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Mittelstraß, Tilman
Eschelbronn: Entstehung, Entwicklung und Ende eines Niederadelssitzes im Kraichgau (12. bis 18. Jahrhundert) ([Hauptbd.]) — Stuttgart: Theiss, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.75254#0175
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noch aus der Topographie ein Herrensitz zu erschlie-
ßen.619 Zwar taugt auch die erst 1271 errichtete älteste
Eschelbronner Burganlage (Periode III) nur mittelbar
als Argument für eine Verbindung des Heinrich von
Eschelbronn mit diesem Ort; eindeutig bewiesen ist die
Zugehörigkeit Eschelbronns zur Herrschaft Dürn aber
durch eine Urkunde, die Boppo I. von Dürn-Dilsberg am
10. November 1255 in Eschelburnen ausgestellt hat.620
Die unter den Stauferkaisern in den Hochadel aufge-
stiegenen Herren von Dürn verfügten um die Mitte des
13.Jahrhunderts über einen weitgestreuten Besitzkom-
plex, der laut W. Eichhorn Ansätze zu einer flächen-
deckenden Herrschaft erkennen läßt.621 Ruprecht I. von
Dürn, einer der treuesten Gefolgsleute Friedrich Barba-
rossas und Heinrichs VI., legte dazu den Grundstein.
Ausgangspunkt war die von ihm gegründete Burg Wil-
denberg im Odenwald und die Vogtei über das nahbei ge-
legene Kloster Amorbach. Als erster seines Geschlechts
ließ er eine Art Testament in Urkundenform schriftlich
fixieren, eine Gepflogenheit, die seine Nachkommen
ebenso fortführten wie den zielstrebigen Ausbau einer
weniger auf Eigengut als auf landesherrlichen Rechten
gründenden Herrschaft zwischen Kocher, Neckar, Main
und Tauber, mit einer späteren Ausweitung nach Westen
bis zum Oberrhein.622 Der Höhepunkt dieser Entwick-
lung läßt sich am prachtvollen, an der staufischen Reichs-
architektur orientierten Ausbau der Wildenburg unter
Konrad I. von Dürn eindrucksvoll ablesen.623 Durch sei-
ne Heirat mit der schon erwähnten Mechthild fiel ihm ein
großer Teil der Erbmasse der Grafen von Lauffen zu, na-
mentlich die Herrschaft Dilsberg, benannt nach dem bei
Neckargemünd hoch über dem Tal gelegenen Sitz der
Lauffener Grafen, der beim Wiedererscheinen Eschel-
bronns in den Quellen des 14. Jahrhunderts der für den
Ort zuständige Verwaltungsmittelpunkt war.624
Damit ist der Weg skizziert, auf dem die Herren von
Dürn in Eschelbronn zu Besitz gekommen sind. Be-
trachtet man die geographische Verteilung der in der Zeu-
genliste von 1251 genannten Vasallen, so liegt Eschel-
bronn zwar am Westrand des Dürner Einflußgebietes,
jdoch keineswegs isoliert, erscheinen doch neben Hein-
rich von Eschelbronn als Dürner Vasallen auch Mini-
steriale von Neckarsteinach und Nordheim bei Brak-
kenheim. Im Fortgang des 13.Jahrhunderts treten in der
näheren Umgebung Eschelbronns noch weitere Vasallen
in Mosbach (1255) und Mauer (1262) auf; auch in Waib-
stadt saß bereits 1243 ein Dürner Gefolgsmann.625
Die Aufteilung der Herrschaft Konrads I. von Dürn un-
ter seine drei Söhne626 bedeutete den Beginn eines rapi-
den Abstiegs, der schon eine Generation später zum Ver-
schwinden der Herren von Dürn von der politischen
Landkarte Südwestdeutschlands führte. Nur das südöst-
liche der drei neuentstandenen Herrschaftsgebilde be-
wahrte eine gewisse Kontinuität, da es nach dem Ausster-
ben der Linie von Dürn-Forchtenberg 1323 auf Grund ei-
nes Erbschaftsvertrags insgesamt an die Grafen von Ho-

henlohe fiel.627 Das Ende der beiden anderen Erbteile
hingegen glich einem Ausverkauf, von dem im Falle der
Herrschaft Wildenberg vor allem das Erzstift Mainz, das
Hochstift Würzburg und die Grafen von Wertheim pro-
fitierten, während die Herrschaft Dürn-Dilsberg zwi-
schen den gegenläufigen territorialen Interessen der
Hochstifte Speyer und Worms sowie des Pfalzgrafen bei
Rhein zerrieben wurde. Dabei gelang es dem Pfalzgrafen
am besten, seine Ansprüche durchzusetzen. Endpunkt
dieser Entwicklung bildete der Verkauf der letzten Re-
ste der Herrschaft Dilsberg 1288 durch Graf Boppo II.
an König Rudolf von Habsburg, der daraus den Pfalz-

