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Will Bradley, ein amerikanischer Wohnungskünstler
sichtslos beiseite schiebt. Eine Erscheinung, wie artigen Erscheinungen, dass sie nie ohne Nach-
das 1892 in der Merrymount Press gedruckte „Altar ahmer bleiben und diese meist in etwas schwächerer
Book" hat seinesgleichen in der modernen Kunst Ausdrucksweise die individuellen Eigentümlichkeiten
des europäischen Buchdruckes für kirchliche Zwecke wirklicher Originale sich zu eigen machen versuchen,
nicht. Es ist eine künstlerische Leistung ersten Wie viele Schüler suchen nicht gerade etwas darin,
Ranges. Erscheinungen, wie die zahlreichen Ar- alle diejenigen Eigenschaften ihrer Lehrer in
beiten der „Roycrofters" können dem besten, was vermehrter und verbesserter Auflage zu gewinnen,
in der alten Welt an Buchausstattung gemacht wird, die nicht von Verfeinerung sprechen, sondern vom
an die Seite gestellt werden. Wo aber gerade das Auffälligen. So ist denn auch bei Bradley der Hang
Buch, ein Gegenstand künstlerischer Sorgfalt, sich zum Grotesken, der Beardsleys eigentümliche und
allgemeiner Aufmerksamkeit erfreut, da ist der in vielen Beziehungen durchaus persönliche Art-
Boden auch für alle andern Fragen künstlerischer ich sage: in vielen Beziehungen, denn offenbar
Art geebnet. Finden es unsere Männer und Frauen sind Japans Holzschnitte von grossem Einflüsse auf
bis hinauf in die höchsten Gesellschaftsschichten ihn gewesen — charakterisiert, in ausgesprochen-
nicht mehr unter ihrer Würde, ihren Bedarf an stem Masse vorhanden. Er ist exzentrisch wie jener
Lektüre aus der Leihbibliothek zu beziehen, dann und insoferne ein durchaus moderner Künstler, als
ist Grund zu der Annahme vorhanden, eine tat- die Betonung des Auffälligen, des Abnormen, diese
sächliche Gesundung des Geschmackes bereite sich vielfach prononziert hervortretende Eigenschaft mo-
aus innerlichem Bedürfnisse vor, nicht mehr bloss, derner Dekorationsweise, auch bei seinen Plakaten
um „modern" zu sein, d. h. der Mode des Tages zu und Illustrationen als Eindruck entschieden vor der
folgen. V Würdigung der künstlerischen Qualitäten beim Be-
V Unter den Erscheinungen des amerikanischen schauer eintritt. Aber Bradley versteigt sich weder
Buchdruckes lenkte ein in der Way-Side-Press zu bis zu jenem Raffinement der Darstellungsweise,
Springfield 1896 (also genau ein Jahr früher, als wie sie Beardsley beispielsweise in „The Rape of
München den ersten bescheidenen Versuch einer Lock", in „The Toilet of Helen", in „The Coiffing",
Ausstellung für angewandte Kunst in neuzeitlichem „The Battie of the Beaux and the Belies" u. s. w.
Sinne sah) erschienenes Buch die Aufmerksamkeit zeigt, noch trifft er jenen Ton, den der englische
auf sich. Es trägt den Titel „Will Bradley his Künstler in seinen Illustrationen zu O. Wildes
Book". Es ist eine Sammlung von Arbeiten der „Salome" anzuschlagen gewusst hat; ebenso ist ihm
verschiedensten Art für Zeitschriften, für Bücher, jener tolle erotische Humor nicht eigen, der die geist-
Man merkt es dem Autor an, dass er zu stärkeren sprühenden Blätter zur Aristofanischen „Lysistrata"
Persönlichkeiten leicht in ein gewisses Abhängig- durchzieht. Alles bei Bradley ist zahmer. Er ver-
keitsverhältnis gerät und sein eigenes Können des steht es, ungebrochene Flächen in Schwarz zur
öfteren mit der Ausdrucksweise anderer verschmilzt. Hebung seiner Erscheinungen anzuordnen, eine von
So zeigen sich einerseits die Einwirkungen alter den japanischen Illustratoren herübergenommene
typographischer Meisterwerke in unzweifelhafter Belebung der Flächenerscheinung die auch Beardsley
Weise, anderseits aber eine starke Neigung für am rechten Orte nicht verschmäht, er setzt sich,
die geistreichen illustrativen Arbeiten von Aubrey wie dieser, über die formalrichtige Zeichnung hin-
Beardsley. Es ist ja das Missgeschick aller eigen- weg, wo es ihm passt, aber die starke psychologische
