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Richard Wörnle, Bielefeld
Vom Wohnhause des Fabrikanten G. W- in Bielefeld. — Der Hauseingang
Architektur und Bauleitung von Architekt Wiethächter (B. D. A.), Bielefeld
Kandelaber in geschmiedeter Bronze ausgeführt von W- Röwekamp, Bielefeld

ARBEITEN VON RICH. WÖRNLE UND GERTR. KLEINHEMPEL, BIELEFELD
Von Martin Lang, Stuttgart

Der Architekt Richard Wörnle in Bielefeld, Regierungs-
baumeister, Lehrer an der Kunstgewerbe- und Hand-
werkerschule dort, ist ein geborener Württemberger, der früh
genug aus dem Nest kam, aus dem Engeren ins Weitere, ein
Durchgang, der immer einen wohltätigen Einfluß auf künst-
lerische Naturen ausübt. In seinen Arbeiten ist wohl noch
der lyrische Grundton der schwäbischen Stammesart erkenn-
bar, die Weichheit, Innigkeit, das trauliche Behagen, aber es
ist nur mehr Kern und Seele seines Schaffens, innere Wärme,
Seelenwärme, Mittelpunkt. Die formhafte Begabung, die gerade
bei dem schwäbisch-alemannischen Stamme häufig vorkommt,
hat einen festen, klaren und einprägsamen Ausdruck gewonnen.
An einem Gesellenstück aus den früheren Jahren, das hier
abgebildet ist, dem Schlafzimmer (weißlackiert mit Schwarz)
ist die Abwendung vom Allzubehäbigen und Nestwärmen
fast überdeutlich ausgesprochen. So streng und feierlich wirkt
die Sauberkeit und Uniform, möchte man sagen, dieser stand-
festen Bettladen, der Stühle, der flankierenden Nachttische
und des breiten Schrankes. Man wird bemerken, wie Bett
und Stühle sich ähnlich sehen, wie Schrank und Nachttische
miteinander verwandt sind, und wie alles zusammen aus der
Familie desjenigen Hausrats stammt, der seinen Besitzer zur
Ordnung erzieht. Dieses Schlafzimmer kann man sich gar
nicht anders denken als aufgeräumt.
Eine der jüngsten Arbeiten Wörnles ist die Inneneinrich-
tung des Hauses Windelsbleiche bei Bielefeld. Das Haus war
im Rohbau fertig, von Architekt Wiethächter in Bielefeld
entworfen und gebaut. Hauseingang, Windfang, Diele, Kleider-
ablage, Eß- und Arbeitszimmer stammen von Wörnle, Wohn-
und Empfangsraum von Fräulein Gertrud Kleinhempel, der
bekannten Kunstgewerblerin. Fertigstellung während desKriegs.
Hier ist gute reife Arbeit geleistet, scheint mir. Die schöne,

gediegene Haustür mit der anmutigen Schnitzarbeit des Ober-
lichts, wie auch die ranken, nervigen Kandelaber fügen sich
dem einladenden Schwung des Hauseingangs aufs beste ein.
Die Windfangtür ist geradezu schmuck und vornehm. Schwerer
farbig geäderter Marmor der Wandbekleidung, gekehlter Tür-
rahmen und Fenstersprossen aus Ebenholz und geschliffenes
Glas, darüber dasschwarzumfaßtelichteRankenspiel desschmied-
eisernen Oberlichtgitters geben einen prächtigen Zusammen-
klang vonWohlhabenheit undWürde im gutbürgerlichen Sinn:
Patriziat, das aus dem Volke stammt und mit dem Volke geht,
nur nicht mit dem Pöbel, und zwar jeder Sorte. Den Ein-
druck der Diele bestimmen wieder Marmor und Einzelhaus-
rat: Die Verkleidung des Heizkörpers, ein Schaustück ein-
facher Vornehmheit, die schlanke, schön durchbrochene Eben-
holz-Säule der Wanduhr, die lichte schmiedeiserne Traube
der Deckenbeleuchtung — kurz, der sauber-helle Innen klang
des ganzen weiten Vorraumes. Sehr reizvoll ist der Gegensatz
zwischen Empfangs- und Wohnraum einerseits und den übri-
gen Wohnräumen. Während Wörnle ganz in seiner Aufgabe
aufgeht, still und sachlich, mit einem innigen Ernst und
einer Andacht zur ausdrucksvollsten, aber schlichtesten Werk-
form — schafft Gertrud Kleinhempel ein farbiges Märchen.
So wirken ihre Stühle — eigene Namen möchte man dafür
erfinden: Sitzpfühle sind es, diese aus schwellenden Pol-
stern erdachten Möbelschnecken. Wie anständig-bequem sitzt
es sich darin, erstaunlich und wiederum selbstverständlich
bequem I Wie regt der farbige heitere Raum — ich habe nur
noch den nachklingenden Eindruck davon — wie regt diese
blumig leuchtende Umgebung zum Plaudern und freien
frohen Umsichschauen an 1 Kleinhempels Möbel tragen durch-
aus keine Werkform, Zweckform, vielmehr eine Phantasie-
form, eigenwillig und lebendig. Dergleichen sieht man in
 
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