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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 5.1906

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Nr. 5
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Lehmann, A.: Von der Laienmeinung über die Arbeit des Architekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20726#0175
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131

Von der Laienmeinung über die Arbeit des Architekten

tektonischen Arbeit klar wurden, so lauteten wenig-
stens ihre sehr verständigen Aeusserungen. Zeigt
euren Bauherren nur manchmal die vielen Skizzen,
die ihr nach Aug und Kopf urteilend für ihn macht,
bis ihr endlich das fertige Bild vorlegt! Zeigt ihm,
mit welcher Liebe jeder Stein von der Wirkung der
ganzen Masse aus bis zur Vollendung der einzelnen
Linie behandelt wird! Es ist freilich nicht leicht,
dem Laien einen Begriff von der Entstehung des
baukünstlerischen Gedankens zu geben, beim Bild-
hauer und Maler lässt sich das Werden des Werkes
schon allein mit den Augen verfolgen, beim Bau-
werk muss das Denkvermögen mithelfen. Aber
empirisch lässt sich durch Vorträge und An-
schauung zusammen doch wenigstens so viel er-
reichen, dass der Beschauer eine Ahnung von dem
künstlerischen Wollen des Meisters erhält, von
seinen tausendfachen Erwägungen, bedingt durch
das Wesen der Materie, durch die Gesetze der
Schwere und durch die Proportionen der Flächen.
V Noch ein nicht unwesentlicher Grund für die
ungenügende Würdigung unserer künstlerischen
Stellung muss herangezogen werden, und zwar liegt
dieser zum grössten Teil in uns selbst. Der Kampf
ums Leben, als auch im Zusammenhang damit das
öffentliche Wettbewerbswesen hat eine solche Ver-
billigung der eigentlichen geistigen Arbeits-
kraft gezeitigt, dass manche Bauherren, dem An-
gebot entsprechend, es fast für selbstverständ-
lich halten, bei der gleichen Aufgabe verschiedene
Architekten zur Konkurrenz heranzuziehen, die
vielfach gratis oder um ein Spottgeld gerade die
erste schöpferische Leistung, die Entwurfsskizze,
liefern. Dass es sich dann im grossen und ganzen
nur noch um eine technische Ausarbeitung des
ersten Gedankens handelt, sucht der Laie sehr bald
zu begreifen und daher dann die merkwürdige Be-
griffsverwechslung von Baukunst und Bautechnik.
Dazu kommt noch, dass bei Vergebung des Baues
manchmal auch die Intrigue, der Autoritätsdusel
eine grosse Rolle spielt, es werden deshalb alle
Hebel auf dem Atelier in Bewegung gesetzt, um
mit der Fertigstellung des Projektes schon zeitlich
den Konkurrenten aus dem Felde zu schlagen,
mündliche Versprechungen über Bausummen, Aus-
führungszeit werden rasch gegeben, und wenn nun
der Auftrag fest erteilt und sich die Kosten nach
näherer Berechnung erhöhen, und sich hierdurch
oftmals wesentliche Aenderungen ergeben, dann
tritt schon das erste Missbehagen beim Bauherrn
ein, was unserem Ansehen sicher nicht zum Vor-
teil gereicht. Jeder Bauauftrag ist eine Vertrauens-
sache allerersten Ranges, deren sich nach meiner
bescheidenen Ansicht viele Architekten leider nicht

in dem Masse bewusst sind, als es nötig wäre. Es
kommen bei jedem Bau unvorhergesehene Dinge
dazu, welche die Kosten erhöhen; aber selten wird
der Kostenvoranschlag, bei welchem doch dies Mo-
ment genügend berücksichtigt werden sollte, ein-
gehalten. Mag sein, dass die Wünsche des Bauherrn
selbst oftmals eine Verteuerung herbeiführen, dann
sollte dieser aber jedesmal schriftlich genau darauf
aufmerksam gemacht werden, damit er nicht ge-
wohnheitsmässig sagen kann, dass jeder Kosten-
anschlag um etwa 20°/o überschritten wird. Aus
diesem Misstrauen entstehen dann auch jene ein-
seitigen merkwürdigen Verträge, dass sich der
Architekt zur Einhaltung der Bausumme verpflich-
ten muss, ohne aber als Aequivalent für das Risiko
eine etwaige Verminderung sich zu Nutzen machen
zu dürfen. Der Architekt muss eben mit den ge-
gebenen Mitteln aufs gewissenhafteste haushalten,
wenn ihm nicht von vornherein freie Hand ge-
lassen wird. In der Beschränkung zeigt sich der
Meister. V

V Ein interessantes Kapitel verworrener Begriffe
sind auch die Kunstanschauungen des Publikums
über Stil und Stilformen. Mit einem verbildeten
sogenannten Kunstverständnis, das vielfach die
Grenzen der Oberflächlichkeit erreicht, werden dem
Architekten Meinungen, Urteile entgegengehalten,
die seine Geduld und sein Taktgefühl oft auf eine
sehr harte Probe stellen. Glücklicherweise gelingt
es meistens der Autorität des Künstlers, den Bau-
herrn zu überzeugen, es gibt aber auch sehr viele
Fälle, wo die starrsinnige Ansicht des Bauherrn so
manchen schwachen Architekten zum Nachgeben
verleitet, besitzt er nicht genügend künstlerisches
Selbstbewusstsein, oder will er nicht den Auftrag
in andere Hände übergehen lassen. V

V Zum Schlüsse: Es gibt nun trotz aller angeführten
Gründe wohl mehr Bauherren, die von der Leistung
des Architekten befriedigter sind als es der Künst-
ler selbst von seinem Werke ist. Kein noch so
starkes Vorstellungsvermögen, keine noch so reiche
Erfahrung wird nach der Verwirklichung alle Punkte
so treffen, dass nicht noch eine Verbesserung
möglich wäre. Das Gemälde und die plastische
Form ertragen bis zum letzten Augenblick ihrer
Vollendung fast jede Veränderung. Am Bauwerk
aber ist solche bei dem Umfange, bei der Kostbar-
keit, bei der engen Sphäre seiner Wirksamkeit so
gut wie ausgeschlossen. Um so gewaltiger, um so
innerlicher vollzieht sich die Schöpfung des Ge-
dankens, der Kampf der Arbeit, der auch vom
Volke der Lohn und die Würdigung nicht versagt
werden kann, sobald es das schwere Ringen um
diese abstrakte Schönheit verstehen lernt. V
 
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