Will Bradley, ein amerikanischer Wohnungskünstler
sichtslos beiseite schiebt. Eine Erscheinung, wie artigen Erscheinungen, dass sie nie ohne Nach-
das 1892 in der Merrymount Press gedruckte „Altar ahmer bleiben und diese meist in etwas schwächerer
Book" hat seinesgleichen in der modernen Kunst Ausdrucksweise die individuellen Eigentümlichkeiten
des europäischen Buchdruckes für kirchliche Zwecke wirklicher Originale sich zu eigen machen versuchen,
nicht. Es ist eine künstlerische Leistung ersten Wie viele Schüler suchen nicht gerade etwas darin,
Ranges. Erscheinungen, wie die zahlreichen Ar- alle diejenigen Eigenschaften ihrer Lehrer in
beiten der „Roycrofters" können dem besten, was vermehrter und verbesserter Auflage zu gewinnen,
in der alten Welt an Buchausstattung gemacht wird, die nicht von Verfeinerung sprechen, sondern vom
an die Seite gestellt werden. Wo aber gerade das Auffälligen. So ist denn auch bei Bradley der Hang
Buch, ein Gegenstand künstlerischer Sorgfalt, sich zum Grotesken, der Beardsleys eigentümliche und
allgemeiner Aufmerksamkeit erfreut, da ist der in vielen Beziehungen durchaus persönliche Art-
Boden auch für alle andern Fragen künstlerischer ich sage: in vielen Beziehungen, denn offenbar
Art geebnet. Finden es unsere Männer und Frauen sind Japans Holzschnitte von grossem Einflüsse auf
bis hinauf in die höchsten Gesellschaftsschichten ihn gewesen — charakterisiert, in ausgesprochen-
nicht mehr unter ihrer Würde, ihren Bedarf an stem Masse vorhanden. Er ist exzentrisch wie jener
Lektüre aus der Leihbibliothek zu beziehen, dann und insoferne ein durchaus moderner Künstler, als
ist Grund zu der Annahme vorhanden, eine tat- die Betonung des Auffälligen, des Abnormen, diese
sächliche Gesundung des Geschmackes bereite sich vielfach prononziert hervortretende Eigenschaft mo-
aus innerlichem Bedürfnisse vor, nicht mehr bloss, derner Dekorationsweise, auch bei seinen Plakaten
um „modern" zu sein, d. h. der Mode des Tages zu und Illustrationen als Eindruck entschieden vor der
folgen. V Würdigung der künstlerischen Qualitäten beim Be-
V Unter den Erscheinungen des amerikanischen schauer eintritt. Aber Bradley versteigt sich weder
Buchdruckes lenkte ein in der Way-Side-Press zu bis zu jenem Raffinement der Darstellungsweise,
Springfield 1896 (also genau ein Jahr früher, als wie sie Beardsley beispielsweise in „The Rape of
München den ersten bescheidenen Versuch einer Lock", in „The Toilet of Helen", in „The Coiffing",
Ausstellung für angewandte Kunst in neuzeitlichem „The Battie of the Beaux and the Belies" u. s. w.
Sinne sah) erschienenes Buch die Aufmerksamkeit zeigt, noch trifft er jenen Ton, den der englische
auf sich. Es trägt den Titel „Will Bradley his Künstler in seinen Illustrationen zu O. Wildes
Book". Es ist eine Sammlung von Arbeiten der „Salome" anzuschlagen gewusst hat; ebenso ist ihm
verschiedensten Art für Zeitschriften, für Bücher, jener tolle erotische Humor nicht eigen, der die geist-
Man merkt es dem Autor an, dass er zu stärkeren sprühenden Blätter zur Aristofanischen „Lysistrata"
Persönlichkeiten leicht in ein gewisses Abhängig- durchzieht. Alles bei Bradley ist zahmer. Er ver-
keitsverhältnis gerät und sein eigenes Können des steht es, ungebrochene Flächen in Schwarz zur
öfteren mit der Ausdrucksweise anderer verschmilzt. Hebung seiner Erscheinungen anzuordnen, eine von
So zeigen sich einerseits die Einwirkungen alter den japanischen Illustratoren herübergenommene
typographischer Meisterwerke in unzweifelhafter Belebung der Flächenerscheinung die auch Beardsley
Weise, anderseits aber eine starke Neigung für am rechten Orte nicht verschmäht, er setzt sich,
die geistreichen illustrativen Arbeiten von Aubrey wie dieser, über die formalrichtige Zeichnung hin-
Beardsley. Es ist ja das Missgeschick aller eigen- weg, wo es ihm passt, aber die starke psychologische