiß nicht recht, ob sie die Hand erheben,
um mit mächtigem Schlag die rasenden Rosse anzutreiben, oder ob es ihre letzte, die Sieger-
runde ist, und die Hand dem staunenden Volk schon den Sieg anzeigt.
3. 336 und 337 sind nicht ganz sicher zu deuten6). Wer ist der Reiter, der über den zu-
sammengebrochenen hinwegsetzt. Das Schema des siegreichen Königs, Kaisers, Gotts, der den
Feind niederreitet, ist die formale Grundlage gewesen7). Aber ist das ein Herrscher, ein Feld-
herr8)? Wie klein ist der Mann! Und welcher Feldherr trägt eine Kappe? Diese ist bei unseren
Reitern und Fahrern im Zirkus ganz üblich9). So läge eine andere Erklärung nicht zu weit
vom Weg: es sind Jockeys, die im Rennen über die Sparsores hinwegsprengen, die Männlein, die
für den guten Stand der Rennbahn sorgen; sie sind öfter unter Wagen und Pferden liegend
auf den Darstellungen zu sehen10). Dafür würde sprechen, daß an dem Typus der Überrittenen
von barbarischen Zügen nichts zu bemerken ist.
!) Ein Schiedsrichter im Gladiatorenkampf bei Mazois, Pompei pl. XLVIII, 1.
2) R. Zahn bestätigt mir durch den Hinweis auf die „Euripides“klasse (abgeb. z. B. Wendland, Hell.-Röm. Kultur,
2. Auil. Tafel III, da S. 421 und Anm. 3) die Datierung.
3) Jockeys öfter in unseren Terrakotten: z. B. Hilton Price Coll. 3325. Leipzig, Univ.-Slg. 1094, 1095. Er selbst in
reitender Haltung, das Pferd, wie unsere Nr. 439, nur zuweilen erhalten (mit Kränzen über den Nacken). Ein Kontorniat
(abgeb. Führer Pap. Rainer, S. 84) zeigt den edlen Jockey Kosmas mit der Peitsche, 1. Palme, auf der Rückseite sein Pferd
„Pyrolampes“. Die Siegerpalme 1. und den Kranz r. tragen die vorhin genannten (Leipzig 1094) wie die Schutzpatronin der
Zunft in der großen Prozession Athenaeus 197, a. b: γννή περικαλλεστάτη κατά το μέγεθος εΐπετο πολλω χρνσω και διαπρεπεϊ. .. κεκοσμη-
μένη, φέρονσα τήμεν μια τών χειρών στέφανον περσαίας, τη δε δεντέρα ράβδον φοίνικας· εκαλείτο δε αυτή ΙΙεντετηρίς.
Der unsrige, des Sieges sicher oder seiner Göttin getreu, hat ihn sich gleich einstechen lassen, (über στίζω, und στιγματίας das
reiche Material bei Wolters, Hermes 38, 1903, 265 ff. und Nachträge bei Maybaum, Arch. Jahrb. 1912, 32 ff.), während zu ver-
muten ist, daß die Sieger im vollen Siegesschmuck sich nochmals zeigen durften.
4) Man könnte auch an die Frisur des hellenistischen Helios denken, des Himmelswagenlenkers; aber die 5 Spiral-
löckchen über der Stirn sind so auffallend, wie die beim nicht minder koketten Septimius Severus des Cinquantenaire (gute
Abb. bei Domaszewski, Römische Kaiser II, Taf. zu S. 248). Μ. W. hat noch niemand diese Koketterie des Afrikaners
gebührend unterstrichen.
5) S. oben S. 197, Anm. 6.
6) 3. Exemplar: Schmidt, Graesk-Aeg. Terr. pl. XXIV, Fig. 56, der ihn „Harpokrates (?)“ nennt. 4. Ex.: Winter,
Typ.-Kat. II, 299, 6 (Dardanellen).
7) S. oben S. 67.
8) Dafür spräche der Mantel, die Kappe, die wir als Makedonenkappe (unten S. 201 f.) erklären könnten. Aber die ist
nicht mehr römisch, und in spätrömischer Zeit, aus der die Terr. stammen, von Feldherrn oder Kaisern, soviel ich weiß, nicht
getragen; vgl. aber den S. 34, Anm. 9 erwähnten männl. Kopf aus Neapel und S. 201 f.
9) Vgl. die Anm. 2 genannten Stücke; bei denen allerdings wieder der Mantel fehlt.
10) Daremberg-Saglio IV, 2, 1419; I, 1199. Aus dem Zahnschen Material (oben S. 197, Anm. 5): Reinach, Rep. I, 77.
Lampe in Berlin, Antiquar. Inv. 364 (951). Gerhard, Antike Bildw. CXX, 2; auch die oben S. 197, Anm. 5 erwähnten
Lampen der Coll. Bourguignon.
Zirkustypen.
ist es da zuviel gefordert, wenn wir den Gestrengen für den Starter1), die Uhr neben ihm
für die Kontrolluhr bei den Rennen halten?
2. Das Fläschchen mit den Henkeln, 333, ist sorgfältig ausgeführt. Der kupferbraune Firnis,
die sorgsame Nachritzung des ganzen Contours, die frische Form und der modellierende Stil
lassen als zeitlichen Ansatz die frühe Kaiserzeit zu2).
Es ist ein Jockey3) von fast knabenhaften Formen dargestellt, der eben seinen Sieg meldet.
