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Mittelstraß, Tilman
Eschelbronn: Entstehung, Entwicklung und Ende eines Niederadelssitzes im Kraichgau (12. bis 18. Jahrhundert) ([Hauptbd.]) — Stuttgart: Theiss, 1996

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.75254#0142
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westen trat sie erst um 120 n.Chr. in Erscheinung und
wurde in der zweiten Jahrhunderthälfte bereits von den
Rheinzaberner Sigillata-produkten abgelöst, die dann
bis zum Fall des Limes um 260 n.Chr. das Tafelgeschirr
im Dekumatenland dominierten; ihr sind alle übrigen
Eschelbronner Sigillatafragmente zuzurechnen (Nr.
2-5).444 Das Wandstück Nr. 1 gehört wohl zu einer Bil-
derschüssel der Form Drag. 37, und auch das Randstück
Nr. 2 aus Rheinzabern ist dieser Gefäßform zuzurech-
nen.445 Zwar sind in der Regel bei fast allen Formen der
Terra Sigillata Standringe vorhanden, jedoch lassen De-
tails an den drei Eschelbronner Beispielen zumindest ei-
ne Einschränkung der in Frage kommenden Rekon-
struktionsmöglichkeiten zu: Während bei dem Stück Nr.
3 wegen des geringen Standringdurchmessers neben ei-
ner kleinen Schale446 auch die Zugehörigkeit zu einer tie-
fen, konischen Tasse der Form Drag. 33 möglich ist,447
kann das Fragment Nr. 4 wegen seines weit nach außen
reichenden, inneren Planbodens nur zu einem Teller der
Form Drag. 18/31 oder einer verwandten Form gehö-
ren.448 Die umlaufende Rille, wie sie den dritten Eschel-
bronner Standring verziert (Nr. 5), ist nicht auf eine Ge-
fäßform beschränkt.449 Das mehr gebogene Profil des
Standrings rückt das Stück in den Umkreis der Formen
Drag. 27 (Schälchen mit geknickter Wandung)450 und
Drag. 38 (Kragenschale);451 eine eindeutige Zuweisung
erlaubt das Fragment nicht.
Gegenüber dem in der provinzialrömischen Archäologie
gesammelten Wissen über die Terra Sigillata fällt der
Forschungsstand zur einfachen Gebrauchskeramik, den
sog. »Landrassen«, die an vielen Orten in lokalen Töpfe-
reien produziert wurden, stark ab. Wenn es sich nicht um
ganz charakteristische Gefäßformen wie z.B. die Schüs-
sel mit einwärts umgeknicktem Rand handelt (Nr. 6), ist
eine Abgrenzung zum frühmittelalterlichen Formengut
oft nicht einfach. Die eben genannte Schüsselform, ein
Vorratsgefäß, scheint übrigens eine typologische Ent-
wicklung durchzumachen, in der das Eschelbronner
Stück ans Ende des 2. oder die erste Hälfte des 3. Jahr-
hunderts zu setzen ist.452 Auch das engmündige, leicht
profilierte Randstück mit Ansatz zu einem steilen, schlan-
ken Hals (Nr. 7) ist einer römischen Gefäßform zuzuord-
nen, die im Mittelalter nicht in gleicher Weise vorhanden
war, einem Krug mit trompetenförmiger Mündung und
meist paarigen Henkeln.453 Bei dem von einem weitmün-
digen Topf stammenden Randstück Nr. 8 kann rein for-
mal die frühmittelalterliche Zeitstellung nicht von vorn-
herein ausgeschlossen werden, obwohl seine Größe im-
merhin aus dem Rahmen fällt.454 Daß es einem römischen
Topf mit Horizontalrand zugewiesen werden muß,455 er-
gibt sich aus seiner für das Frühmittelalter völlig untypi-
schen Beschaffenheit: es ist hellbeige und mit viel Scha-
mott gemagert. Ein solcher Magerungszuschlag war zwar
auch in römischer Zeit nicht unbedingt die Regel, ist aber
doch öfters anzutreffen;456 übrigens ist auch der Ton der
grauen Schüssel Nr. 6 mit Keramikbruch versetzt.