619 Der 1257 als Dorf mit mindestens 6 Höfen erstmals bezeugte Ort
erlebte vielmehr einen partiellen Wüstungsprozeß, der ihn auf ei-
nen (1497) bzw. auf 2 Höfe (1590) zusammenschmelzen ließ
(Krieger, Baden 1,545; Gehrig, Gissigheim 83).
620 Graf Boppo belehnt darin den Schneidermeister(!) Ulrich von
Mosbach (magister Ulricus de Mospach sartor) mit einem Hof in
Burcheim; Zeugen sind die drei Ritter Rüdiger Kunemunt, Kon-
rad von Heuchlingen, Otto von Hainstadt und der Notar Konrad
(Krimm u. Schadek, Mosbacher UB 8 Nr. 12). Vor dem Hinter-
grund der Dürner Besitzverhältnisse ist hier wohl nicht, wie an-
gegeben, Neckarburken, sondern Osterburken gemeint.
621 Eichhorn, Dürn; ders., Lehenshof, 215ff. Für eine differenzierte
Betrachtung sind daneben Störmer u. Vocke, Miltenberg 73ff.,
und Neumaier, Buchen, heranzuziehen.
622 Die hier gezeichneten Linien entsprechen im wesentlichen der
Sichtweise von Eichhorn, Dürn; ders., Lehenshof. Der rasche
Zerfall der Dürner Herrschaft am Ende des 13. Jh. läßt aber fra-
gen, ob Eichhorn nicht gerade diejenigen Züge herausstreicht, die
den Edlen von Dürn im Vergleich mit den »Gewinnern«, vor al-
lem den Pfalzgrafen, dem Erzstift Mainz und dem Hochstift Würz-
burg, eher abgingen. Die in fast jeder Dürner Urkunde mit einer
umfangreichen Zeugenliste dokumentierte Mitwirkung ihrer Mi-
nisterialen bei jedem ihrer besitzrechtlichen Schritte, der offen-
kundige Part, den die Entfremdung von als Lehen ausgegebenem
Dürner Eigengut durch Schenkung und Verkauf ebendieser Mi-
nisterialen an geistliche Institutionen bei der Zerrüttung des Dür-
ner Grundbesitzes spielte, dies alles spricht mehr für ein Festhal-
ten an einer nicht mehr zeitgemäßen, weil nur lehensrechtlich bzw.
personengebundenen Herrschaftsform und zeugt geradezu von ei-
ner Fremdheit gegenüber territorialen bzw. landesherrlichen
Herrschaftskonzepten. Zur Dürner Spätzeit vgl. zahlreiche Ein-
zelvorgänge bei Mittelstrass, Ritter; zur Rückständigkeit der
Dürner Verwaltungsorganisation gegenüber der des Erzstifts
Mainz ebd. 171ff.
623 Vgl. Hotz, Wildenberg.
624 Vgl. Lenz, Dilsberg, bes. 9ff.
625 Eichhorn, Lehenshof 228 und 231; Schaab, Ministerialität 102.
In der bei W. Eichhorn gegebenen Liste der Dürner Vasallen schei-
nen alle als Zeugen in Dürner Urkunden genannte Ministerialen
als Dürner Gefolgsleute angesehen worden zu sein; dies ist im Ein-
zelfall jedoch kritisch zu überprüfen: der zu 1276 genannte Sifrid
aus der ursprünglich linksrheinisch ansässigen Familie von Ven-
ningen z.B. ist doch wohl nicht Boppo von Dürn-Dilsberg, son-
dern dem Empfänger der entsprechenden Urkunde, Pfalzgraf
Ludwig, zuzuordnen, dessen dort an erster Stelle genannter Pro-
tonotar Albert offenbar die Ausstellung der Urkunde besorgt hat
(Mone, Neckartal 1860, 67f.; Reg. Pfalzgf. 1, 56 Nr. 967).
626 Boppo I. bekam die Herrschaft Dilsberg, Ruprecht II. die Herr-
schaft Forchtenberg, Ulrich III. die Herrschaft Wildenberg mit der
Stammburg. Auch hier allerdings verliert das von W. Eichhorn ge-
zeichnete Bild bei näherer Betrachtung seine scheinbar klaren
Konturen, denn gerade das Kerngebiet der Dürner Herrschaft
wurde, territorial gesehen, keineswegs säuberlich aufgeteilt, viel-
mehr hatten alle drei Brüder in den meisten Orten Anteil an den
verschiedenen Rechten (Beispiele bei Mittelstrass, Ritter).
627 Eichhorn, Lehenshof 231.

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