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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 6.1907

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Nr. 12
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Widmer, Karl: Pfeifer und Grossmann in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.23633#0693
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PFEIFER UND GROSSMANN IN KARLSRUHE
VON PROF. KARL WIDMER, KARLSRUHE

Der künstlerische Aufschwung der Karlsruher
Architektur, der sich an die Namen von Her-
mann Billing und Curjel & Moser knüpft und der
Karlsruhe in die vorderste Reihe der modernen
Architekturstädte gerückt hat, hat seine Früchte
nicht nur in den epochemachenden Bauten jener
führenden Meister gezeitigt. Er hat — was für die
Zukunft dieser Bewegung entscheidend ist — auch
in der jüngeren Generation festen Boden gefasst.
Heute entsteht in Karlsruhe kein nennenswerter
Bau mehr, der nicht die Berührung des neuen
Geistes deutlich offenbart. Dabei muss man freilich
die Erzeugnisse der Bauindustrie, die mit mehr
oder weniger Glück der Mode nachläuft, weil sie
eben Mode ist, von den Werken derer wohl unter-
scheiden, die in einem innern und lebendigen Ver-
hältnis zur Kunst unserer Zeit stehen. Unter ihnen
sind Pfeifer und Grossmann, die eine Zeit-
lang die Billingschule durchgemacht haben, früh-
zeitig zu einer selbständigen und persönlichen
Schaffensweise gelangt. V
V Wie die ganze moderne Bewegung von der
bürgerlichen Baukunst ausgeht, so haben sich auch
Pfeifer und Grossmann ihre Sporen zuerst an
Privatbauten verdient. Ihre umfangreichste aus-
geführte Arbeit ist bis jetzt das Landgut Rosen-
stihl in Littenweiler bei Freiburg. Es gibt uns
ein erschöpfendes Bild ihrer künstlerischen Eigen-
art und künstlerischen Grundsätze. V
V Diese basieren auf der Grundforderung aller
modernen Baukunst: Wahrheit und Sachlichkeit.
Dass sich der Zweck und Charakter des Hauses
mit der künstlerischen Erscheinung deckt, das
Aeussere aus dem Innern klar, einfach und folge-
richtig entwickelt ist. Das kommt in dem Gegen-
satz ihrer städtischen Wohnhäuser zu dem halb-
ländlichen Charakter des Gutshofs besonders schön
zum Ausdruck. Hier fanden sie den richtigen
Weg, indem sie die im heimischen Bauernhaus
gegebenen Anregungen fruchtbar machten: bei den
Stall- und Wirtschaftsgebäuden diese Elemente
stärker betonten und sie beim Wohngebäude mit
dem herrschaftlichen Charakter des Landsitzes
glücklich in Einklang brachten. So liegt in der
Behandlung der breit hingelagerten, nordisch-behag-
lichen Dachmassen, der Verschindelung der Giebel
ein Moment lokaler, ländlicher Bauweise. Damit
ist zugleich der landschaftliche Charakter der

Architektur gewahrt, das Haus an Boden und Klima
angepasst. Andererseits spricht der Charakter
gediegener Wohlhabenheit aus der gesamten Phy-
siognomie des Herrschaftshauses, dessen weisse,
durch einen ornamentalen Fries (in Putztechnik)
gehobene Mauerflächen sich in einer breiten Loggia
nach dem landschaftlich schönsten Teil der um-
gebenden Schwarzwaldnatur (es ist das romantische
Höllental) öffnen. Durch die Zusammenstellung
von Herrenhaus und Wirtschaftsgebäuden ergab
sich auch ungesucht eine malerische Gruppierung
und rhythmische Steigerung der um den Hof ge-
lagerten Gebäudemassen. Der herrschaftliche
Charakter des Wohnhauses findet im Innern natur-
gemäss seinen stärksten Ausdruck. Die Anlage
entspricht den Grundsätzen der modernen Ein-
familienhauseinteilung: eine zentrale Diele mit den
Hauptzugängen und den Treppen nach oben, rings
herum die Wohnräume; der Gesindetrakt hinter
die Küche konzentriert mit besonderem Eingang
vom Hof her. Die Wetterseite ist möglichst ge-
schlossen. Von Wohnzimmer und Bett aus kann
der Herr den Hof überschauen u. s. w. V
V Für den künstlerischen Eindruck der inneren
Ausstattung — soweit sie vom Bauherrn in die Hände
der Architekten gelegt wurde — spielt die Farbe
eine ausschlaggebende Rolle. Schon bei dem kleinen
Raum, den Pfeifer und Grossmann für die Karls-
ruher Jubiläumsausstellung von 1906 entworfen
hatten und dessen Möbel teilweise für die Litten-
weiler Diele verwandt worden sind, hatte man den
Eindruck eines starken koloristischen Talents: der
Raum schien durchaus aus der Farbe heraus
konzipiert. Die gleiche Farbenstimmung kehrt auch
bei der Diele wieder: geweisselte Wände, Kamin,
Holzwerk und Möbelstoffe gelb mit schwarzem und
weissem Muster. Es ist das Grundprinzip moderner
Raumstimmung: einfache, ruhige Farbenakkorde
mit sparsam verteiltem Ornament. V
V Bei ihren Karlsruher Wohnhäusern ist
der Situation entsprechend der städtische Charakter
auch in der äussern Erscheinung des Hauses stärker
betont. In der Verwendung von Haustein für Ge-
simse, Fensterumrahmungen, Vorbauten u. dergl.
liegt eine Annäherung an das Monumentale, ebenso
in der strengeren, dem Klassischen sich nähernden
Linienführung. Die Masse des hohen gebrochenen
Schieferdaches mit den Giebeln gibt dann den Aus-

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