Insgesamt deckt das hier vorgelegte römische Keramik-
material die Zeit von der ersten Hälfte des 2. bis ins 3.
Jahrhundert ab. Es stammt nicht von einer im Grabungs-
areal gelegenen Siedlung, sondern gehört mit großer
Wahrscheinlichkeit wenigstens teilweise zu den im 19.
Jahrhundert entdeckten Mauerresten, welche von ihrem
Ausgräber K. Wilhelmi in einer kurzen Notiz als römisch
bezeichnet wurden.457 Sie lagen im »Weihergrund«, ei-
nem Seitentälchen, welches von SW her an der Bildung
des im Bereich der Burg Eschelbronn angetroffenen
Schwemmkegels beteiligt war. So ist es gut möglich, daß
das Standringfragment Nr. 5, welches in den wohl auf
Überschwemmungen zurückgehenden Schichten I 26-27.
enthalten war, auf natürliche Weise aus dem Weiher-
grund an seinen Fundort gelangte. Daneben ist für klei-
nere Fragmente auch eine Anschwemmung durch den
Schwarzbach möglich, z.B. für das Sigillata-Randstück
Nr. 2, das in der gut erkennbaren Ablagerung auf der
Sohle von Graben II 98 entdeckt wurde, welcher vom Tal
herkommend durch die Grabungsfläche führte.
Merowingerzeit (Abb. 98,9-12)
Einen Gewinn für die Ortsgeschichte Eschelbronns und
die Besiedlungsgeschichte am Nordrand des Kraichgaus
bedeutet der erstaunliche Anteil merowingerzeitlicher
Siedlungskeramik am Eschelbronner Fundgut vor allem
der älteren Perioden (Nr. 9-12). Kennzeichen dieser sog.
rauhwandigen Drehscheibenware (früher: Donzdorfer
Ware) ist weniger die Brandart458 als vor allem die au-
ßergewöhnlich grobe, aus der Oberfläche hervortreten-

444 Zur Rheinzaberner Töpferei s. Rau, Rheinzabern.
445 Formendefinition nach Dragendorff, Terra Sigillata. Zu Ver-
gleichsbeispielen s. Gose, Gefäßtypen Taf. 2,13; Czysz [u.a.],
Wimpfen Taf. 8.
446 Wie Gose, Gefäßtypen Taf. 8,137.
447 Wie Czysz [u.a.], Wimpfen Taf. 7,58.
448 Gose, Gefäßtypen Taf. 6,105; Czysz [u.a.], Wimpfen Taf. 2,9.
449 z.B. Gose, Gefäßtypen Taf. 5,79 (Drag. 33).
450 Rau, Rheinzabern 65 Abb. 7,2; Czysz [u.a.], Wimpfen Taf. 6,42.
451 Rau, Rheinzabern 54 Abb. 4,A.
452 Gose, Gefäßtypen Taf. 47,497.498; Taf. 48,496; Czysz [u.a.],
Wimpfen 31; Taf. 31 (besonders 367.373). Die Keramik der römi-
schen Siedlung von Wimpfen im Tal ist als Vergleich besonders ge-
eignet, da es sich um das in römischer Zeit für den Eschelbronner
Raum zuständige regionale Zentrum handelt (zur Datierung vgl.
Filgis u. Pietsch, Wimpfen 125).
453 Gose, Gefäßtypen Taf. 32,381; Taf. 37,408; Czysz [u.a.], Wimpfen
33; Taf. 46 (besonders 590.593).
454 z.B. erscheint ein solcher Rand an einem Gefäß aus einer karo-
lingischen Abfallgrube in Fuchsstadt/Ufr., welche neben lokalen
Stücken viel Import aus der Oberrheingegend enthielt (Pescheck,
Bodenfunde 239 Abb. 21,11); auch aus der rauhwandigen Dreh-
scheibenware der Merowingerzeit sind ähnliche Randformen be-
kannt (z.B. Schulze, Keramik 93 Abb. 30,18.19).
455 Czysz [u.a.], Wimpfen 31; Taf. 32 (besonders 385).
456 Vgl. die Hinweise zur Magerung bei Czysz [u.a.], Wimpfen ab
136ff.
457 Wagner, Fundstätten 341. Als Schriftzug Fundamente eingetra-
gen in Bl. 6619 (Helmstadt-Bargen) der modernen topographi-
schen Karte 1 : 25 000 (Ausgabe 1983) (s. Abb. 119).
458 Überwiegend reduzierend, gelegentlich auch oxidierend bzw.
Zwischenstufen (bräunlich); viele Farbschattierungen.

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