Noch trägt er die Peitsche; aber bereits schmückt seine kokett nach dem Vorbild des dem
Schauplatz seiner Taten nachbarlichen Stadtgottes Sarapis gelockte Frisur4) der Siegerkranz,
und der Gestus seiner Hand verkündet mit „εκατόν" seinen Sieg5). Die Tracht der Reiter und
Fahrer ist gleich; photographisch getreu werden hier die Knieschützer, der Gürtel, vor allem
das auf dem nackten 1. Oberarm eintätowierte Kränzchen kopiert. — Man könnte in dem
Knirps einen Eros dargestellt sehen, aber wozu? Sind nicht auch unsere Jockeys knabenhaft
klein, zierlich und leicht bei voll ausgewachsenen Formen?
334 und 335 zeigen den Rennfahrer — man weiß nicht recht, ob sie die Hand erheben,
um mit mächtigem Schlag die rasenden Rosse anzutreiben, oder ob es ihre letzte, die Sieger-
runde ist, und die Hand dem staunenden Volk schon den Sieg anzeigt.
3. 336 und 337 sind nicht ganz sicher zu deuten6). Wer ist der Reiter, der über den zu-
sammengebrochenen hinwegsetzt. Das Schema des siegreichen Königs, Kaisers, Gotts, der den
Feind niederreitet, ist die formale Grundlage gewesen7). Aber ist das ein Herrscher, ein Feld-
herr8)? Wie klein ist der Mann! Und welcher Feldherr trägt eine Kappe? Diese ist bei unseren
Reitern und Fahrern im Zirkus ganz üblich9). So läge eine andere Erklärung nicht zu weit
vom Weg: es sind Jockeys, die im Rennen über die Sparsores hinwegsprengen, die Männlein, die
für den guten Stand der Rennbahn sorgen; sie sind öfter unter Wagen und Pferden liegend
auf den Darstellungen zu sehen10). Dafür würde sprechen, daß an dem Typus der Überrittenen
von barbarischen Zügen nichts zu bemerken ist.
!) Ein Schiedsrichter im Gladiatorenkampf bei Mazois, Pompei pl. XLVIII, 1.
2) R. Zahn bestätigt mir durch den Hinweis auf die „Euripides“klasse (abgeb. z. B. Wendland, Hell.-Röm. Kultur,
2. Auil. Tafel III, da S. 421 und Anm. 3) die Datierung.
3) Jockeys öfter in unseren Terrakotten: z. B. Hilton Price Coll. 3325. Leipzig, Univ.-Slg. 1094, 1095. Er selbst in
reitender Haltung, das Pferd, wie unsere Nr. 439, nur zuweilen erhalten (mit Kränzen über den Nacken). Ein Kontorniat
(abgeb. Führer Pap. Rainer, S. 84) zeigt den edlen Jockey Kosmas mit der Peitsche, 1. Palme, auf der Rückseite sein Pferd
„Pyrolampes“. Die Siegerpalme 1. und den Kranz r. tragen die vorhin genannten (Leipzig 1094) wie die Schutzpatronin der
Zunft in der großen Prozession Athenaeus 197, a. b: γννή περικαλλεστάτη κατά το μέγεθος εΐπετο πολλω χρνσω και διαπρεπεϊ. .. κεκοσμη-
μένη, φέρονσα τήμεν μια τών χειρών στέφανον περσαίας, τη δε δεντέρα ράβδον φοίνικας· εκαλείτο δε αυτή ΙΙεντετηρίς.
Der unsrige, des Sieges sicher oder seiner Göttin getreu, hat ihn sich gleich einstechen lassen, (über στίζω, und στιγματίας das
reiche Material bei Wolters, Hermes 38, 1903, 265 ff. und Nachträge bei Maybaum, Arch. Jahrb. 1912, 32 ff.), während zu ver-
muten ist, daß die Sieger im vollen Siegesschmuck sich nochmals zeigen durften.
4) Man könnte auch an die Frisur des hellenistischen Helios denken, des Himmelswagenlenkers; aber die 5 Spiral-
löckchen über der Stirn sind so auffallend, wie die beim nicht minder koketten Septimius Severus des Cinquantenaire (gute
Abb. bei Domaszewski, Römische Kaiser II, Taf. zu S. 248). Μ. W. hat noch niemand diese Koketterie des Afrikaners
gebührend unterstrichen.
5) S. oben S. 197, Anm. 6.
6) 3. Exemplar: Schmidt, Graesk-Aeg. Terr. pl. XXIV, Fig. 56, der ihn „Harpokrates (?)“ nennt. 4. Ex.: Winter,
Typ.-Kat. II, 299, 6 (Dardanellen).
7) S. oben S. 67.
8) Dafür spräche der Mantel, die Kappe, die wir als Makedonenkappe (unten S. 201 f.) erklären könnten. Aber die ist
nicht mehr römisch, und in spätrömischer Zeit, aus der die Terr. stammen, von Feldherrn oder Kaisern, soviel ich weiß, nicht
getragen; vgl. aber den S. 34, Anm. 9 erwähnten männl. Kopf aus Neapel und S. 201 f.
9) Vgl. die Anm. 2 genannten Stücke; bei denen allerdings wieder der Mantel fehlt.
10) Daremberg-Saglio IV, 2, 1419; I, 1199. Aus dem Zahnschen Material (oben S. 197, Anm. 5): Reinach, Rep. I, 77.
Lampe in Berlin, Antiquar. Inv. 364 (951). Gerhard, Antike Bildw. CXX, 2; auch die oben S. 197, Anm. 5 erwähnten
Lampen der Coll. Bourguignon.