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Modderman, Pieter J.; Clason, Anneke
Die neolithische Besiedlung bei Hienheim, Ldkr. Kelheim (Band 1): Die Ausgrabungen am Weinberg 1965 bis 1970 — Kallmünz/​Opf.: Verlag Michael Lassleben, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.63701#0135
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ten Getreidefund von Langenhettenbach (Spitzl-
berger 1974), der von Münchshöfener Tonware be-
gleitet war. Das Ergebnis dieser Messung ist 5500
± 45 BP (GrN-7514) oder 3550 ± 45 nicht kali-
brierte Jahre. Die zweite Probe, ebenfalls von ver-
kohltem Getreide, stammt aus Sengkofen. Laut Mit-
teilung von Dr. U. Osterhaus wurde sie von Alt-
heimer Ware begleitet. Das Ergebnis der C-14-Be-

stimmung lautet 5240 ± 40 BP (GrN-7160) oder
3290 ± 40 nicht-kalibrierte Jahre v. Chr.
Außer der Keramik aus der Münchshöfener und der
Altheimer Gruppe stammen aus anderen Gruben
noch einige Hornsteinmesser und das Halbfabrikat
einer Spitze, welche in das Altheimer Repertoire
passen (Taf. 48).

CHAMER
Zu den unerwarteten Ergebnissen der Grabungen in
Hienheim gehören gewiß auch die Funde und Be-
funde, die der Chamer Gruppe zugezählt werden
müssen. Auch nach 1970 konnten ihnen noch inter-
essante Dinge hinzugefügt werden, die aber nur
dann beiläufig erwähnt werden sollen, wenn dies zu
einem besseren Verständnis erforderlich ist.
Am spektakulärsten sind die beiden Gräben, die
durch ihre Funde (Taf. 84 und 85) und eine C-14-
Datierung, die 2390 ± 55 v. Chr. lautet, mit Sicher-
heit einen Platz in der Chronologie erworben ha-
ben. Es gibt verschiedene Gründe dafür, in starkem
Maße mit der Möglichkeit zu rechnen, daß der äuße-
re Graben jünger ist als der innere. Der erstere
könnte den letzteren ersetzt haben. Argumente da-
für sind: Unterschiede in Breite und Profil, die Tat-
sache, daß die beiden Gräben nicht parallel laufen
und daß der innere Graben drei Unterbrechungen
hat, dagegen der äußere nur zwei. Über die Funk-
tion der Gräben haben wir uns an anderer Stelle be-
reits ausführlich geäußert (Modderman 1976). Von
fundamentaler Bedeutung dabei ist, daß die Erde
aus den Gräben herausgeworfen zu sein scheint. Das
läßt sich nicht mit einer militärischen Absicht bei
der Anlage vereinbaren, so daß eine sozio-kulturelle
Erklärung den Vorzug verdient. Wir glauben, daß
wir das Hienheimer Grabensystem, sofern es sich
um die Funktion handelt, mit demjenigen aus
Kothingeichendorf und Altheim auf eine Linie stel-
len können. Sie alle passen in eine große Gruppe
von Denkmälern hinein, die uns von den britischen
Inseln her sehr geläufig sind, wo sie als causewayed
camps und henge monuments umschrieben werden.
Die ältesten Beispiele findet man aber auf dem Kon-
tinent, zu denen wir Kothingeichendorf zählen möch-
ten, sowie die kreisförmigen Gräben von Bochum
(Günther 1973) und Langweiler 12 (Kuper 1972)
und die rechteckigen von Bochum-Laer (Finke 1971).
Stuart Piggott (1954, S. 31) und R. A. Maier (1962)

GRUPPE
haben sich schon vor geraumer Zeit über die Ver-
gleichbarkeit in funktionaler Hinsicht dieser briti-
schen und kontinentalen Denkmäler ausgesprochen
— wir schließen uns ihnen an.
Neben den Gräben sind von großer Bedeutung die
geschlossenen Funde, die aus Gruben stammen. Der
Herstellungsweise der Tonware ist in dieser Ver-
öffentlichung breiter Raum geschenkt worden. Hin-
sichtlich der Formen und Verzierungen der Chamer
Töpfe sind während der Grabungen 1974 noch
interessante Neuigkeiten entdeckt worden. Dadurch
ist es möglich geworden, eine verzierte Scherbe aus
Grube 678 mit Sicherheit der Chamer Gruppe zu-
zusprechen (Taf. 86). Außer der Tonware können
auch einige Hornsteingeräte mit Sicherheit zur Cha-
mer Gruppe gerechnet werden (S. 76).
Die Gruben sind wegen ihrer Form oft als Silos
zu interpretieren, eine Annahme, die nicht durch
den Nachweis von verkohltem Getreide in ausrei-
chenden Mengen bestätigt werden konnte. Die Fül-
lung deutet im allgemeinen darauf hin, daß die Sied-
lungsaktivitäten dicht in der Nähe der Gruben la-
gen. Es sind viele Abfälle hineingeraten. Man sollte
deswegen erwarten, daß in der Nähe der Gruben
Spuren von Häusern zu finden wären. Leider kann
lediglich Gebäude 7 vermutlich zu der Chamer
Gruppe gezählt werden. Die Ergebnisse der Gra-
bungen nach 1970 werden uns sicherlich noch dazu
veranlassen, auf die Frage der Chamer Häuser und
ihres Zusammenhangs mit den silo-artigen Gruben
zurückzukommen. Eine Streuungskarte der Erschei-
nungen, die zu der Chamer Gruppe in Hienheim
gezählt werden können, aufgearbeitet bis 1974, wur-
de an anderer Stelle veröffentlicht (Modderman
1976).
Über die Stellung der Periode der Chamer Gruppe
in der Siedlungsgeschichte des erforschten Geländes
kann folgendes gesagt werden. Die Füllung der Pfo-
stengruben von Gebäude 7 und der 1974 entdeck-

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