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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Knapp, Valentin: A. Jessop Hardwick
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0035
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18

A. Jessop Hardwick

Colours", einem der Kunst geweihten Boden ent-
sprossen. Und so, in echt künstlerischem Milieu
heranwachsend, gewann er früh lebendige Bezieh-
ungen zur Kunst, eine Eigenschaft, deren Besitz auf
dem Gebiete der Architektur weit über den Stand-
punkt eines blossen Verfertigers von Plänen und
Rissen erhebt. Man kann sagen, Hardwick war in
erster Linie Künstler, in zweiter Architekt, und wenn
er einen Fehler hat — vorausgesetzt, dass es über-
haupt ein Fehler ist — so ist es die Neigung, unter
Umständen den Grundsatz der Zweckmässigkeit dem
der künstlerischen Behandlung zu opfern. Er hascht
nicht nach verblüffenden Effekten, wie es so leicht
seine jungen Kollegen tun. Er ist originell, gewiss:
mit wenigen kunstvollen Strichen wandelt er das
Alltägliche zum Geistvollen. Aber sein Plan wird
stets ein harmonisches, künstlerisches Ganze sein.

V Zwischen der Schule von Architekten, die der
sklavischen Nachahmung des Alten überdrüssig, in
ihren Plänen immer nach unbedingter Originalität
jagen, und denen, welche genügsam den besten Tra-
ditionen „toter Stile", wie die andern sagen, folgen,
steuert Hardwick die goldene Mittelstrasse. Niemals
findet in ihm ein klassischer Entwurf darum seinen
Widersacher, weil er alt ist, aber er liebt es auch
wieder, im Bewusstsein des eigenen Vermögens,
seiner Phantasie Spielraum zu gewähren. Noch
unlängst sah der Verfasser, wie er sich an einem
jakobitischen Plane begeisterte, den er, zuerst etwas
widerwillig, einem Auftrag gemäss dem Neubau
zugrunde legte. Am meisten entspricht aber seiner
persönlichen Neigung der Typus des alten Guts-
hauses, der ziegelgedeckte Halbfachbau mit den
Gitterfenstern, den langen Dachlinien und breiten
überhängenden Bleirinnen; Behausungen, von denen
seine engere Heimat die schöne Grafschaft Surrey
so viele hübsche Muster bietet. Lässt man ihm in
solchem Bauwerk freie Hand mit der Aufgabe, wieder-
herzustellen, zu erweitern und zu verbessern, so
ist der Künstler ganz glücklich; mit Begeisterung
wird er an die Arbeit gehen, und man kann sich
darauf verlassen, dass der Erfolg gut sein wird. V

V Die Reihe von Abbildungen, die diesem Aufsatz
beigegeben ist, zeigt, wie völlig sich Arthur Hard-
wick das Beste zu eigen gemacht hat, was in diesem
englischsten aller englischen Stile steckt. Das reinste
und bedeutendste Beispiel dieser Art finden wir in
dem Hause aus Wolves Newton in Monmouthshire,
das durch eine ganze Anzahl von Ansichten ver-
anschaulicht wird. Das Charakteristische dieses
Gebäudes wurzelt in der dortigen Landschaft. Es
harmoniert erfreulich mit der Umgebung und ent-
spricht den besten lokalen Ueberlieferungen. Ein-
fach und anspruchslos wie es ist, bietet es doch

vieles künstlerisch Interessante und Schöne. Das
Halbfachwerk in gebeizter Eiche, das für die beiden
Hauptseiten des Hauses bezeichnend ist, scheint
ungewöhnlich massiv zu sein; ebenso ungewöhnlich
ist die Art, in der er bis auf wenige Fuss vom
Boden herabgeführt ist. Zwischen dem Fachwerk
findet sich weisser Spritzbewurf, nur die Kamine
sind von Stein. V
V Die übrigen Abbildungen zeigen den gleichen Stil
an kleineren Wohngebäuden in einer Weise, dass
sie sich ihrer in anspruchsvollerer Stilart prunken-
den Nachbarschaft in Londons nächster Umgebung
nicht zu schämen brauchen. Bei dem beschränk-
ten Raum, welcher dem Verfasser zu Gebote steht,
kann er auf diese Bauten nicht näher eingehen. Es
sei daher nur kurz von ihnen gesagt, dass der ge-
fälligen Aussenseite ein nicht minder gefälliges Innere
entspricht. Verwöhnten Ansprüchen an Komfort und
Bequemlichkeit genügend, zeugt die Einrichtung von
erlesenem Geschmack. Die alte traute Feuer- und
Kaminecke wie der heimliche gemütliche Fenster-
winkel, die uns so vielfach in den Vorbildern dieser
Neubelebung altenglischer Baukunst begegnen,
werden von Hardwick mit besonderer Vorliebe und
darum auch mit Geist und Kunst behandelt. Er
ist in der Tat ein Meister des künstlerischen Details.
Täfelwerk, Treppenanlage, Türmuster erfahren bei
ihm auch in diesen vergleichsweise kleinen Häusern
die gleiche eingehende, ja liebevolle Behandlung,
wie sie beim Entwürfe von Bauten grösseren Mass-
stabes unerlässlich ist. Mit einem Wort: Hardwick
verdankt seinen Erfolg hauptsächlich dem Umstände,
dass seine Kunst sich nicht minder im Detail be-
tätigt wie in den Grundzügen seiner Pläne. Daher
weiss auch der Bauherr, dem darum zu tun ist, ein
an schönem Detail reiches Haus zu besitzen, dass
er Hardwick getrost freie Hand lassen kann. Die
Liebe zu seiner Kunst beseelt ihn stets, mag er
nun einen Hausplan entwerfen, mag er einen male-
rischen alten Herrensitz in ein hübsches Land-
haus ummodeln oder einen einfachen viereckigen
Kasten in eine schmuckvolle „Sonntagsvilla". Wer
daher ihn und seine Werke kannte, den konnte es
auch nicht wundernehmen, dass er beim ersten
Vorschlage vom Senat des Royal Institute of British
Architects zum Mitgliede dieser Körperschaft er-
wählt worden ist: die höchste Auszeichnung, die
einem englischen Architekten widerfahren kann.
Nicht Interesse und Parteilichkeit verschafften ihm
diese Ehre - - denn Hardwick ist wie alle echten
Künstler einer der bescheidensten Menschen
sondern der Wert der Arbeiten, die er dem Institut
unterbreitete. Wahres Verdienst fand hier seinen
Lohn. V
 
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