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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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254

Turmhaus.


Abb. 125.


Abb. 126.

und überall sonst baute man schwere Festungstürme so gut wie in Ägypten. Waldreichen Gegenden
(wie Lykien) ist die Holzarchitektur angemessen, und da ist die Übertragung dieser Art in den ver-
ewigenden Stein der umgekehrte Weg wie in Ägypten. Nur eme Parallele
scheint mehr als bloß zufällige Ähnlichkeit zu haben: die rätselvollen
Stockwerkstelen in Aksum19). So unwahrscheinlich das zuerst klingen
mag: wir vermissen an ihnen nichts von dem, was unserer Terrakotte
eignet20). Nur daß dort die Stockwerkfassade mit ihren flankierenden
Risaliten ins Wolkenkratzerhafte gesteigert ist; daß 4, 6, 10, 11, gar
13 Stockwerke übereinandergetürmt sind; daß die Bekrönung unter den
uns aus Ägypten erhaltenen Beispielen keine Parallele findet21). Daß uns
dafür der strikte Beweis versagt
ist, muß man bedauern; aber auch
wer wohlwollend die Kunstfertig-
keit und technische Leistungskraft
der Abessynier sehr hoch anschlägt,
wird andererseits auch die Sieges-
kraft ägyptisch - alexandrinischer
Kultur doch nicht unterschätzen
wollen. Und so gut bis ins tiefe
Äthiopien, das nichts Eigenes ge-
schaffen hat, die Bautypen dieser
Kultur vorgedrungen sind, so gut
wie die griechisch-ägyptischenWerk-
stätten mit Rücksicht auf die Be-

dürfnisse der aksumitischen Konsumenten ihren Export nach Abessynien zurichteten22), so gut
können und werden mit diesem Export die Anregungen zu dem Stockwerkschema aus Ägypten
mitgewandert sein. Wir kennen fast gar nichts von der wunderbaren Macht, die Alexandrien,
die Weltstadt, in sich schloß; sind darum leicht zur Mißachtung geneigt. Aber wenn wir an die
ungeheueren Handelsbeziehungen, besonders vom Roten Meer her, den offensiven Geist und das
Wachstum dieser Kaufmannsstadt gerade in der Kaiserzeit denken, dann gewinnt die Vermutung
auch inneren Halt.

Es fragt sich freilich, ob auf den Stelen tatsächlich himmelstürmende Häuser dargestellt sind
oder ob eine angeblich künstlerisch-dekorative Absicht ein Motiv zu Tode gehetzt habe. Das letztere
wäre möglich, wenn man orientalische Vorstellungen zur Erklärung heranzieht, doch scheint mir das
nicht unbedenklich23). Viel einfacher, dünkt mir, ist die Annahme, daß die Erinnerung an die hohen
Häuser der Großstadt Alexandrien eine Rolle spielt; daß womöglich, wie das Riesenzeichen
des Pharos, auch andere riesige Türme dort nicht ungewöhnlich waren. Den Eindruck hinterläßt

19) Krenker, Arch. Anz. 1907, 42ff., Deutsche Aksumexp., S. Iff. und die Tafeln, unsere Abb. 125.

20) Das lehren z. Β. am besten die Stelen, Krenker, Abb. 33 u. 38, und jede andere. (Abb. 125.) Bemerkenswert ist, daß
sie als Grabstelen gedacht sind. Das wird sekundär sein. Das hohe Haus der Lebenden ist dann eben Haus der Toten ge-
worden. (Krenker, S. 28 ff.).

21) Man könnte ehestens lykische Beispiele von ferne vergleichen. Da wir von dem Reichtum der alexandrinischen
Formen fast nichts haben, ist m. E. mit Gründen Vorsicht am Platz.

22) R. Zahn bei Krenker, Aksumexp. II, 222f. mit dem bekannten Zeugnis des Periplus mar. Erythr.

23) Krenker 28ff.
 
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